1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

AfD: Droht eine neue Spaltung?

Kay-Alexander Scholz, Berlin21. Dezember 2015

Es gibt wieder Streit bei den deutschen Rechtspopulisten. Björn Höcke, dem neuen Rechtsaußen der AfD, wurde vom Bundesvorstand der Parteiaustritt nahe gelegt. Einen offenen Machtkampf aber wird es erstmal nicht geben.

https://p.dw.com/p/1HRFX
Björn Höcke: Das neue Enfant Terrible der AfD (Foto: Dpa)
Björn Höcke: Das neue Enfant Terrible der AfDBild: picture-alliance/dpa/S. Pförtner

Schon wieder ein Machtkampf in der Alternative für Deutschland (AfD)? Erst im Sommer eskalierte der Streit um die Parteiführung zwischen dem Parteigründer Bernd Lucke und Frauke Petry. Schon damals wurde die Auseinandersetzung in den deutschen Medien oft als Flügelstreit beschrieben: Lucke, der Konservativ-Liberale gegen Petry, die Frau für die Nationalkonservativen in der Partei.

Ein wenig war das auch so. Petry zeigte damals weniger Berührungsängste mit der proletarischen Rechten als Lucke, der immer auf seine bürgerliche Fassade achtete. Hauptsächlich aber ging es dabei um den Kampf um die Parteiführung. Petry sah Lucke, der inzwischen beratungsresistent und eingemauert war, als nicht mehr geeignet, die Partei zu führen.

Das Spiel wiederholt sich - aber nicht ganz

Nun ist es Björn Höcke, AfD-Landesvorsitzender aus Thüringen, der in der Öffentlichkeit mit radikalen Äußerungen provoziert. Neu und überraschend ist das nicht: Höcke tat das, als die Mikrofone ausgestellt waren, schon im Sommer auf dem Parteitag, just nachdem sich die Mitglieder in einer Kampfabstimmung gerade für Petry entschieden hatten. Seine Zeit werde noch kommen, so Höcke damals. Petry weiß, dass ihr Höcke im Nacken sitzt.

Frauke Petry will den Machtkampf auf ihre Art führen (Foto: Dpa)
Frauke Petry will den Machtkampf auf ihre Art führenBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Doch anders als Lucke damals hat Petry derzeit einen guten Stand in der Partei. Das war zuletzt auch auf dem Delegiertenparteitag im November in Hannover zu erleben. Sie versucht, die gemäßigteren Landesverbände aus West-Deutschland mit den Hardlinern aus dem Osten zu versöhnen. Außerdem bindet sie verstärkt Nachwuchskräfte ein. Das finden viele in der Partei gut. Entsprechend gibt es derzeit in der Breite keine allgemeine Stimmung für einen neuen Machtkampf wie zu Luckes Zeiten.

Zuhause bei den neuen Rechten

In den Meinungsumfragen steht die AfD derzeit so erfolgreich wie noch nie zuvor da - sie profitiert von der Flüchtlingskrise. Noch im Sommer - nach dem offenen Machtkampf - dümpelte die Partei bei drei, vier Prozent umher. Nun sind es im Westen knapp zehn, im Osten um die 15 Prozent. Dass es Teile der Partei tatsächlich immer stärker in extreme Milieus zieht, scheint die Wähler nicht zu verschrecken.

Die AfD will ein breites Wählerspektrum ansprechen, das Zündeln mit dem rechten Rand gehört deshalb dazu. Das tat Lucke so - und das macht Petry auch. Doch Höcke spielt nicht nur mit dem rechten Rand, er ist dort zuhause. Er hat gute Beziehungen zu Rechtsintellektuellen um Götz Kubitschek. Höcke, von Hause aus Geschichtslehrer, könnte zur neuen Leitfigur einer antimodernen, nationalen Bewegung werden.

Höckes Anhänger in der AfD umfassen wohl 20 bis 30 Prozent - das ist keine Kleinigkeit. Ausstrahlung und Ehrgeiz hat er. Seine bewussten öffentlichen Provokationen haben einen gedanklichen Überbau. In seinen Reden tauchen auffällig häufig Begriffe wie "Gemeinschaft", "Familie" und "Nation" auf. Diese für ihn europäischen Werte will er verteidigen. Streng genommen sind das allerdings eher Begriffe jenseits der europäischen Tradition der Aufklärung und der Stellung und Freiheit des Individuums über den Zwängen einer Gemeinschaft. Es finden sich aber auch gedankliche Schnittmengen zu den selbsternannten Bewahrern deutschen Bildungsbürgertums wie Botho Strauß.

Kubitschek, Höcke, Strauß - alle drei leben in kleinen Dörfern, abseits der großen Städte und der dortigen Lebensweise. Die bewusste Flucht aus den Städten aufs Land ist in manchen, eigentlich bürgerlichen Milieus derzeit en vogue. Sorge und Angst sind häufig Auslöser entsprechender Gedankenwelten. Höcke und Co. könnten an der wieder häufiger wahrzunehmenden "German Angst" in breiteren Teilen der Bevölkerung andocken.

Öffentliche Verwarnung

Bei der jüngsten Vorstandssitzung hat Frauke Petry das Thema Höcke auf die Tagesordnung gesetzt. Ein Ordnungsverfahren aber wurde nicht angestrebt, wie aus Kreisen der Parteiführung zu erfahren war. Ein offener Machtkampf soll nicht vom Zaun gebrochen werden. Im Ergebnis gab es eine Art öffentliche Verwarnung, die ohne Gegenstimmen, bei zwei Enthaltungen angenommen wurde:

"Der Bundesvorstand stellt fest, dass die Äußerungen des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke bezüglich eines biologisch-demographischen Verhaltens von Menschen ausschließlich seine persönliche Meinung darstellen. Gleiches gilt für seine Einlassungen zur französischen Innenpolitik. Diese Sichtweisen von Höcke werden vom Bundesvorstand einhellig abgelehnt. Der Bundesvorstand fordert Höcke nachdrücklich auf, auch selbst zu prüfen, inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden."

Überzeugungsarbeit bei den Parteimitgliedern

Die Strategie dahinter ist vor allem, so heißt es, eine Botschaft an die eigenen Parteimitglieder zu senden. Diese sollen sich mit Höckes Aussagen auseinandersetzen, um den gefährlichen, rassistischen Unterton herauszuhören. Der Fall Höcke soll sich so irgendwann von selber erledigen, weil er die Zustimmung in der Partei verliert. In der Parteiführung selbst findet deshalb derzeit eine intensive Auseinandersetzung mit Höckes Gedankenwelt statt.

An einer echten Eskalation dürfte derzeit niemand Interesse haben - schließlich stehen im März drei Landtagswahlen an. Was nicht ausschließt, dass es bis dahin weitere Äußerungen und Gegenäußerungen zu Höcke geben wird.

Spannend werden könnte es dann im April, wenn sich die Partei auf einem erneuten Parteitag das lange angekündigte Parteiprogramm geben will. Das wäre dann die Bühne für einen offenen Schlagabtausch bis hin zum Machtkampf.