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Politik

AfD hat Osteuropa nach Deutschland geholt

Kay-Alexander Scholz
14. April 2018

Vor fünf Jahren fand der AfD-Gründungsparteitag statt. Das Ziel: In den Bundestag kommen. Das wurde erreicht. Doch aus der einstigen Euro-kritischen Professoren-Partei ist eine Partei mit Visegrád-Mentalität geworden.

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Landtags-PK mit Frauke Petry
Frauke Petry, das ehemalige Gesicht der AfDBild: picture-alliance/dpa/M.Skolimowska

Die AfD mit ihren Hochburgen in den neuen Bundesländern steht heute für eine gewisse "Visegrád-Mentalität" in Deutschland. Das heißt: In Ostdeutschland gebe es eine ähnliche Einstellung wie in den mitteleuropäischen Visegrád-Staaten Tschechien, Polen, der Slowakei oder Ungarn. Das sagt jemand, der sich auskennt mit Ostdeutschland und der AfD: Frauke Petry. Im Sommer 2014 hatte sie die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen mit fast zehn Prozent zum ersten Mal in ein deutsches Parlament geführt. Sie wurde der international bekannte Star der Partei. Selbst das US-Magazin "The New Yorker" machte eine 20-Seiten-Story über sie. "Osteuropa, die Visegrád-Staaten und ihre robustere Sprache sind gefühlt vor der Haustür - ihr kultureller Einfluss auf den Osten Deutschlands ist daher nicht verwunderlich", sagte Petry nun der DW. Deshalb sei man dort "schmerzfreier in der politischen Debatte"; der radikalere Flügel der AfD würde im Osten "weniger verschrecken als im Westen".

Pegida-Kundgebung in Dresden
Pegida-Kundgebung im Dezember 2014 in der sächsischen Hauptstadt DresdenBild: Reuters/Hannibal Hanschke

Petry hat den Wandel der AfD herbeigeführt

Rückblick: Im Herbst 2014, rund anderthalb Jahre nach der Gründung der AfD, gingen in Dresden - im Dreiländereck zu Tschechien und Polen - die ersten "besorgten Bürger" Seite an Seite mit Neu-Rechten auf die Straße. Als AfD-Chefin in Sachsen wusste Petry die "Pegida"-Bewegung politisch für sich zu nutzen. Sie bekam Rückenwind und putschte sich im Sommer 2015 an die Spitze der Bundes-AfD. Es folgten: Flüchtlingskrise, gesellschaftliche Polarisierung - und eine AfD auf strammen Rechtskurs.

Heute sitzt Petry, Jahrgang 1975, im Bundestag - aber nicht mehr für die AfD. Die ist ihr zu radikal geworden. Sie gilt nach ihrem Parteiaustritt nun als "fraktionslos". Ihr Versuch, eine neue Partei - "Die Blauen" - aufzubauen, kommt nur schwer voran. Die AfD ist nun ihre Konkurrenz. Auch deshalb beschäftigt sie die Frage, warum die AfD in Ostdeutschland doppelt so erfolgreich ist wie in Westdeutschland.

Die "Generation AfD" hat jetzt das Sagen

Eine Grenze zum Visegrád-Land Polen hat auch das ostdeutsche Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Der dortige AfD-Landeschef Leif-Erik Holm, Jahrgang 1970, bestätigte im DW-Interview, dass die AfD an Zustimmung gewinne, je näher man an die polnische Grenze komme. Auch er sitzt seit der Wahl im Herbst im Bundestag. Holm findet noch eine andere plausible Erklärung für die Stärke der AfD im Osten: Die meisten AfD-Wähler würden sich in der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen finden, so Holm. Also generell bei denjenigen, die jetzt alters- und einflussmäßig das gesellschaftliche Leben prägen.


"Das ist genau die Wende-Generation, die um 1989 politisch sozialisiert wurde", so Holm. Das großartige Gefühl der selbst errungenen Freiheit, auch endlich alles sagen zu können, habe sich tief in diese Generation eingebrannt. Er könne sich da noch gut an seine eigene Studienzeit erinnern. Man wollte sich "nie wieder das Maul verbieten lassen". Und nun? Sei es wie damals. "Der Freiheit wird wieder ein Korsett umgeschnallt", meint Holm. Viele trauten sich nicht mehr, bestimmte Themen anzusprechen, weil sie Angst vor sozialer Ächtung in der Öffentlichkeit und in den Medien hätten. In der Diktatur-Erfahrung sieht auch Petry einen Grund, warum die Ostdeutschen generell medienkritischer eingestellt seien.

Leif Erik Holm
Leif Erik Holm gehört zur "Generation AfD"Bild: Imago/IPON

Ähnliche Biografien zwischen Visegrád und Ostdeutschland

Dass die AfD mit ihren "Lügenpresse"-Parolen gerade in Ostdeutschland auf so fruchtbaren Boden fiel, könnte also auch eine Spätfolge des politischen Umbruchs 1989/90 sein. Doch zur ganzen Wahrheit gehört auch ein Blick auf die Zeit davor. Die "Generation AfD" ist nämlich die letzte, egal ob in der DDR oder in Polen, die in ihrer Kindheit und Jugend Diktatur erlebten und dadurch eben auch autoritär geprägt wurden - was die Hinwendung zu einer neo-autoritären Partei wie der AfD oder der polnischen nationalkonservativen PiS psychologisch erklären kann.

Ungarn Budapest - Regierende der Visegrád-Gruppe
Freunde der AfD: Treffen der Visegrad-Gruppe Ende Januar 2018Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Koszticsak

Es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten zwischen Visegrád und Ostdeutschland: Zur Umbruch-Erfahrung gehörten für viele die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen der Zeit. "Ganze Jahrgänge sind in Ostdeutschland aus den Arbeitsprozessen heraus gelöst worden", sagte der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk bei einer Tagung in Berlin. In den Visegrád-Staaten war die Lage oftmals noch schwieriger. Zum Umbruch kam eine Hyperinflation dazu. Und: Es gab auch keinen reichen Westen, aus dem direkt Geld floss.

Bundestag: Chance und Herausforderung für die AfD

Eine ähnliche "Visegrád-Denke" zeigt sich auch beim Thema Flüchtlingspolitik. Die Visegrád-Länder schauten vor allem "durch das Prisma von Schutz und Sicherheit auf die Problematik - 'Security first' ist die Devise", erklärte Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politikin einem Interview. Man sehe vor allem Risiken und Bedrohungen. Deshalb gebe es den Wunsch nach "einer effektiven Abwehrpolitik, mehr Kontrollen und besserer Grenzsicherung".

Und in Ostdeutschland? "An den Themen innere Sicherheit und Migration wird sich alles entscheiden", sagte Holm. Das ist "Security first" in anderen Worten. Längst ist diese Denke Teil der politischen Agenda auch anderer Parteien in Deutschland geworden. Doch als koalitionsfähig wird die AfD noch nicht gesehen. Das könnte Aufgabe der nächsten fünf Jahre werden. Es wird sich daran entscheiden, wie anschlussfähig die AfD wird und ob sie es schafft, sich im Bundestag zu behaupten. Das heißt vor allem, wie sehr sie ihren ultrarechten Rand in den Griff bekommt und neben dem Protest eigene Politik-Konzepte entwickelt.