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AfD: Leichte Verluste, stabile Hochburgen

Ben Knight | Rina Goldenberg
29. September 2021

Bundesweit hat die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) bei der Bundestagswahl Verluste erlitten. Aber im Osten bleibt die Außenseiter-Partei stark.

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Wahlparty der AfD - Ein Mitglied der AfD sitzt bei der Wahlparty der AfD. 26.09.2021
AfD: Nur noch fünftstärkste Partei im BundestagBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Im ostdeutschen Bundesland Sachsen haben sich die Rechtspopulisten dem bundesweiten Abwärtstrend widersetzt: Dort wurde die Alternative für Deutschland (AfD) bei der Bundestagswahl am Sonntag stärkste Partei, deutlich vor der Mitte-Rechts-Partei Christlich Demokratische Union (CDU). Die Grünen kamen in dem Bundesland kaum über die Fünf-Prozent-Hürde. Auch im benachbarten Thüringen wurde die AfD stärkste Einzelpartei, knapp vor den Sozialdemokraten. Im Süden Ostdeutschlands scheint die AfD ihr Kerngebiet mit einer starken Stammwählerschaft etabliert zu haben.

Infografik - Karte - Zweitstimmen nach Wahlkreis - DE

Insgesamt büßte die AfD bei der Wahl jedoch mehr als zwei Prozentpunkte gegenüber ihrem Ergebnis von 2017 ein. Bundesweit kam sie nur noch auf knapp über 10 Prozent der Stimmen, womit die Partei auf Platz fünf liegt. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 war die AfD noch drittstärkste Kraft im Parlament geworden und damit größte Oppositionspartei.

"Das ist keine Niederlage", war dennoch die trotzige Botschaft der AfD-Spitze nach der Veröffentlichung der Ergebnisse. Angesichts des zweistelligen Ergebnisses sprach einer der beiden Spitzenkandidaten der Partei, Tino Chrupalla, von einem "sehr stabilen Ergebnis". Er fügte hinzu, man werde in den nächsten Tagen analysieren, zu wem die Wähler abgewandert sind und warum.

Co-Spitzenkandidatin Weidel sagte, dass sie sich das Ergebnis "nicht schlecht reden lasse, von niemandem". Zugleich beklagte sie eine angebliche Voreingenommenheit der Medien und den ihrer Meinung nach unfairen Wahlkampf der politischen Konkurrenten.

Alice Weidel, stellv. Parteivorsitzende der AfD, auf einer Wahlveranstaltung vor der Bundestagswahl 2021.
Alice Weidel macht auch die Medien für das Abschneiden der AfD mitverantwortlichBild: DW

Osten als Hochburg der Rechtspopulisten

Die Unterstützung für die AfD ist im Westen Deutschlands zwar geschrumpft. Aber das Ergebnis vom Sonntag zeigt: Die rechtsextreme Partei hat sich in allen Bundesländern, die auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) liegen, als politische Kraft etabliert. Dort liegt sie häufiger bei über 20 Prozent der Wählerstimmen; bundesweit eher bei 10 Prozent.

Im Osten konnte die AfD auch Versuche etwa der Christdemokraten abwehren, nach rechts zu rücken, um stärker ostdeutsche Wähler anzusprechen. Das belegt das Scheitern des ehemaligen Verfassungsschutzchefs und heutigen CDU-Rechtsaußens Hans-Georg Maaßen in Thüringen. Maaßens dritter Platz scheint die Annahme zu widerlegen, Mitte-Rechts-Parteien könnten erfolgreich AfD-Wähler davon überzeugen, sich von der extremen Rechten abzuwenden.

Datenvisualisierung Bundestagswahl 2021 DE Wahlergebnisse nach Stadt/Land

Anfang 2021 hatte eine Analyse von Marco Wanderwitz für Aufsehen gesorgt. Wanderwitz, in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren, CDU-Abgeordneter und Ostbeauftragter der Bundesregierung, hatte in einem Podcast der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt: "Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind." Ein Teil der Bevölkerung habe "gefestigte nicht-demokratische Ansichten".

Wanderwitz Äußerungen haben viele Ostdeutsche verärgert. Sie zeigen aber auch, wie tief die Teilung durch den Kalten Krieg immer noch sitzt: Unabhängig von den Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte wird die politische Debatte über Ostdeutschland auch heute noch häufig von der Zeit zwischen 1949 und 1989 bestimmt.

Tatsächlich waren die Veränderungen nach der Wiedervereinigung dramatisch. Allein demographisch: Der Osten musste eine Massenabwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen in den Westen verkraften, seit 1990 mehr als vier Millionen. Das hatte große Auswirkungen auf die politische Landschaft. Außerdem: Noch immer liegen die östlichen Bundesländer wirtschaftlich hinter den westlichen Ländern zurück.

Die Partei der Zurückgebliebenen

Deutschlandweit haben Studien des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap gezeigt: Die AfD ist tendenziell dort am stärksten, wo die Bevölkerung schrumpft. Einige politische Analysten sprechen deshalb von der AfD als "Protestpartei": Sie biete denjenigen, die sich nach der Wiedervereinigung von Westdeutschland "zurückgelassen" fühlten, ein Ventil für ihren Unmut über die politischen "Eliten" in Berlin.

Datenvisualisierung Bundestagswahl 2021 DE Wahlergebnisse nach Bildungsgruppe

Viele deutsche Kommentatoren interpretierten den Aufstieg der Partei auch als Teil eines internationalen Trends Richtung Populismus, auf einer Linie mit dem Brexit-Votum in Großbritannien oder der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.

Intern ist die AfD in einen "gemäßigten" und einen rechteren Flügel gespalten - wobei der letztere nach Einschätzung mancher Beobachter an Boden zu gewinnen und in rassistischen Nationalismus und teilweise Antisemitismus überzugehen scheint. Das hat die Führung gespalten, vor allem zwischen dem als gemäßigt geltenden Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Spitzenkandidatin Weidel. Keiner von beiden wollte auf die Frage eingehen, ob Meuthen erneut für den Parteivorsitz kandidieren werde. Im Kern geht es um die Frage, ob die AfD mit einem eher moderaten Auftritt im Westen auf Stimmenfang geht oder stärker rechtspopulistisch die Wähler im Osten anzusprechen versucht.

Stabübergabe im Bundestag

Einige extremere Vertreter des rechten Lagers haben den Einzug in den Bundestag verpasst. Allerdings sind auch unter den Neuzugängen ein rundes Dutzend Abgeordnete, denen Bezüge zu radikalen Gruppen nachgesagt werden. Insgesamt ist die neue Fraktion der AfD gegenüber der alten um zehn Abgeordnete auf jetzt 83 geschrumpft.

Das schwächere Abschneiden bei der jüngsten Bundestagswahl hat auch damit zu tun, dass es der AfD nicht gelang, die Parteibasis mit einem neuen, starken Thema zu mobilisieren. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 war das anders. Da zog das Thema Zuwanderung, nachdem in den Jahren 2015/16 rund eine Million Menschen vor Krieg und humanitären Krisen nach Deutschland geflohen war.

Dass die AfD nun nicht mehr die stärkste Oppositionspartei im Bundestag ist, wird sie einer profilierten Rolle berauben. Möglicherweise wird sie dadurch im politischen Diskurs in Deutschland an Sichtbarkeit verlieren.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.