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Politik

AfD-Parteitag mit Fragezeichen

Kay-Alexander Scholz
20. April 2017

Frauke Petry, Frontfrau der deutschen Rechtspopulisten, ist eine machtbewusste Politikerin. Das hat sie vor dem Wahlparteitag neu gezeigt und damit eine Zerreißprobe provoziert. Doch hoch zu pokern gehört zum Spiel.

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Deutschland Pressekonferenz der AfD zu Medienordnung
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Du oder ich? Dass Politik ein Schlachtfeld sein kann, zeigt die US-TV-Satire "House of Cards" publikumswirksam. Dass Fiktion und Realität manchmal nah beisammen sind, sieht man besonders gut und oft bei der AfD. Die deutschen Rechtspopulisten haben seit ihrer Gründung 2013 immer wieder den Vorhang aufgezogen und damit den Blick der Öffentlichkeit direkt auf die internen Machtkämpfe gelenkt. Im Vorfeld des Bundesparteitags an diesem Wochenende in Köln bot die AfD reichlich neuen Dramen-Stoff.

Frauke Petry, eine der beiden Parteivorsitzenden, wollte ihrer Partei in gleich doppelter Hinsicht die Pistole auf die Brust setzen. Kolportiert worden war, dass Petry alleinige Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf werden wolle – obwohl sich der Bundesvorstand und die Mitglieder in einer Befragung für ein Team von Spitzenkandidaten ausgesprochen hatten.

AfD-Fähnchen und viele Biergläser (Foto: picture-alliance/dpa/A. Weigel)
In Umfragen liegt die AfD derzeit zwischen acht und elf ProzentBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Strategie-Entscheidung als Ausweg aus dem Lagerstreit?

Zum anderen hatte Petry einen "Zukunftsantrag" verfasst, mit dem sie die Partei zu einer grundsätzlichen strategischen Ausrichtung bewegen wollte. Doch der Antrag provozierte Kritik von allen Seiten – vor allem deshalb, weil die von Petry ausgemachte Trennung in einen realpolitischen und einen fundamental-oppositionellen Flügel samt personeller Zuordnung als künstliche Trennung bewertet wurde, und weil sich viele fragten, warum Petry gerade jetzt für Unruhe in der Partei sorgt – zu einem Zeitpunkt, an dem die Partei geschlossen in den Wahlkampf ziehen müsse. Schon einmal hatte ein solches Vorhaben mit der Spaltung der Partei geendet.

Porträt Björn Höcke (Foto: picture-alliance/Arifoto Ug/Candy Welz)
Björn Höcke, Fundamentalopposition in PersonBild: picture-alliance/Arifoto Ug/Candy Welz

Petrys Antrag versucht, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Sie will der AfD ein saubereres Image als "bürgerliche Volkspartei" verpassen, um wählbarer zu erscheinen. Zum anderen steckt dahinter ein erneuter Frontalangriff gegen den Mann, der personalisierte Fundamentalopposition ist: Björn Höcke, AfD-Chef in Thüringen. Vor einigen Wochen erst hatte Petry Höcke einen Tiefschlag versetzt, als sie gegen ihn wegen dessen Dresdner Rede ein Parteiausschlussverfahren auf den Weg brachte. Dass Höcke Petrys größter Widersacher und Konkurrent ist, weiß die 41-Jährige.

Überraschungen vor dem Parteitag

Bei der AfD wird mit allen Waffen gekämpft, wie auch der Fall Klonovsky zeigt. Petrys eigener Ex-Mitarbeiter Michael Klonovsky warnte vor einigen Tagen in einer öffentlichen Erklärung vor ihr - aber vor allem vor ihrem Ehemann Marcus Pretzell, dem AfD-Chef in Nordrhein-Westfalen. "Bonnie und Clyde" lautet die Überschrift in Erinnerung an ein US-Gangsterpaar der 30er Jahre. Die beiden würden die Partei mit ihrem Freund-Feind-Denken und den ewigen Intrigen zerstören, so Klonovsky, ein ehemaliger Journalist. Allein diese Begebenheit könnte ein eigenes Drehbuch füllen - welche Akteure steckten wirklich hinter diesem persönlichen Angriff?

Wie auch immer: Petry hat gemerkt, dass sie für Köln keine operative Mehrheit hat. Wohl deshalb trat sie kurz vor dem Parteitag einen taktischen Rückzug an: Sie wolle keine Spitzenkandidatin im Wahlkampf sein, teilte sie in einer Facebook-Videobotschaft mit. Die Mitteilung schlug in den deutschen Medien ein wie eine Bombe. Sogar die Hauptsendung der "Tagesschau" machte damit auf. Allerdings gehört zur Wahrheit auch dazu, dass Petry im Frühsommer ihr fünftes Kind erwartet und dann eigentlich erst einmal Mutterschaftspause hat.

Kann sich Petry doch noch durchsetzen?

Georg Pazderski, Berliner AfD-Chef (Foto: picture alliance/dpa/P. Zinken)
Der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski gilt als gemäßigtBild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Petry überraschte mit ihrer Botschaft auch die anderen Führungspersonen in der AfD, von ihrem Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen bis hin zum Brandenburger AfD-Chef Alexander Gauland. Nun muss sich die Partei unter neuen Vorzeichen einig werden, wer die AfD in den Wahlkampf führen soll. Gauland und Alice Weidel aus Baden-Württemberg, eine der derzeit bürgerlichsten Stimmen der Partei, haben ihre Bereitschaft für die Arbeit in einem Führungsteam geäußert. Der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski wiederum brachte einen Wahlkampf ganz ohne Spitzen ins Spiel.

Die Partei will die großen Streitthemen am ersten Tag abräumen. Was aus Petrys "Zukunftsantrag" wird, ist offen. Es gibt Stimmen, den Antrag erst gar nicht auf die Tagesordnung setzen zu lassen, um eine Abstimmung zu verhindern. Andererseits hat sich Petry in ihrem Video-Statement kompromissbereiter als zuletzt gezeigt und trotzdem vehement für eine strategische Entscheidung geworben. Das könnte ihr bei manchem der 600 Delegierten Pluspunkte eingebracht haben. Zudem hat sich selbst Gauland kompromissbereit erklärt.

Rechtsruck im Wahlprogramm?

Ein Parteitag hat immer eine ganz eigene Dynamik. Nicht nur im Saal, auch davor könnte es am Wochenende hoch hergehen. Insgesamt 50.000 AfD-Kritiker haben sich für verschiedene Demonstrationen in der Kölner Innenstadt angekündigt. 4000 Polizisten werden im Einsatz sein, viele Geschäfte bleiben geschlossen.

AfD stellt ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl vor
AfD-Wahlprogramm zur AbstimmungBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Eigentlicher Schwerpunkt des Parteitags soll aber die Verabschiedung eines Wahlprogramms sein, für das die Parteiführung schon vor Wochen einen Entwurf präsentierte. Ein paar Schlagworte daraus: Volksabstimmungen wie in der Schweiz, geschlossene Grenzen, Mindestquote für Abschiebungen, deutsche Leitkultur, Kopftuchverbot, Zwang zum Predigen auf Deutsch in Moscheen. 200 Seiten Anträge liegen vor. Doch wie viel Zeit wird vor dem Hintergrund der Personalquerelen in Köln bleiben, inhaltliche Debatten zu führen?