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Afghanische Regierung will mehr Verantwortung

20. Juli 2010

Vor einem halben Jahr in London hat die internationale Gemeinschaft der afghanischen Regierung mehr Eigenverantwortung zugestanden. Nun zieht diese eine erste Zwischenbilanz.

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Präsident Karsai
Präsident KarsaiBild: AP

Die Lage in Afghanistan ist kritischer denn je. Rund sechs Monate nach der Londoner Konferenz ist eine positive Wende nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Das letzte halbe Jahr war das blutigste seit Beginn der ISAF-Mission 2001. Die afghanische Armee sieht sich angesichts dieser Entwicklung nicht in der Lage, die Sicherheitsverantwortung zu übernehmen, wie es Anfang des Jahres in London anvisiert worden war. Das liege weniger an einer Übermacht der Taliban als vielmehr daran, dass es den afghanischen Streitkräften immer noch an vielem mangele, sagt General Zaher Azimi, Sprecher des afghanischen Verteidigungsministeriums. "Wir können nicht selbstständig agieren, weil wir zum Beispiel über keine Luftwaffe verfügen. Auch an gepanzerten Fahrzeugen fehlt es uns bislang."

"Geblieben ist nur der Wunsch nach Besserung"

Mohammad Zahir Azimi, Sprecher des Verteidigungsministeriums
Mohammad Zahir Azimi, Sprecher des VerteidigungsministeriumsBild: AP

Kurz nach der Londoner Afghanistan-Konferenz hatte der Sprecher des afghanischen Verteidigungsministeriums hoffnungsvoller geklungen. Doch er habe inzwischen seine Begeisterung verloren, meint General Azimi. Geblieben sei nur der Wunsch nach Besserung. "Die Menschen in Afghanistan haben die Hoffnung, dass ihre Streitkräfte selbst für die Sicherheit ihres Landes sorgen können. Doch dies soll dann geschehen, wenn wir dazu in der Lage sind."

Der afghanische Finanzminister Omar Zakhelwal übt hingegen offene Kritik an den Partnern seines Landes: Sie müssten sich an ihre eigenen Abmachungen halten. Die afghanische Regierung habe ihrerseits alle Auflagen der Londoner Konferenz erfüllt, so Zakhelwal: "Jedes Ministerium, jede Behörde, hat neben einer zukunftsorientierten Strategie ein wirkungsvolles Konzept zur Bekämpfung von Korruption entwickelt. Damit haben wir mehr erreicht, als von uns erwartet wurde."

Afghanische Soldaten bereiten sich auf Kampfeinsatz vor
Afghanische Soldaten bereiten sich auf Kampfeinsatz vorBild: AP

Der afghanische Finanzminister hofft, wie in London vereinbart, bald über 50 Prozent der Hilfsgelder zu verfügen. Bislang sind es 20 Prozent. Doch angesichts der um sich greifenden Korruption im Land sind viele Geberländer sehr skeptisch. Sie befürchten, dass die Hilfsgelder missbraucht und veruntreut werden könnten. Zakhelwal gibt zu, dass Koruption zwar nach wie vor sehr verbreitet sei, die afghanische Regierung, sagt er, tue aber alles, um den Betrügern in den eigenen Reihen das Handwerk zu legen.

"Die Regierung in die Pflicht nehmen"

Diese Meinung teilen Kritiker der Regierung von Präsident Hamid Karsai nicht: Sie werfen ihr vor, für die immensen Probleme des Landes, also auch das Problem der Veruntreuung von Hilfsgeldern, keine Lösungskonzepte zu haben. "Ein Präsident, der nach rund sechs Monaten immer noch nicht in der Lage ist, die Minister für sein Kabinett zu benennen, kann nicht behaupten, er mache eine erfolgreiche Politik", meint der Politik-Experte Junus Fokur. "Wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft die afghanische Regierung in die Pflicht nimmt und sich nicht wie bisher auf leere Worte verlässt."

Laut Fokur führen mangelnde Zusammenarbeit und gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Kabul und der internationalen Gemeinschaft dazu, dass die Ziele der Londoner Afghanistan Konferenz nicht einmal ansatzweise erreicht wurden.

Autor: Ratbil Shamel
Redaktion: Mathias Bölinger