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Ein leerer Swimming Pool und eine große Vision

9. Juni 2010

Es klingt wie das Drehbuch zu Mission Impossible, Teil vier: ein US-Marine-Reservist soll eine afghanische Wasserballmannschaft zu den Olympischen Spielen bringen. Die Geschichte eines ungewöhnlichen Traums.

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Die afghanische Wasserball-Nationalmannschaft
Die afghanische Wasserball-NationalmannschaftBild: Jeremy Piasecki

Der Traum von der Wasserpolo-Nationalmannschaft für Afghanistan begann vor zwei Jahren. Marine-Reservist und Freizeit-Wasserball-Trainer Jeremy Piasecki arbeitete als Berater in Verwaltungsfragen auf einem Stützpunkt der Afghanischen Armee in der Nähe von Kabul. Er hörte, dass es irgendwo dort einen leerstehenden Pool geben solle. Und beschloss, eine Wasserballmannschaft zu gründen. Bis dahin waren einige Hürden zu überwinden.

Kein Wort für den neuen Sport

Marine-Reservist und Freizeit-Wasserball-Trainer Jeremy Piasecki
Marine-Reservist und Freizeit-Wasserball-Trainer Jeremy Piaseckis Ziel: Olympia 2016Bild: Jeremy Piasecki

Als Piasecki das Becken zum ersten Mal sah, lag noch Schnee auf dem Boden. Es war ziemlich kalt. "Metall-Abfall, Plastikflaschen, Glasscherben, Dreck lagen im Pool. Einige nicht identifizierbare Gegenstände, darunter vermutlich ein totes Tier“, erzählt der 31jährige Trainer. "Kurzum: Dinge, die nicht in einen Pool gehören.“

In der Region rund um den Militärstützpunkt herrscht Wassermangel. Die Steinwüste lädt nicht gerade dazu ein, unter freiem Himmel zu trainieren. In dieser Umgebung eine Wasserballmannschaft trainieren zu wollen, schien eine völlig verrückte Idee zu sein. Auch, weil in Afghanistan kaum jemand schwimmen lernt. Es gibt kein Wort in den Sprachen Afghanistans für diese Sportart, erklärt Piasecki: "Sie benutzen unterschiedliche Wortkombinationen: Schwimm-Fußball, Schwimm-Volleyball, Hand-Schwimm-Ball. Ich habe verschiedenste Varianten gehört. Es gibt keinen einheitlichen Begriff für Wasserball.“

Wasserball als Form des Widerstands gegen Kriegstreiber

Wasserballer trainieren in einem Pool in Afghanistan
Trotz häufiger Wasserknappheit trainieren die Wasserballer inzwischen regelmäßigBild: Jeremy Piasecki

Dank Piaseckis Ausdauer, Leidenschaft und Überzeugungskraft war der Pool wenige Monate später mit frischem Wasser gefüllt - bereit für ein Probetraining. Der Trainer aus Kalifornien gründete die erste afghanische Wasserball-Mannschaft. Für ihn eine Form des Widerstands gegen Kriegstreiber. Die Soldaten kamen aus allen Provinzen des Landes, hatten unterschiedlichste ethnische Hintergründe. "Es gab nie Probleme“, berichtet der Trainer stolz. "Konflikte, wie ich sie in der Armee erlebt habe, haben wir hier nicht gesehen. Alle kamen, um zu trainieren, um Teil dieser Mannschaft zu sein.“

Heute gibt es zwei Wasserballmannschaften in Afghanistan. Eine auf dem Stützpunkt bei Kabul, eine in der Provinz Helmand. Das Olympische Komitee Afghanistans beauftragte Jeremy Piasecki damit, ein Nationalteam zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio de Janeiro zu führen.

Widrige Trainingsumstände

In Afghanistan zu trainieren ist schwierig. In den Sommern gibt es oft lange Dürreperioden mit akutem Wassermangel und und im Winter lange Kälteperioden, in denen das Wasser im Pool nicht warm wird. Viele der besten Athleten im Nationalteam sind auch die besten Soldaten der afghanischen Armee und müssen Militäreinsätze leiten. Nicht alle kommen zurück. Drei Mitglieder der Nationalmannschaft starben im Kampf gegen die Taliban.

Ein Mann säubert den Boden eines Schwimmbeckens
Bevor das Trainingsbecken mit Wasser gefüllt werden konnte musste es erstmal entrümpelt werdenBild: Jeremy Piasecki

Piasecki arbeitet nun daran, die Athleten für mehrere Monate in die USA zu bringen - um dort mit ihnen zu trainieren. Und um Menschen beider Kulturen außerhalb des Krieges am Rand eines Swimmingpools zusammen zu bringen. "Nur wenige hier haben je mit einem Afghanen gesprochen. Sie wissen nicht was es bedeutet, in einem Land zu leben, das sich seit Jahrzehnten im Krieg befindet.“

Der Kalifornier kann es außerdem kaum erwarten, den Athleten sein Heimatland zu zeigen. "Die Afghanen könnten lernen, was so wunderbar an unserem Land ist, warum wir ihnen helfen wollen. Alle gewinnen dabei und es ist so einfach!“ Piasecki hat schon Reise- und Aufenthaltsgenehmigungen, Unterkunft und Trainingsmöglichkeiten in den USA für die afghanischen Athleten organisiert. Noch fehlt das Geld für die Reisekosten. Der Marine-Reservist ist aber sicher, auch das noch aufzutreiben. "Wenn es leicht wäre, würde ich es nicht tun. Dann würde ich denken - das kann jemand anders übernehmen!“



Autorin: Kerstin Zilm
Redaktion: Mirjam Gehrke