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Korruption, Drogen, Armut – Ideale Bedingungen für die Taliban

28. Januar 2007

Fünf Jahre nach dem Einmarsch internationaler Truppen in Afghanistan sind die Taliban stärker denn je. Der Einfluss der Regierung reicht kaum über Kabuls Grenzen hinaus. Vom Frieden ist das Land noch weit entfernt.

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Afghanischer Bauer bei der Opiumernte, Foto: AP
Im Jahr 2005 wurden in Afghanistan mehr als 6000 Tonnen Rohopium geerntetBild: AP
Talibankämpfer südlich von Kabul
Die Taliban gewinnen erneut an StärkeBild: AP

Seit jeher sind die Taliban eine Armee armer Männer und die Armut in Afghanistan ist groß. Einst verhasst, verheißen sie heute wieder Hoffnung. Wer überleben will, schließt sich den Gotteskriegern an. Noch immer zählt Afghanistan zu den Staaten mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt, es ist das fünftärmste Land der Erde, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 46 Jahre. Die ausländischen Soldaten haben sich ihre Sympathien bei der Bevölkerung im Süden verspielt. Zu viele so genannte Kollateralschäden, zu geringe Verbesserungen der Lebensverhältnisse. Entgegen aller Versprechungen wurden Krankenhäuser, Straßen und Schulen nicht gebaut. Vielerorts gibt es keinen Strom und erst recht keine Jobs, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich und ihre Familien durchzubringen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 75 Prozent, im Süden und Osten beträgt sie teilweise sogar 90 Prozent.

Dabei war die Hoffnung noch vor fünf Jahren groß, als die Truppen der Nordallianz mit Unterstützung der USA und der Völkergemeinschaft in Kabul einmarschierten, um dem grausamen Regime der Taliban ein Ende setzen. Die Truppen wollten Sicherheit bringen – und dazu beitragen, den Vielvölkerstaat politisch zu befrieden. Doch für Sicherheit kann die internationale Staatengemeinschaft schon lange nicht mehr sorgen. Sicherheit versprechen nun wieder die Taliban. Die Sicherheitskräfte der Regierung sind handlungsunfähig einerseits; korrupt und kriminell andererseits. Nicht selten rauben sie die Einheimischen aus, anstatt als “Freund und Helfer“ zu agieren. Zudem ist es den Taliban und den Warlords gelungen, die Sicherheitskräfte zu unterwandern. Zahlen sie doch ein Vielfaches dessen, was die Regierung an Sold bieten kann.

Reiche Opiumernten – Starke Taliban

Haupteinnahmequelle der Aufständischen ist der Drogenhandel. Nur noch in 6 der 34 Provinzen Afghanistans wird kein Opium produziert. Wie das Büro der Vereinten Nationen für Drogen und Kriminalität in Kabul mitteilte, hat die Anbaufläche von Schlafmohn 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um 59 Prozent auf 165.000 Hektar zugenommen. Trotz groß angelegten Vernichtungen von Mohnfeldern wurden 6100 Tonnen Rohopium geerntet – 92 Prozent der weltweiten Produktion.

Warlords und Drogenbauern verpflichten Taliban als Schutzmacht gegen die Zerstörung der Drogenfelder durch ausländisches Militär.

60 Prozent der Afghanen leben von der Landwirtschaft. Der Anbau von Schlafmohn ist weitaus profitabler als der von anderen Produkten. Solange den Bauern keine wirklichen Alternativen zum Mohnanbau geboten werden, kann auch das Abbrennen ihrer Felder keinen Erfolg versprechen. Es hat Millionendollar-Programme gegeben, um den Drogenanbau zu stoppen. Doch alternative Landwirtschaft benötigt Zeit. Und solange es keine Industrie gibt, um die Produkte zu vertreiben, sind solche Bemühungen umsonst.

Eine Regierung ohne westlichen Einfluss – die Lösung?

Die Regierung ist dagegen machtlos. Präsident Abdul Hamid Karzais Einfluss reicht nicht über Kabuls Grenzen hinaus. “Auf dem Land machen die Taliban was sie wollen – sogar schon tagsüber“, erzählt Mahmood Sadat der AG Friedensforschung der Uni Kassel (AGF), der als Kinderarzt auf dem Land arbeitete. Nachdem vier seiner Kollegen ermordet worden waren, sah er sich gezwungen, seine Arbeit in einer Klinik auf dem Land aufzugeben.

Matin Baraki ist Afghanistan-Experte und Lehrbeauftragter für Internationale Politik in Marburg. Er beschreibt der AGF eine “Alternative, die jedoch nie diskutiert wurde“: “Der beste und einzig gangbare Weg zur Befriedung Afghanistans wäre die Bildung einer repräsentativen Regierung in Afghanistan, unter strengster Kontrolle nicht der 'internationalen Gemeinschaft', sondern der 118 blockfreien Staaten, der 55 Mitglieder der Konferenz der Islamischen Staaten, der internationalen Gewerkschaften, von Friedens- und Frauenorganisationen.

Andere Experten sind skeptisch, ob eine Lösung des Konfliktes ganz ohne Beteiligung der USA und Europas möglich ist. Einigkeit herrscht darüber, dass es keine rein militärische Lösung geben kann. Ein Abzug der westlichen Truppen jedoch, könnte die Talibanisierung Afghanistans weiter vorantreiben.

Viktoria Thumann, Studiengang Online-Journalismus, Hochschule Darmstadt