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Politik

Afghanistan wählt, die Taliban drohen

Masood Saifullah gh
28. September 2019

Wer in Afghanistan an diesem Samstag seine Stimme für einen neuen Präsidenten abgibt, beweist Mut. Denn die Taliban wollen den Urnengang torpedieren. Und auch der Wahlausgang könnte eine ernste Krise auslösen.

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Afghanistan Wahlen
Bild: Getty Images/P. Bronstein

Noch vor einem Monat hat kaum jemand damit gerechnet, dass die Präsidentschaftswahl in Afghanistan wie geplant stattfindet. Fast alle Beobachter gingen fest davon aus, dass die USA und die Taliban vorher eine Vereinbarung aushandeln. Die hätte den Weg für den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan geebnet und den Taliban eine Beteiligung an der Macht ermöglicht. Alle Interessengruppen, Parteien und Kandidaten erwarteten, dass eine solche Einigung den Wahltermin verschieben würde.

Es gab darum keinen ernsthaften Wahlkampf, viele Kandidaten warteten ab und konzentrierten sich auf einen inner-afghanischen Dialog, der nach Abschluss eines Abkommens hätte beginnen sollen.

Aber dann kam alles ganz anders. US-Präsident Donald Trump brach die Verhandlungen mit den Taliban Anfang September ab. Damit hat er alle Beteiligten überrascht. Auf einmal waren die Rahmenbedingen völlig andere und es gab keinen Grund mehr, den ursprünglichen Termin an diesem 28. September erneut zu verschieben.

Zusammengeschusterte Kampagnen

Afghanistan Wahlen
Im ganzen Land gibt es nur wenige Wahlplakate wie dieses hier von Präsidentschaftskandidat Abdullah AbdullahBild: Getty Images/P. Bronstein

Insgesamt achtzehn Kandidaten haben sich bei der Unabhängigen Wahlkommission Afghanistans (IEC) angemeldet. Viele davon haben keine reale Chance, sagen Experten. Einige zogen inzwischen die Kandidatur zurück. Nur zwei Kandidaten gelten als Favoriten: Amtsinhaber Präsident Ashraf Ghani und sein Regierungschef Abdullah Abdullah.

Die eilig konzipierten Wahlkampagnen begannen selbst bei den beiden aussichtsreichsten Kandidaten spät und liefen schleppend an. "In 14 der 34 afghanischen Provinzen fand überhaupt keine große Wahlkampfveranstaltung statt", sagt Yousuf Rasheed, unabhängiger Wahlbeobachter vom Free and Fair Election Forum of Afghanistan (FEFA).

Wahlkampf unter Beschuss

Auch die Taliban reagierten in aller Eile auf das Scheitern der Verhandlungen mit den USA. Die Führer der Taliban riefen ihre Kämpfer dazu auf "alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Abstimmung zu stören". Die Drohung an sich ist nichts Neues. Schon bei den vergangenen Wahlen hatte es ähnliche Drohungen von den Taliban gegeben. Viele Experten befürchten jedoch an diesem Samstag einen besonders blutigen Wahltag in Afghanistan. Die Taliban könnten versuchen, damit die Position der Regierung zu schwächen und die eigene in möglicherweise bald wieder stattfindenden Verhandlungen mit den USA zu stärken.  

Afghanische Polizisten halten an einem Kontrollpunkt in Kabul, Afghanistan, Wache.
Strenge Sicherheitsvorkehrungen: In Kabul halten Polizisten an einem Kontrollpunkt WacheBild: REUTERS/O. Sobhani

Vergangene Woche starben auf einer Wahlveranstaltung Ashraf Ghanis 26 Menschen in der zentralafghanischen Provinz Parwan. Die Taliban haben die Verantwortung für den Anschlag übernommen. Der Kandidat selbst blieb unversehrt.

Die Sicherheitskräfte in Afghanistan sind dagegen zuversichtlich, die Wähler vor möglichen Anschlägen schützen zu können: "Wir haben 72.000 Polizisten angewiesen, 4949 Wahllokale in ganz Afghanistan zu sichern", erklärt ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums gegenüber der DW.

Wie viele der 9,7 Millionen Wähler sich auf diese Aussagen verlassen, ist offen. Viele Afghanen berichteten der DW in Telefoninterviews, dass sie entschlossen seien, ihre Stimme abgeben zu wollen. Andere sagten, sie hielten das Risiko für zu hoch. "Ich gehe aus Sicherheitsgründen nicht wählen", erzählt etwa Nilofar Jabari aus Kabul. "Ich weiß auch an normalen Tagen nicht, ob ich lebend nach Hause komme, wenn ich meine Wohnung verlasse. Die Bedrohung bei den Wahlen wird viel größer sein."

Konflikt nach dem Wahlergebnis

Schon 2014 standen sich Ghani und Abdullah im Kampf um das Präsidentenamt gegenüber. Nach den Wahlen erklärten sich beide zum Sieger, was das Land an den Rand eines Bürgerkriegs trieb. Beide warfen dem Gegenkandidaten Wahlmanipulation vor. Schließlich legten die USA die Konfrontation bei, indem sie intervenierten und die Macht auf einen Präsidenten Ghani und einen Regierungschef Abdullah aufteilten.

Seitdem arbeiten die beiden in der Regierung mehr schlecht als recht zusammen, aber es ist auch klar, dass sie sich als Konkurrenten sehen. Beobachter befürchten, dass sich das Szenario des Jahres 2014 wiederholt, falls die Wahlkommission keinen eindeutigen Gewinner feststellen kann oder einer der Kandidaten das Wahlergebnis anficht. "Wir haben immer noch Bedenken hinsichtlich der Transparenz der Wahlen", warnt Wahlbeobachter Rasheed.

Er geht zudem von einer niedrigen Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent aus. "Sollten dennoch mehr als vier Millionen Mutige wählen gehen, dann wäre die Wahl zumindest aus dieser Sicht ein Erfolg." Um im ersten Wahlgang zu gewinnen, muss ein Kandidat mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten. Falls das keinem der Bewerber gelingt, kommt es zur Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen.