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Afghanistans ungehobene Schätze

Waslat Hasrat-Nazimi | Naomi Conrad6. Juli 2013

Afghanistan ist reich an Rohstoffen. Der deutsch-afghanische Rohstoffdialog soll Perspektiven aufzeigen, wie die Bodenschätze ausgebeutet werden können. Aber die Hindernisse für Investoren sind groß.

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Kohlearbeiter in einer afghanischen Mine
Bild: Paula Bronstein/Getty Images

Afghanistan soll schon bald nicht mehr mit Terror, sondern mit Rohstoffreichtum assoziiert werden. Das zumindest war die Hoffnung Afghanistans und Deutschlands auf dem ersten deutsch-afghanischen Rohstoffdialog, der am Freitag (05.07.2013) in Berlin stattfand.

Laut den afghanischen Behörden verfügt das Land am Hindukusch über Rohstoffvorkommen im Wert von 2,3 Billionen Euro; darunter auch wertvolle Ressourcen wie Seltene Erden, Lithium, Eisen, Wolfram, Kupfer, Blei, Zink und andere. Vor allem Lithium und Seltene Erden sind für den Industriestandort Deutschland relevant, beide werden beispielsweise in der Produktion von Magneten für Windräder verwendet.

Bei diesen Aussichten will Deutschland natürlich nicht fehlen: Um erste Grundlagen für eine Kooperation zu schaffen, wurden deshalb der afghanische Minister für Bergbau, Öl und Gas, Wahidullah Schahrani, sowie weitere afghanische Regierungsvertreter nach Berlin eingeladen. Afghanistan kann von den Rohstoffen profitieren, sagt Schahrani. Für ihn ist Deutschland eine der ersten Anlaufstellen, wenn es um wirtschaftliche Kooperation geht: "Wir haben unsere Zusammenarbeit mit Deutschland verstärkt, weil Deutschland einer der größten Mineralabnehmer ist. Es sind bereits einige Beratungsfirmen aus Deutschland in Afghanistan aktiv."

Nährboden für Korruption?

Derzeit ist die Wirtschaft Afghanistans stark von der Landwirtschaft abhängig. Das soll sich ändern. Schahrani glaubt, dass der Rohstoffsektor in zehn Jahren 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen könnte.

Der afghanische Rohstoffminister Wahidullah Schahrani gibt am 04.07.2013 in Berlin ein Interview (Foto: dpa - Bildfunk).
Der afghanische Bergbauminister Wahidullah Schahrani bei einem Interview in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Allerdings stehen dem einige Hindernisse entgegen. Eine der größten Schwierigkeiten ist die grassierende Korruption in Afghanistan. Um der Korruption keinen zusätzlichen Nährboden zu geben, sei es wichtig, den Umgestaltungsprozess zum Rohstoffexporteur sorgfältig vorzubereiten, so Zarghona Rassa von der "Afghanistan Extractive Industries Transparency Initiative" (EITI): "Afghanistan ist ein Konfliktgebiet. Die Sicherheitslage ist nicht ausreichend. Es gibt zehn Provinzen, die reich an Bodenschätzen sind, aber die Arbeit der Firmen dort entspricht nicht internationalen Standards." Deshalb arbeite die EITI mit der Regierung zusammen, um mehr Transparenz zu erreichen, sagt Rassa.

Auch Andreas Dittmann von der Justus-Liebig Universität Gießen ist nicht so optimistisch. Der Geograph sagt, die Rohstoffvorkommen Afghanistans seien schon seit Jahrzehnten bekannt und deshalb auch keine Sensation. Man dürfe die afghanischen Rohstoffe auch nicht überbewerten, denn die umliegenden Länder verfügten zum Teil über ebenso viele Bodenschätze. Für ihn habe das große Interesse an den Rohstoffen vor allem einen Grund: "Es geht in Afghanistan auch darum, zu zeigen, dass nach 2014 nicht die Lichter ausgehen. Es werden Kooperationen angeleiert. Unabhängig von ISAF-Präsenz wird es im Bereich Seltene Erden, Uran und Gold ohnehin eine Intensivierung des Abbaus geben."

Dittmann hält es angesichts der ungewissen Situation, in der sich Afghanistan angesichts des Truppenabzugs befindet, dennoch für richtig, auf Afghanistans Potenzial hinzuweisen. Allerdings hätte das auch vor Jahren schon geschehen können.

Fehlende Infrastruktur

Ein weiteres Problem beim Umbau des Landes zu einem Rohstoffexporteur ist neben der Korruption und der schlechten Sicherheitslage auch die fehlende Infrastruktur. Afghanistan besitzt weder einen Zugang zum Meer noch ein Eisenbahnsystem. Die Investoren müssen die Infrastruktur selbst aufbauen, weshalb Dittmann vor allzu großen Erwartungen warnt: "Es fehlt an Investitionen in Infrastruktur. Die Sicherheitslage ist schlecht. Man muss sowohl in Sicherheit als auch in Abbautechnik investieren und dann vor allen Dingen verlässlich, partnerschaftliche, nachhaltige Transitrechte zum Weltmarkt für afghanische Rohstoffe aushandeln." Insbesondere der Transit durch Pakistan sei problematisch, so der Geograph Dittmann. Das Nachbarland schließe immer wieder seine Grenzen und schneide damit Afghanistan vom Weltmarkt ab.

In dieser chinesischen Mine werden große Mengen an Erdreich bewegt, um and die begehrten Seltenen Erden heranzukommen
Im Geschäft mit Seltenen Erden ist China bis heute die unangefochteten Nummer EinsBild: picture-alliance/dpa

Rechtliche Rahmenbedingungen noch ungeklärt

Die internationale Gemeinschaft erachtet es für wichtig, die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen im Rohstoffsektor zu klären, an denen es bis heute mangelt. Hierzu soll ein neues afghanisches Rohstoffgesetz beitragen. Das Gesetz ist ein Zugeständnis, das Afghanistan bei der internationalen Tokio-Konferenz von 2012 machen musste, um auch nach 2014 Entwicklungsgelder zu erhalten.

Der erste Entwurf für ein solches Gesetz scheiterte. Seit Mai 2013 liegt der neue Gesetzesentwurf dem Parlament vor. Die Annahme steht noch aus. Minister Wahidullah Schahrani ist zuversichtlich, dass es noch vor der Sommerpause verabschiedet wird. Das neue Gesetz würde viele neue, positive Änderungen bringen, so Schahrani: "Das Bergbaugesetz ist sehr wichtig. Es beinhaltet alle Aspekte, die ein solches Gesetz verlangt, wie etwa Transparenz und die Einbeziehung der Kommunen in jedes Bergbauprojekt. Das neue Gesetz gibt den Investoren das richtige Maß an Vertrauen."

Sorgen der Afghanen

Der Minister wolle das Interesse bei Investoren offensichtlich verstärken, sagt Javed Noorani von der zivilgesellschaftlichen Organisation "Integrity Watch Afghanistan". "Die Angelegenheiten des Bergbaurechts waren sehr kontrovers. Das Kabinett brauchte vier Monate zur Diskussion, bevor der Gesetzesentwurf an das Parlament geschickt wurde." Denn viele Regierungsvertreter befürchteten eine Ausplünderung der afghanischen Rohstoffe und den Verlust der Souveränität über seine Ressourcen, so Noorani.

Am 18.06.2013 bleiben nach einem Bombenanschlag nur die ausgebrannten Überreste eines Autos zurück (Foto: REUTERS/Mohammad Ismail)
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt angespanntBild: Reuters

Tritt das neue Gesetz offiziell in Kraft, werden einige Investoren Milliarden-Verträge mit Afghanistan unterzeichnen. Bereits jetzt stehen Interessenten aus Indien, den Vereinigte Arabischen Emiraten, den USA, Kanada, Großbritannien, Polen und der Türkei Schlange. Deutschland will da nicht zurückstehen. Mit dem ersten deutsch-afghanischen Rohstoffdialog ist dazu der erste Schritt gegangen worden. Eine von Deutschland ausgerichtete internationale Konferenz soll bald folgen.