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PolitikAfrika

Africa Roundtable: Europa in der Pflicht

Martina Schwikowski
9. Juni 2021

Afrika und Europa kommen nur gemeinsam aus der Krise: Darüber sind sich Experten beim "Africa Roundtable" einig. Doch über den besten Weg zu einer grünen Wirtschaftspolitik auf Augenhöhe wird bisweilen gestritten.

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The Africa Roundtable
Gäste des ersten "Africa Roundtable" in Berlin waren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und GesellschaftBild: Danilo Höpfner/GPI

Einen "frischen Blick" auf die europäisch-afrikanischen Beziehungen zu werfen: Dafür plädierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Es gelte, die Aufbruchstimmung auf dem Kontinent zu nutzen und die Zukunft gemeinsam zu gestalten, betonte das deutsche Staatsoberhaupt in seiner Ansprache zur Eröffnung des ersten "Africa Roundtable" in Berlin.

Pandemie stellt Partnerschaft auf harte Probe

Die Pandemie habe die Partnerregionen auf eine harte Probe gestellt, ihre Verletzbarkeit, aber auch ihre Verbundenheit vor Augen geführt, sagte Steinmeier zu den Teilnehmern der virtuellen Gesprächsrunde, darunter Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Zentrum der Debatte standen Lösungsansätze für einen soliden Wiederaufbau der afrikanischen Wirtschaft nach der Pandemie und für eine Ausweitung der Produktionskapazitäten in Afrika.

The Africa Roundtable
DW-Moderatorin Christine Mhundwa und Botschafter Wolfgang Ischinger führten durch die VeranstaltungBild: Danilo Höpfner/GPI

"Die Pandemie trifft uns alle. Aber sie trifft uns nicht alle gleich", sagte der Bundespräsident. "Die älteren Gesellschaften Europas haben mehr Tote zu beklagen als die jüngeren Gesellschaften in Afrika. Aber die ökonomischen und sozialen Folgen der Pandemie drohen in Afrika ungleich größeren Schaden anzurichten." Viele Fortschritte im Kampf gegen Hunger und Armut, für bessere Gesundheit und Bildung stünden auf dem Spiel. "Das darf uns in Europa nicht gleichgültig sein."

Impfgerechtigkeit als Schlüssel

Die Frage nach der Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus erhoben gleich mehrere Teilnehmer zum entscheidenden Punkt. Senegals Präsident Macky Sall betonte einmal mehr die Dringlichkeit: "Solange nicht die ganze Welt geimpft ist, kann sich niemand sicher fühlen." Damit benannte er eine Ungleichheit zwischen den Weltregionen, die zuletzt immer wieder scharf kritisiert wurde und die trotz jüngster Zusagen für die COVAX-Initiative zur Impfgerechtigkeit weiter besteht. Auch Bundespräsident Steinmeier wurde hier deutlich: "Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Staaten, die nicht über die Mittel verfügen, sich den Herstellern von Impfstoffen als Vorzugskunden anzudienen", sagte er - und verwies zugleich darauf, dass Impfstoffe gegen Covid-19 bisher in keinem afrikanischen Land produziert würden.

Eco Africa - Äthiopien Wasserknappheit
Afrika leidet besonders unter den Folgen des KlimawandelsBild: DW

Damit die eigene Produktion - nicht nur im Gesundheitssektor - vorankommt, fordert Präsident Sall flexiblere Rahmenbedingungen für Wirtschaftsabläufe, eine Schuldenobergrenze - und nicht zuletzt einen einfacheren Zugang zu Krediten. "Wir brauchen eine gerechtere Bewertung des Investitionsrisikos in Afrika. Das Risiko ist zumeist übertrieben abgebildet", sagte Sall. Es müsse eine neue Geisteshaltung geschaffen werden, um die Finanzpolitik zu reformieren und sie dann nach der Pandemie hochzufahren. Der Aufruf zu einem Schuldenmoratorium sei eine wichtige Initiative, gerade in diesen Zeiten. Afrika stehe erstmals seit 25 Jahren vor einer Rezession.

Verantwortung Europas und der Internationalen Gemeinschaft

Europa trage eine besondere Verantwortung für eine gemeinsame Bewältigung der aktuellen Krisen, unterstrichen die Teilnehmer des Africa Roundtable als ein Fazit der Diskussion. Der bekannte sudanesische Philanthrop Mo Ibrahim unterstrich die Notwendigkeit einer Partnerschaft auf Augenhöhe, um den Wirtschaftsstandort Afrika voranzubringen: "Es kostet Sie doch kein Geld, wenn Afrikaner hier günstig leihen." Die Voraussetzungen hierfür sah er indes noch nicht gegeben: "Der Zinssatz hat sich verdreifacht, wie soll das sonst gehen?" 

Hilfe bei dem nötigen Umbau könnte die Welthandelsorganisation (WTO) leisten, angetrieben von ihrer neuen Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala: Es könne bei der WTO kein "Weiter so wie bisher" geben, sagte die Nigerianerin vor ihrem Amtsantritt im Februar 2021 und erklärte den bestehenden Handelsbarrieren etwa für medizinische Impf- und Wirkstoffe und deren Bestandteile den Kampf. Ein Standpunkt, den sie beim Roundtable unterstrich: Die Krise halte noch an, Impfstoffe müssten geliefert werden, deren Produktion in Afrika sei machbar.

WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala (Archivbild)
WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala: "So wie bisher geht es nicht weiter"Bild: Denis Balibouse/KEYSTONE/picture alliance

Okonjo-Iweala pädierte zudem für neue Handelsabkommen, die jetzt auf den Weg gebracht werden müssten. "Wir können den Produkten einen Wert geben, die Standards und Lieferketten verbessern." Auch das werde helfen, den informellen Sektor zu formalisieren, sagte die WTO-Chefin. Eine neue Gestaltung des Fertigungsmarktes auf dem Kontinent, aktive Rollen der Regierungen und Beschleunigung der digitalen Reform Afrikas, all das könne auch eine grüne Wirtschaft fördern.

Sauberer Zugang zu Afrikas Energie

Doch wie kann eine grüne Wirtschaft gemeinsam gestaltet werden? Darüber gingen die Meinungen bisweilen deutlich auseinander. Armin Laschet, CDU-Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat, betonte die Bedeutung einer Strukturreform für den afrikanischen Markt. Die EU hätte die Aufgabe, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Mit klaren Perspektiven für den gemeinsamen Handel: "Die EU will künftig grünen Wasserstoff importieren aus den sonnigen Regionen der Welt, aus Anlagen, die dort noch gebaut werden müssen." Damit spielte Laschet auf Großprojekte wie den geplanten Ausbau des kongolesischen Inga-Staudamms an - ein Vorhaben, das unter Energie-Experten höchst umstritten ist.

Symbolbild Peru: Entdeckung einer großen Lithium-Lagerstätte
Afrika könnte nicht nur das Mangan, sondern auch die Speichermedien für Erneuerbare Energien liefernBild: picture-alliance/C. Hardt

Ska Keller, Fraktionsvorsitzende der Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament, plädierte hingegen dafür, die alten Muster durch dezentrale Energiegewinnung abzulösen: Afrikas grüne Energie müsse dem Kontinent selbst zugutekommen. Afrika sei neben den kleinen Inselstaaten am meisten vom Klimawandel betroffen. Europa müsse seinen Beitrag zur Energiewende leisten, indem es seinen Eigenbedarf an grüner Energie selbst produziere. "Wir müssen schnell und entschieden handeln", sagte die Grünen-Politikerin. Und der Agrarökonom und Politiker Kandeh Yumkella aus Sierra Leone machte deutlich, wie sehr im Umkehrschluss auch Europa von Afrika profitieren kann: "Ohne eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung keine Industrialisierung und keine Arbeitsplätze in Afrika. Das bedeutet eine weitere Migration junger Menschen nach Europa." Seine Vision: Afrika könnte sein Kobalt, sein Mangan und seine seltenen Erden, wertvolle Bestandteile grüner Technologien, selbst verarbeiten - und damit zu einer treibenden Kraft in der Energiewende werden.