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Afrika: Krankenversicherung für alle?

Martina Schwikowski
14. Dezember 2021

Schluss mit maroden Gesundheitssystemen in Afrika! Das soll eine Konferenz unter AU-Führung erreichen. Mittel der Wahl sind Krankenversicherungen. In einigen Ländern gibt es die schon. Doch nicht alles läuft rund.

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TB-Patient in Simbabwe erhält Medikamente (Foto: Jekesai NJIKIZANA / AFP)
Lebensnotwendige Behandlungen und Medikamente können Menschen in die Armut stürzenBild: Jekesai NJIKIZANA/AFP

Die Ziele sind gesteckt: Bei der ersten internationalen Konferenz zum öffentlichen Gesundheitswesen in Afrika, die virtuell stattfindet, soll es ab Mittwoch darum gehen, "Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung" zu bekämpfen sowie "Fortschritte bei der Notfallhilfe, der Resilienz der Gesundheitssysteme und im Bereich wissenschaftlicher Innovationen" zu erzielen, so heißt es in der Ankündigung der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union (Africa CDC).

Schon Anfang 2019 benannten die Staats- und Regierungschefs der AU-Länder klar das Problem der mangelnden Gesundheitsfinanzierung. Der AU-Kommissionsvorsitzende Moussa Faki Mahamat sprach von "ambitionierten Zielen" für 2030: "Epidemien beenden und eine flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle erreichen." Fast drei Jahre später sind die Lücken immer noch groß. 

Familie in einem Hof in Nordghana
Für die ländliche Bevölkerung ist der Zugang zu Gesundheitsversorgung oft eine HerausforderungBild: Maxwell Suuk/DW

Eine wichtige Rolle spielen hier öffentliche Krankenversicherungen, wie sie zurzeit etwa in Togo und Benin diskutiert werden. In einigen anderen Ländern wiederum gibt es schon erste Erfahrungen mit öffentlichen Krankenkassen - zum Beispiel im westafrikanischen Ghana.

Krankenkasse deckt nicht alles ab

Dort ist 2003 eine Krankenversicherung eingeführt worden: Alle Bürgerinnen und Bürger können sich mit einer Erstzahlung registrieren, danach sind geringe jährliche Beiträge fällig: Erwachsene zahlen zurzeit rund 30 ghanaische Cedi (4,35 Euro), Kinder 6 Cedi. Mittels einer Gesundheitskarte können sie Leistungen in jeder Einrichtung in Anspruch nehmen, die am Programm der Regierung teilnimmt.

Doch nicht immer deckt die Versicherung auch alle Kosten ab: So beklagt sich Betty Yawson aus der Hauptstadt Accra im DW-Gespräch über hohe Summen, die sie für die Behandlung ihrer kleinen Tochter habe zahlen müssen - trotz ihrer Versicherungskarte, die sie vorgelegt hatte. "Ich habe 400 ghanaische Cedi (rund 58 Euro) bezahlt, aber es war nur eine kleine Wunde, die genäht werden musste", sagt Yawson der DW. "Wir werden doch für die Versicherung besteuert! Ich finde, der Service muss besser sein." Auch würden nur günstige Medikamente abgedeckt.

Coronavirus Südafrika | Klinik mit Covid-19 Station
Die Corona-Pandemie hat die medizinische Grundversorgung weiter erschwertBild: RODGER BOSCH/AFP

Rückschritte durch Corona

Im ostafrikanischen Kenia habe die Regierung verschiedene Modelle ausprobiert, bis Präsident Uhuru Kenyatta schließlich 2017 die allgemeine Gesundheitsversorgung zur politischen Priorität gemacht habe, sagt Patricia Odero, Regionaldirektorin des US-amerikanischen "Duke Global Health Institute" in Nairobi.

Der Schwerpunkt liege jetzt auf dem Ausbau der Versorgung: "Unser nationaler Versicherungsfonds und die privaten Krankenversicherungen decken einen kleinen Teil der Bevölkerung ab, das sind vor allem Erwerbstätige und freiwillige Mitglieder des Fonds oder Menschen, die sich für eine private Krankenversicherung entschieden haben", sagt Odero im DW-Interview.

Kenia Anstieg der Teeny Schwangerschaften durch Corona Lockdown
Kenia will die primäre Gesundheitsversorgung besser ausbauenBild: Monicah Mwangi/Reuters

Für die Mehrheit der kenianischen Bevölkerung  jedoch nicht, sie müsse nach wie vor selbst für ärztliche Behandlung und Medikamente aufkommen: "Viele Menschen nehmen zwar eine Behandlung in Anspruch, können aber nicht dafür zahlen", sagt Odero. Sie hätten keine formelle Beschäftigung und ihr Einkommen sei daher unregelmäßig. "Das macht es schwierig, Produkte zu entwickeln, die ihren Bedürfnissen entsprechen." Außerdem habe sich die Corona-Pandemie stark auf die Wirtschaft ausgewirkt, weshalb das Krankenversicherungs-Projekt nicht mehr die gleichen Priorität genösse.

Ruanda - Vorreiter in Sachen Versicherung

Zu den Vorzeigebeispielen in der Region gehört Ruanda. Hier ist das 1999 ins Leben gerufene System einer gemeinschaftsbasierten Krankenversicherung (auch "Mutuelle de Santé") inzwischen eine feste Größe: 88 Prozent der Bevölkerung werden so erreicht.

Ein großer Fortschritt, findet Jean-Olivier Schmidt - er ist Gesundheitsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Seit rund 20 Jahren unternehme die ruandische Regierung - mit deutscher Unterstützung - gewaltige Anstrengungen, um eine Krankenversicherung für alle aufzubauen.

"Bis vor einigen Jahren mussten Menschen in Ruanda für Arztbesuche aus eigener Tasche bezahlen. Um sich teure Eingriffe, etwa einen Kaiserschnitt bei einer Notentbindung leisten zu können, mussten die Menschen auf dem Land, zum Beispiel Bauernfamilien, Vieh verkaufen. Denn eine Krankenversicherung, wie wir sie in Deutschland seit 130 Jahren kennen, gab es dort nicht", sagt er im DW-Interview.

Beiträge gestaffelt nach Vermögen

Beim ruandischen Modell ist es die Gemeinde selbst, die die Versicherungsbeiträge verwaltet. Nach einem Arztbesuch stellen die Gesundheitsstationen die Kosten direkt dort in Rechnung, Patienten müssen also keinen Vorschuss leisten. Die Beiträge für die Krankenversicherungen werden von allen Bürgern getragen, gestaffelt nach Vermögen.

Ruanda, Kigali | Symbolbild Alltagsleben, Vater mit Kind
Ruanda ist Vorreiter in Sachen Krankenversicherung - 88 Prozent der Menschen sind abgedecktBild: Bildagentur-online/Hermes Images - AGF/picture alliance

Angestoßen wurde das Projekt mithilfe von Geldern aus dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Das Konzept ging auf: Schmidt beschreibt, dass die Menschen durch die Gesundheitsleistungen wesentlich seltener verarmten. Schritt für Schritt konnte dann die Regierung die Finanzierung aus dem Staatshaushalt übernehmen.

Ein Projekt macht Schule

Das sozial abgefederte und lokal verankerte Modell könnte jetzt als Vorbild weiterer Krankenversicherungen dienen. So in Uganda, wo das Parlament im März 2021 das Krankenversicherungsgesetz als ersten Schritt zu einer umfassenden Krankenversicherung auf den Weg gebracht hat. Im westafrikanischen Benin steht eine Entscheidung noch aus.

In Togo ist gerade eine neue Krankenversicherung gestartet: Mitarbeiter großer Unternehmen können bereits über ihre Arbeitgeber Beiträge zahlen, in den kommenden Monaten soll die Versicherung für alle ausgebaut werden. Für die ärmste Bevölkerung soll auch hier der Staat einspringen. Allein mit der Versicherung ist es indes nicht getan: In einem nächsten Schritt sieht das kleine Land vor, 300 Gesundheitszentren zu sanieren und 200 weitere neu zu bauen.

Mitarbeit: Isaac Kaledzi