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Afrika will Truppe gegen Boko Haram

Julia Hahn/ Hilke Fischer21. Januar 2015

Mehrere afrikanische Staaten wollen Boko Haram gemeinsam den Kampf ansagen. Im Niger berieten sie über eine Anti-Terror-Armee. Wenn die nicht zustande kommt, könnte das vor allem an einem Land liegen: Nigeria.

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Tschadische Soldaten der AU-Mission in der Zentralafrikanischen Republik
Tschadische Soldaten der AU-Mission in der Zentralafrikanischen RepublikBild: Reuters

Jetzt schlägt auch der UN-Sicherheitsrat Alarm: Die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram sei eine Gefahr für ganz West- und Zentralafrika, erklärte das Gremium in New York. Womöglich seien "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen worden. Es ist das erste Mal, dass sich der Sicherheitsrat in einer solchen Erklärung zu Boko Haram äußert. Alle 15 Mitglieder haben unterschrieben - auch Nigeria, im Moment nichtständiges Mitglied. Bislang hatte sich das Land geweigert, das Thema so prominent zu diskutieren.

Mit der Resolution wächst auch der Druck auf die Staaten in der Region, im Kampf gegen die Islamisten künftig stärker an einem Strang zu ziehen. In Nigers Hauptstadt Niamey berieten am Dienstag (20.01.2015) die Außen- und Verteidigungsminister aus Benin, Kamerun, Äquatorialguinea, Niger und Tschad über eine gemeinsame Strategie. "Wir müssen unbedingt eine multinationale Einsatztruppe auf die Beine stellen", forderte Nigers Außenminister Mohamed Bazoum. Diese Truppe müsse mit ausreichend Soldaten und schlagkräftigen Waffen ausgestattet sein. Bereits im vergangenen Herbst hatten sich die Staaten geeinigt, eine fast 3000 Mann starke Truppe auf die Beine zu stellen. Passiert ist bislang nichts.

Im Alleingang schickte der Tschad am Wochenende einen Konvoi aus 400 Militärfahrzeugen und Hubschraubern nach Kamerun, um das Militär dort zu unterstützen. Denn auch in Nordkamerun sind die Islamisten aus Nigeria inzwischen auf dem Vormarsch. In der Grenzregion beider Länder hatte Boko Haram am Sonntag 80 Menschen entführt, mehr als 50 sind noch immer in der Gewalt der Miliz. Hunderte Zivilisten sollen jetzt aus Dörfern südlich von Baga geflohen sein. In der nordnigerianischen Stadt hatte Boko Haram Anfang des Monats ein Massaker verübt. Vage Schätzungen gehen von bis zu 2000 Toten aus. Jetzt wächst die Sorge, dass die Extremisten immer weiter nach Süden vordringen.

Krisenhilfe aus Europa?

Ghanas Präsident Mahama mit Angela Merkel in Berlin (Foto: Reuters)
Ghanas Präsident Mahama mit Angela Merkel in BerlinBild: Reuters/H. Hanschke

Bei den Gesprächen in Niamey saßen auch Vertreter der EU und aus Deutschland mit am Tisch. Vielleicht auch deshalb nutzte Ghanas Präsident John Dramani Mahama die Gelegenheit und warb bei seinem Deutschland-Besuch um Unterstützung aus Europa. Ghana hat zurzeit den Vorsitz in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS - und ist damit eine wichtige Stimme in der Region. "Wir brauchen logistische Hilfe, Equipment und Gelder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Nordnigeria bald europäische Soldaten marschieren. Ich denke die Länder in der Region können genügend Truppen mobilisieren, um mit dem Problem fertig zu werden", sagte Mahama in einem Exklusiv-Interview mit der DW. Als Beispiel für europäisches Engagement in Afrika nannte Mahama das westafrikanische Mali. "Frankreich hat Truppen gestellt und Ghanas Kontingente für die Mission wurden von deutschen Transportflugzeugen befördert", so der Präsident.

Ein Einsatz wie in Mali bald in Nigeria? Damien Helly erscheint das zurzeit wenig realistisch. Er arbeitet für den europäischen Think Tank ECPDM (European Centre for Development Policy Management) in Maastricht. "Ich erwarte eher, dass Europa einen softeren Ansatz wählt, also zum Beispiel humanitäre Hilfe leistet". Auch Unterstützung in Form von militärischem Equipment sei denkbar. Deutschland zum Beispiel lieferte vor drei Monaten 120 Militärfahrzeuge nach Kamerun. Sie sollen dort im Kampf gegen Boko Haram eingesetzt werden.

Französische Soldaten in Mali (Foto: Reuters)
Französische Soldaten in MaliBild: Reuters

Nigeria will keine Intervention

Ihre Hochburg haben die Islamisten jedoch im Norden Nigerias. Doch Nigeria als bedeutende Regionalmacht tue sich generell schwer, militärische Hilfe von außen zu akzeptieren, sagt Heinrich Bergstresser, ehemaliger Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Nigeria. "Das Eingeständnis, dass man mit Boko Haram selbst nicht klarkommt und ausgerechnet die Anrainerstaaten besser motiviert und gewappnet sind, kann man von einer nigerianischen Führung nicht erwarten." Trotz aller Schwäche werde in Nigeria immer noch eine "Arroganz der Macht" gelebt.

Genau das erschwere auch die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, sagt Analyst Damien Helly. "Es ist extrem schwierig, mit einer Regierung über Lösungen zu verhandeln, wenn die Truppen dieser Regierung Teil des Problems sind." Helly bezieht sich auf Vorwürfe, dass Nigerias Armee zur Gewalteskalation beiträgt. Wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtet, ist das Militär verantwortlich für schwere Menschrechtsverbrechen in Nordnigeria. Soldaten hätten 2014 mutmaßliche Mitglieder von Boko Haram hingerichtet. Die Selbstjustiz schüre den Konflikt noch zusätzlich.

Nigeria-Experte Bergstresser sieht auch in der Korruption in Nigeria einen wichtigen Grund dafür, dass das Land so wenig gegen Boko Haram ausrichten kann. "Man darf sich nicht über den Zustand der Armee wundern, wenn große Teile des Militär- und Sicherheitsbudgets abgezweigt werden und in den Privatschatullen der Generäle und hohen Offiziere und Politiker landen."

Einsatztruppe der AU?

Im Raum steht auch die große Frage, unter welcher Federführung eine multinationale Eingreiftruppe agieren könnte. Ghanas Präsident Mahama etwa hofft auf ein Mandat der Afrikanischen Union (AU). Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt diese Forderungen. Mit der EU sollten dafür finanzielle Hilfen über die Afrikanische Union ausgelotet werden, sagte Merkel nach dem Treffen mit Mahama. Heinrich Bergstresser hingegen meint: "Die AU ist der schlechteste Partner in dieser Angelegenheit." Die Organisation habe sich in Sachen Krisenbewältigung bislang nicht sonderlich hervorgetan. "Wenn überhaupt, dann können solche Ansätze nur auf regionaler Ebene laufen." Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) sei der richtige Adressat, so Bergstresser. Aber auch dort ist Nigeria die größte Regionalmacht.

Dass die Lösung der Krise für das Land offenbar nicht höchste Priorität hat, zeigte sich auf dem Gipfeltreffen in Niamey: Bis auf den Botschafter im Niger nahm kein einziger Vertreter der nigerianischen Regierung an den Gesprächen teil, der Militärchef verabschiedete sich sofort nach dem Fototermin.