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Ein neues Semester Corona

Daniel Pelz
5. Dezember 2020

Zum Studium nach Deutschland – für viele junge Afrikaner ein Traum. Bis Corona kam. Die Krise drängt manche an den Rand ihrer Existenz. Daniel Pelz hat einige von ihnen getroffen.

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Theodore Asimeng im Afrika Center Berlin
Theodore Asimeng berät afrikanische Studenten im Berliner Afrika CenterBild: Daniel Pelz/DW

Die Katastrophe kam im Frühjahr: Plötzlich war in John Okolis Leben nichts mehr so, wie es war. "Corona hat für uns Studenten alles kaputt gemacht", sagt der 30-Jährige zur DW. Seit 2019 studiert er Globale Studien an der Humboldt-Universität in Berlin. Doch seit Monaten sitzt der Nigerianer nicht mehr im Hörsaal, sondern allein in seinem Wohnheim-Zimmer. "Meine Kommilitonen sehe ich nur noch bei Zoom", sagt er. 

Während das Studium wenigstens online weitergeht, ist mit seinem Nebenjob dagegen Schluss. Das Hotel, in dem Okoli arbeitete, musste wegen der Corona-Maßnahmen schließen. Miete, Krankenversicherung und Lebensmittel muss er aber trotzdem irgendwie bezahlen. Auf Hilfe seiner Eltern kann er nicht hoffen – im Gegensatz zu vielen deutschen Kommilitonen. "Meine Familie zuhause erwartet Unterstützung von mir, weil die Corona-Pandemie auch Afrika hart getroffen hat und sie Hilfe brauchten. Der Druck wurde irgendwann zu viel", sagt er.

Kein Job, keine Freunde – nur Zoom 

Noch immer fällt ein Schatten auf sein Gesicht, wenn er von der Zeit im Frühjahr erzählt. "Ich habe ich nur noch einmal täglich gegessen, damit ich am nächsten Tag noch was hatte. Auf mein Studium konnte ich mich kaum noch konzentrieren, ich habe mich nur noch gefragt, wie ich das alles schaffen soll", sagt Okoli mit leiser Stimme.

Physikvorlesung an der Universität Halle, die online abgehalten wird
Wegen der Corona-Krise finden viele Vorlesungen nur online stattBild: Waltraud Grubitzsch/dpa/picture alliance

Theodore Asimeng vom Afrika Center in Berlin kennt viele solcher Schicksale. Auch John Okoli bekam in dem katholischen Begegnungszentrum Unterstützung. Das Team bietet Seelsorgegespräche, Beratung bei finanziellen Sorgen und während der Pandemie auch Nothilfe an. 

Hilfen, die dringend benötigt werden. Knapp 39.000 Afrikaner sind an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Sie alle trifft die Pandemie hart: "Man kann sich nicht mehr mit Freunden treffen, man hat finanzielle Sorgen, kann seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und das Studium ist auch beeinträchtigt – man weiß nicht mehr, wann man fertig wird oder wann man einen Job findet", sagt Asimeng zur DW. 

Durch Corona zum Schuldenberg? 

Probleme, die er aus eigener Erfahrung kennt: Neben seiner Arbeit im Afrika-Center promoviert er an der Technischen Universität Berlin. Sein Stipendium ist jedoch ausgelaufen. "Ich lebe von meinem Ersparten und hoffe einfach nur, dass ich mein Studium so bald wie möglich abschließen kann" sagt Asimeng mit traurigem Lächeln. Auch das ist schwieriger geworden: Als Teil seiner Promotionsarbeit muss er mehrere wissenschaftliche Texte in Fachzeitschriften veröffentlichen. Externe Gutachten müssen die Artikel vorher prüfen. Doch wegen Corona zieht sich der Prozess schon ewig. 

John Okoli, Master-Student an der Humboldt-Universität Berlin
Die Corona-Krise stellte John Okolis Leben auf den KopfBild: Daniel Pelz/DW

Studierende mit finanziellen Problemen können bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zinslose Kredite beantragen. Bis Ende September gingen über 2500 Anträge von afrikanischen Studierenden ein. Mitte Oktober hatte die KfW fast 1600 bewilligt. Auch von den Studierendenwerken gibt es Nothilfen. 

"Wir haben die Informationen darüber weitergeben. Viele afrikanische Studierende haben mir erzählt, dass sie einen Antrag gestellt haben und dann Bescheid bekamen, dass er wegen der hohen Zahl an Anträgen noch nicht bearbeitet werden konnte", sagt Asimeng. Wer einen Kredit bekommt, muss ihn nach 18-monatiger Karenzzeit zurückzahlen. 

Was ohne gutes Gehalt aber schwierig werden kann. Doch Jobs liegen in Pandemiezeiten nicht auf der Straße. Nana Yaw Kuffour erlebt es gerade. Der Ghanaer studiert im MBA-Programm der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Technik. "Corona hat meine Leidenszeit verlängert", sagt er im DW-Interview. Seinen Studentenjob hatte er schon vor Pandemie-Beginn durch einen schweren Unfall verloren. Dann schlug die Krise zu: Die Firma konnte ihn wegen fehlender Aufträge nicht mehr beschäftigen, als er wieder gesund war.

Leere Universitätsbibliothek (Archivbild)
Auch im Wintersemester müssen viele Studierende zuhause bleibenBild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

"Ich konnte meine Miete und meine Versicherung nicht mehr bezahlen, keine Lebensmittel mehr kaufen", erzählt der 32-Jährige. "Ohne Hilfe von Familie und Freunden und eine Hilfe vom Studentenwerk hätte ich mein Studium abbrechen und nach Ghana zurückkehren müssen." 

Schlechter Arbeitsmarkt

Nun plant er, im Januar seine Masterarbeit abzugeben. Gerne würde er danach in Deutschland arbeiten. Vor der Krise hätte er seine Chancen auf einen Job auf 50 Prozent geschätzt, sagt Kuffour. Daran glaubt er jetzt nicht mehr. "Auch Deutsche und Menschen, die hier lange leben und die Sprache fließend sprechen, haben ihren Job verloren. Mit ihnen konkurrieren wir jetzt auf dem Arbeitsmarkt", sagt er. 

Kuffour hofft, dass 2021 ein besseres Jahr wird. Mit einem Corona-Impfstoff, einem Ende der Pandemie – und einem Job für ihn in Deutschland. Dann würde sich auch seine Stimmung bessern: "Ich bin fassungslos, wenn Menschen im Internet behaupten, dass es Corona gar nicht gebe. Mein Onkel in Ghana ist an Corona gestorben und ich konnte ihm nicht mal die letzte Ehre erweisen. Corona betrifft mein ganzes Leben: Finanziell, sozial, emotional und meine Bildung."