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Zukunftskapital Bildung

10. März 2010

Die Weltbank finanziert Masterstudien für afghanische Wirtschaftswissenschaftsdozenten. Als Multiplikatoren sollen sie die Studenten dieses Fachs an internationale Standards heran führen.

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Schriftzug der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Kabul (Foto: Ruhr-Universität Bochum)
Die Wirtschaftsfakultät der Uni Kabul pflegt enge Kontakte zu Uni BochumBild: Ruhr-Universität Bochum

Für Mohammed Naser Moain ist Bildung einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für die Zukunft seines Heimatlandes Afghanistan. Sich selbst sieht der 42jährige Dozent an der Universität Herat dabei in der Rolle eines Multiplikators, nachdem er an der Ruhr-Universität Bochum den Masterabschluss in „Management and Economics“ erworben hat. Denn seine Landsleute, sagt Moain, hätten erkannt, dass sich die Lage in Afghanistan nicht ohne Wirtschaftswissenschaften verbessern lasse.

Moain ist einer von 17 afghanischen Absolventen dieses englischsprachigen Masterprogramms in Bochum, das speziell auf die Qualifizierung von Wirtschaftswissenschafts-Dozenten nach internationalen Standards zugeschnitten wurde. Finanziert wird dieses Programm von der Weltbank, um einen möglichst effektiven Beitrag zur Verbesserung der Bildungsstrukturen in Afghanistan zu leisten. Und in Bochum haben sie reichlich Stoff zu büffeln, wie Professor Wilhelm Löwenstein bestätigt. Dazu gehört Betriebswirtschaftslehre von der Buchführung bis zu Marketing sowie Finanzierungs- und Kreditwirtschaft. Außerdem stehen aus dem Bereich Volkswirtschaftslehre Mikro- und Makroökonomie, öffentliche und internationale Wirtschaft plus Wirtschaftspolitik auf dem Lehrplan.

"Multiplikatoren dringend gesucht"

Präsident Karsai trägt sich in das Goldene Buch der Uni Bochum ein (Foto: Ruhr-Universität Bochum)
Präsident Karsai trägt sich in das Goldene Buch der Uni Bochum einBild: Ruhr-Universität Bochum

Das Ziel dieses Beitrags zum akademischen Wiederaufbau ist es, mit Dozenten wie Mohammed Naser Moain Wissens-Multiplikatoren nach Afghanistan zurück zu schicken, die an den Universitäten dringend benötigt werden. In Herat beispielsweise gibt es über 700 Studenten der Wirtschaftswissenschaften. Qualifizierte Dozenten werden aber nicht nur in Herat gebraucht, denn die Zahl der Studenten schnellt rasant in die Höhe. Etwa 60.000 sind es zur Zeit. Und Dr. Sami Noor, der am Bochumer Institut für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik die Programme für seine Landsleute koordiniert, geht davon aus, dass es an den elf Universitäten im Land in einem Jahr doppelt so viele sein werden.

"Traditionelle Elite: Wirtschaftswissenschaftler"

eine Delegation der Uni Bochum besucht Uni Kabul (Foto: Ruhr-Universität Bochum)
Langjährige Kontakte - eine Delegation der Uni Bochum besucht Uni KabulBild: Ruhr-Universität Bochum

Dass dieses Masterprogramm an der Bochumer Universität stattfindet, das resultiert auch aus einer Kooperation mit der Universität Kabul, die schon vor etwa 40 Jahren geschlossen wurde. Selbst während der russischen Besatzung und der Zeit des Taliban-Regimes rissen die Kontakte nicht ab. Deshalb fühlt man sich in Bochum verpflichtet, den Partnern beim Wiederaufbau weiter zur Seite zu stehen. Gerade in Afghanistan, betont Professor Wilhelm Löwenstein, kommt Wirtschaftswissenschaften nämlich traditionell ein hoher Stellenwert zu. Afghanistan rekrutiere seine Verwaltungs- und Funktionseliten vorwiegend aus den Wirtschaftswissenschaften. Und darum sei es wichtig, Multiplikatoren weiter zu bilden, die dann möglichst viele Studenten vernünftig ausbilden können. Von dieser großen Gruppe werde letztlich das ganze Land profitieren.

Das bestätigt auch Dr. Sami Noor. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart gehörten immer mindestens sechs Personen dem afghanischen Kabinett an, die Wirtschaftswissenschaften studiert haben. Darum blickt er mit Zuversicht in die Zukunft. "Das heißt: unsere Leute, wenn die jetzt zurückkehren, die werden wirklich auch wichtige Positionen bekommen."

"Blick über den nationalen Tellerrand gewünscht"

Afghanische Kandidaten für das Masterprogramm in Buchum (Foto: Ruhr-Universität Bochum)
Reges Interesse - afghanische Kandidaten für das Masterprogramm in BuchumBild: Ruhr-Universität Bochum

Bei den Masterprogrammen in Bochum geht es für die Teilnehmer vor allem darum, den Blick über den nationalen Tellerrand hinaus zu richten. Nur Wirtschaftsfragen des eigenen Landes in den Focus zu stellen, damit wäre den Fakultäten in Afghanistan nicht geholfen. Regionale Aspekte spielen laut Professor Wilhelm Löwenstein in der Lehre darum überhaupt keine Rolle. Als man 2002 die Gespräche über das Curriculum aufgenommen habe, habe gerade die afghanische Seite größten Wert darauf gelegt, regionale Fragen außen vor zu lassen. Und der Gedanke, räumt Professor Löwenstein inzwischen ein, war gar nicht falsch, um die internationale Anschlussfähigkeit der Afghanen nicht zu gefährden.

Im Prinzip jedoch, fügt der Bochumer Hochschullehrer an, geht es um mehr als nur akademische Qualifizierung. "Sicherlich ist ein indirekter Beitrag auch zu einer stärkeren Demokratisierung. Das ist gar keine Frage. Denn die Leute, die hierher zu uns kommen, die sehen einfach, wie Dinge hier bei uns funktionieren. Das ist an einigen Stellen vielleicht wichtiger als die Lehre, die wir ihnen anbieten."

"Fortbildung zahlt sich in Dollar aus"

Teilnehmer des Masterkurses in Bochum (Foto: Ruhr-Universität Bochum)
Die Auserwählten können sich auf einen Karrieresprung in der Heimat freuenBild: Ruhr-Universität Bochum

Mit der bestandenen Masterprüfung beginnt für Mohammed Naser Moain ein neuer akademischer Abschnitt. Der fünffache Vater freut sich nicht nur auf das Wiedersehen mit seiner Familie. Er kann sich auch darüber freuen, vom Bochumer Campus aus einen großen Schritt auf der Karriereleiter in Afghanistan getan zu haben. Und der zahlt sich, wie Dr. Sami Noor vorrechnet, einträglich aus. Vor Moains Teilnahme an dem Masterprogramm in Bochum habe er an der Universität maximal 50 Dollar verdient. Nun, mit dem Masterabschluss, könne er bis zu 700 Dollar verdienen.

Bildung, das beweist dieses Masterprogramm für afghanische Wirtschaftsdozenten, ist ein Zukunftskapital, das sich nicht nur im Einzelfall ansehnlich verzinst.

Autor: Klaus Deuse
Redaktion: Zhang Danhong