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Politik

Al-Sisi, der geschickte Diplomat

25. April 2019

Die Amtszeitverlängerung war umstritten, jetzt könnte Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bis 2030 an der Macht bleiben. Der setzt derweil seien außenpolitischen Kurs fort - und zwar mit erheblichem Erfolg.

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USA Washington | Abdel Fatah Al-Sisi, Präsident Ägypten & Donald Trump
Bild: Getty Images/AFP/J. Watson

Über 88 Prozent der Ägypter sagten laut nationaler Wahlbehörde "Ja". "Ja" dazu, dass Abdel Fatah al-Sisi nach derzeitigem Stand bis zum Jahr 2030 Staatspräsident Ägyptens bleiben könnte.

Mit der verlängerten Amtszeit erhält der Präsident auch eine erhöhte Machtfülle: So hat er nun erheblichen Einfluss auf die Besetzung von Spitzenämtern in der Justiz. Außerdem wird die Rolle der ohnehin bereits mächtigen Armee gestärkt. Und Kritiker des Präsidenten müssen kalkulieren, dass sie nun leichter vor Militärgerichten angeklagt werden können. Kurzum: Oppositionelle und Dissidenten müssen sich noch mehr vorsehen als bisher.

"Al-Sisis Position ist so stark wie die keines anderen Staatspräsidenten seit der Revolution von 1952", sagt Sozialgeograph Günter Meyer, Leiter des "Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt" an der Universität Mainz. Sie sei wesentlich stärker als die seines Vorgängers Mubarak. "Er hat eine beispiellose Machtfülle an der Spitze des ägyptischen Staates."

Libyscher Militärbefehlshaber Khalifa Haftar mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Präsidentenpalast in Kairo
Verbündete: der libysche General Chalifa Haftar (li.) und der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi, Kairo, 14.9.2019Bild: Reuters

Engagement in Libyen

Wenige Tage vor der Volksbefragung hatte Al-Sisi den libyschen General Chalifa Haftar getroffen. Dieser geht mit aller Macht nicht nur gegen die international anerkannte Regierung und die sie stützenden Milizen vor, sondern auch gegen islamistische Gruppen in dem seit Jahren von rivalisierenden Gruppen umkämpften Land - gegen radikalislamistische ebenso wie gegen vergleichsweise gemäßigte wie die Muslimbrüder. Damit ist Haftar für Ägypten, aber auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate einer der wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Muslimbrüder. Deren sozialrevolutionäres Potential ist den Regierungen aller drei Länder verhasst, weshalb sie diese auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen bekämpfen. Dadurch betrieben die drei Staaten eine teils widersprüchliche Politik, sagt der libysche Jurist Mahmoud Refaat, Vorsitzender des "European Institute for International Law and International Relations, (EIIR).

"Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen öffentlich die von den Vereinten Nationen geführten Friedensbemühungen in Libyen. Zugleich gelten sie aber als die engsten regionalen Verbündeten von Haftar." Der libysche General verdanke seine Macht nicht zuletzt seinen nahöstlichen Verbündeten, so Refaat im Gespräch mit der DW. "Er genießt eine nahezu unbegrenzte Unterstützung. Zudem rekrutiert er Söldner aus Subsahara-Afrika."

Sorge wegen ägyptischer Westgrenze

Mit Haftar hofft Ägypten nicht nur auf einen Verbündeten im Kampf gegen die Muslimbrüder. Ebenso könnte er, so das Kalkül in Kairo, dazu beitragen, die ägyptische Westgrenze zu sichern. In deren Nähe sind auf libyschem Gebiet dschihadistische Gruppen präsent, die wiederholt nach Ägypten eingedrungen sind und sich Gefechte mit ägyptischen Sicherheitskräften geliefert haben. Mit Hilfe Haftars will Al-Sisi auch dieses Problems Herr werden.

Durch die Zusammenarbeit mit Haftar hat Al-Sisi seine Rolle als gewichtiger außenpolitischer Akteur in der Region ausgebaut. In Libyen stehen Ägypten und seine Verbündeten von der Golfhalbinsel darum der Türkei und Katar gegenüber, die in beiden Ländern vergleichsweise gemäßigte Islamisten wie die Muslimbrüder unterstützen. Dieselbe Frontstellung findet sich auch in Syrien. Seit rund drei Jahren arbeitet Al-Sisi an verbesserten Beziehungen zum Regime von Baschar al-Assad. "Beide Regierungen finden sich auf einem gemeinsamen Kurs, der zu einer Frontstellung gegenüber der Türkei wie auch Katar geführt hat", sagt Meyer im Gespräch mit der DW.

Ägypten Kairo Präsident Putin trifft Präsident as-Sisi
Russlands Wladimir Putin und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi pflegen enge BeziehungenBild: Imago/ITAR-TASS/M. Metzel

Diplomatisches Spiel über die Bande

Al-Sisi kann sich bei seinen außenpolitischen Bestrebungen auch auf die Streitkräfte seines Landes verlassen. Diese gelten als die Stärksten im Vergleich mit anderen arabischen Staaten. Doch der Präsident verlässt sich nicht nur auf seine Armee: Nachdem sein repressiver innenpolitischer Kurs während der Regierungszeit von US-Präsident Barack Obama zu einer deutlichen Verschlechterung der ägyptisch-amerikanischen Beziehungen geführt hatte, baute Al-Sisi die Beziehungen zu Russland aus. Daraufhin belieferte die russische Regierung das Land am Nil mit Waffen. Außerdem entsteht mit Hilfe Russlands das erste Atomkraftwerk in Ägypten.

"Al-Sisi hat damit gezeigt, dass er auf die Amerikaner im Fall des Falles nicht angewiesen ist", sagt Günter Meyer. Unter Obamas Nachfolger Donald Trump haben sich die Beziehungen beider Länder zueinander aber wieder gebessert. Das wurde auch Anfang April deutlich, als Al-Sisi seinen amerikanischen Amtskollegen in Washington besuchte und sich beide gegenseitig die Beziehungen ihrer Länder versicherten. "Das ist natürlich auch wiederum ein großer Pluspunkt", sagt Meyer. "Denn von einem Präsidenten der USA als privilegierter Freund bezeichnet zu werden und zugleich gute Beziehungen zu Russland zu pflegen, unterstreicht die Stärke von Al-Sisis außenpolitischer Position."

Al-Sisi hat seinen außenpolitischen Kurs in den letzten Monaten erheblich konsolidiert. Der Kurs des Landes zeichnet sich immer klarer ab. Im Sudan praktiziert er derzeit den Schulterschluss mit dem Militärregime - durchaus zum Verdruss weiter Teile der sudanesischen Bevölkerung. Bündnisse mit derzeitigen oder möglichen Machthabern - wie mit Haftar in Libyen - sind längst keine Gewähr dafür, dass sich auch die Bevölkerung dieser Länder auf die Seite des starken Mannes in Kairo ziehen ließe.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika