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Ein schwieriger Besuch

Bettina Marx2. Juni 2015

Es ist nicht das erste Mal, dass der Präsident eines nicht demokratischen Staates nach Berlin kommt. Aber der Besuch von Al-Sisi ist besonders heikel. Die Menschenrechtslage in Ägypten ist katastrophal.

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Abdel Fattah al Sisi (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bundesregierung hat lange gezögert, den ägyptischen Präsidenten nach Berlin einzuladen. Denn der im Sommer 2014 mit überwältigender Mehrheit gewählte al-Sisi regiert sein Land mit harter Hand. Seit dem Militärputsch im Juli 2013, als die erste frei gewählte ägyptische Regierung unter dem Muslimbruder Mohammed Mursi gestürzt wurde, sind Tausende Menschen verhaftet worden. Die Muslimbrüder wurden verboten, Hunderte ihrer Anhänger wurden zum Tode verurteilt, darunter auch der frühere Präsident Mursi selbst. Auch zahlreiche Vertreter der Demokratiebewegung, Menschenrechtler und Revolutionäre von 2011 wurden ins Gefängnis geworfen.

Ursprünglich hatte die Bundesregierung einen Besuch al-Sisis an die Abhaltung freier Wahlen geknüpft, diese Voraussetzung jedoch später fallen gelassen. Im März überbrachte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine offizielle Einladung in die deutsche Hauptstadt. Damit hatte sich Berlin anderen europäischen Ländern angeschlossen, die al-Sisi schon zuvor empfangen hatten. So reiste der ägyptische Präsident im letzten September nach Italien und Frankreich und besuchte im April Spanien und Griechenland.

Angela Merkel und Abdel Fattah al Sisi (Foto: dpa)
Treffen in Davos: Bundeskanzlerin Merkel und Präsident al-Sisi sprechen beim Weltwirtschaftsforum miteinanderBild: picture-alliance/dpa/F. Coffrini

Menschenrechte in Ägypten zentrales Gesprächsthema

Bundeskanzlerin Angela Merkel sei überzeugt, "dass aufgrund der diversen Krisenherde, der sehr prekären Lage in der Region und ungeachtet politischer Meinungsverschiedenheiten es sehr wichtig ist, mit Kairo als zentralem regionalen Akteur im Dialog zu sein und im Dialog zu bleiben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die innenpolitische Lage in Ägypten und das Thema Menschenrechte würden dabei eine wichtige Rolle spielen.

Dies wird nicht nur von fünf internationalen Menschenrechtsorganisationen gefordert, die die Kanzlerin am Dienstag in einem gemeinsamen Appell aufriefen, die Menschenrechtsverletzungen anzusprechen. Auch im Bundestag wird diese Erwartung formuliert. Das Thema Menschenrechte sei der wichtigste Streitpunkt im Gespräch mit der ägyptischen Führung, sagte die Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe Karin Maag (CDU/CSU).

Kein Partner für Bundestagsabgeordnete in Kairo

Karin Maag (Foto: Andy Krüger)
Karin Maag: "Auf Veränderungen hinwirken!"Bild: Andy Krüger

Sie selbst und ihre Kollegen hätten seit der Auflösung des Parlaments in Kairo durch das Verfassungsgericht im Jahr 2012 keine Ansprechpartner mehr und seien auf Kontakte zu NGOs angewiesen. Al-Sisi regiere ohne jede parlamentarische Kontrolle. "Das ist sehr unbefriedigend und wir müssen darauf hinwirken, dass sich daran etwas ändert. Das sind wir den Menschen in der Region schuldig", so Maag im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Sie begrüße die Entscheidung von Bundestagspräsident Norbert Lammert, al-Sisi nicht zu empfangen. Auch sein ägyptischer Amtskollege sei zum Tode verurteilt worden und er vertrete schließlich das Parlament. Dennoch äußerte die Abgeordnete Verständnis dafür, dass die Bundesregierung Sisi eingeladen habe. "Die Regierung sollte im Gespräch bleiben, um auch Kritik anbringen zu können. Es nützt niemandem, wenn wir nicht mit Sisi sprechen."

Lammert hatte im Interview mit der Deutschen Welle vor wenigen Tagen bekräftigt, dass er nicht mit dem ägyptischen Präsidenten zusammentreffen werde. "Es gibt eine unfassbare Anzahl von Todesurteilen nach fragwürdigen Verfahren, darunter prominente Vertreter konkurrierender, rivalisierender politischer Gruppierungen. Ich wüsste nicht, was bei dieser Sachlage zwischen dem Präsidenten eines gewählten Parlamentes und dem Staatspräsidenten eines bedauerlicherweise nicht demokratisch geführten Landes zu bereden wäre."

Mohammed Mursi (Foto: picture alliance)
Zum Tode verurteilt: Der gestürzte Präsident Mursi vor Gericht in KairoBild: picture-alliance/dpa/N. Galal/A. Alyoum

Besuch bei der Kanzlerin ist eine Anerkennung für al-Sisi

Kritik übt auch die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner. Sie hält den Empfang Sisis in Berlin zum jetzigen Zeitpunkt für falsch. Der Besuch "bei der mächtigsten Regierungschefin der Welt" sei für den ägyptischen Präsidenten extrem wichtig, denn er hole sich damit Unterstützung für seine Politik. "Ich glaube, ihm im Moment diese Unterstützungszeichen zu geben, ist falsch." Brantner kritisierte auch die Haltung von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder, der Ägypten als Stabilitätsanker in einer von Bürgerkriegen und Unruhen geprägten Region bezeichnet hatte.

"Die Anzahl der Terroranschläge in Ägypten ist seit dem Machtantritt von Sisi gestiegen und die Radikalisierung nimmt zu. Es ist gerade die Strategie der massiven Unterdrückung von weiten Bevölkerungsteilen, die zur Radikalisierung führt", so die Grünen-Politikerin. Etwa 20 Prozent der ägyptischen Bevölkerung seien Anhänger der Muslimbrüderschaft. Sie von der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe auszuschließen gefährde die Stabilität des Landes.

Im Interview mit der Deutschen Welle wies Brantner auf den gerade veröffentlichten Bericht des ägyptischen Nationalen Menschenrechtsrats hin. Darin werde festgestellt, dass die Lage der Menschenrechte in der ägyptischen Geschichte noch nie so schlecht gewesen sei wie derzeit. Dies bekam am Dienstag auch der prominente Bürgerrechtler und Anwalt Mohamed Lotfy zu spüren. Der Exekutivdirektor der "Egyptian Commission for Reights and Freedoms (ECRF)" wurde am Flughafen von Kairo an der Ausreise nach Deutschland gehindert. Er war von der Bundestagsfraktion der Grünen zu einer Anhörung über die Lage in Ägypten eingeladen worden.

Brantner und die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, verurteilten die Maßnahme der ägyptischen Sicherheitskräfte. Das Ausreiseverbot diene allein dem Zweck, eine prominente oppositionelle Stimme daran zu hindern, über die wahren Zustände im Ägypten Al-Sisis zu berichten: Massenverhaftungen, Justizwillkür, Folter, die Wiedereinführung der Todesstrafe. "Die Bundesregierung ist in der Pflicht, von Al-Sisi Demokratisierung und Wahrung der Menschenrechte einzufordern, anstatt kritiklos Milliardendeals einzufädeln."