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Albanisches Ehepaar auf der Flucht

Mariya Ilcheva 4. Januar 2016

Kristina und Luka hoffen auf das fast Unmögliche: als Albaner Asyl in Deutschland zu bekommen. Das arme Balkanland haben sie nicht nur aus materieller Not verlassen.

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Kristina und Luka sind aus Albanien nach Deutschland geflohen (Foto: Ilcheva/DW)
Bild: DW/M. Ilcheva

"Auch in unserer Heimat herrscht Krieg. Es ist ein Krieg ohne Bomben. Ein Kampf ums Überleben", sagen die 26-jährige Kristina und ihr 24-jähriger Ehemann Luka (Namen von der Redaktion geändert). Deshalb sind sie nach Deutschland gekommen und haben im Sommer 2015 Asylanträge gestellt.

Sie stammen aus Albanien - einem armen Land am Rande Europas, das Berlin im Herbst als sicheres Herkunftsland eingestuft hat. Ein Land, dessen Bürger so gut wie keine Chance haben, in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt zu werden.

Kristina und Luka wissen das. Doch sie wollen auf keinen Fall zurück. "Nichts läuft richtig in unserer Heimat. Die Korruption vergiftet das ganze Land. Die organisierte Kriminalität hinterlässt ihre Spuren überall", beklagen sie. "Die Politiker geben sich gar keine Mühe, das Leben der Menschen zu verbessern. Ganz im Gegenteil: Sie verschlimmern es und töten somit immer mehr albanische Seelen. Jeden Tag. Deswegen fliehen so viele Menschen aus unserem Land."

Fast 52.000 Albaner stellten 2015 einen Asylantrag

Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge haben zwischen Januar und November 2015 fast 52.000 Albaner einen Asylantrag in Deutschland gestellt - ein Anstieg von rund 645 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit liegt Albanien auf Platz zwei der Liste der Herkunftsländer der meisten Asylbewerber in Deutschland - direkt nach Syrien.

"Wie soll ich in Albanien leben? Dort habe ich nur 80 Euro im Monat verdient", sagt Kristina, die in einem Callcenter gearbeitet hat. Die studierte Englischlehrerin konnte keinen besseren Job finden. "Und ich hatte eine Vollzeitstelle als Barkeeper. Mein Gehalt lag bei 180 Euro im Monat", erzählt Luka, der Sportwissenschaften studiert hat. "Wir hatten keine Beziehungen. Jemanden bestechen konnten wir auch nicht, da uns das Geld dafür fehlte. Deshalb hatten wir keine Chance, eine Stelle in unserem Bereich zu finden", sagen die jungen Albaner, die zurzeit zusammen mit 80 anderen Asylbewerbern in einer ehemaligen Schule in einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen untergebracht sind.

Nicht nur die Armut hat sie dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. "Luka ist montenegrinischer Herkunft. Meine Familie akzeptiert keine Ex-Jugoslawen. Dass er zwei Jahre jünger ist als ich, stört sie auch sehr. Deswegen haben wir heimlich geheiratet und sind geflohen", erzählt Kristina.

Kristina und Luka fassen sich an den Händen (Foto: Ilcheva/DW)
Kristina und Luka haben heimlich geheiratetBild: DW/M. Ilcheva

"Das Beste an Deutschland sind die Menschen"

Die beiden jungen Albaner erwarten im Februar ihr erstes Kind. Luka hofft, dass das Paar nicht abgeschoben wird und das Baby in Deutschland auf die Welt kommt. Denn in Albanien sei das Gesundheitssystem "katastrophal". Auf eine gute medizinische Versorgung könne man dort nur hoffen, wenn man Ärzten und Krankenschwestern teure Geschenke mache, beklagt er.

In ihrem Zimmer von zehn Quadratmetern in der provisorischen Unterkunft in Deutschland liegen bereits viele Taschen mit Babysachen: Geschenke und Spenden, die ehrenamtliche Helfer für das junge Paar gesammelt haben. "Das Beste in diesem Land sind die Menschen. Ich hätte nie gedacht, dass die Deutschen so herzlich und hilfsbereit sind", freut sich Kristina.

Sie und Luka seien die einzigen Albaner in der Unterkunft - und die einzige Familie. Die anderen etwa 80 Personen seien Syrer - oder würden das zumindest behaupten, so Luka. "Viele von ihnen kommen aus anderen Ländern. Sie geben sich aber als Syrer aus, weil sie ansonsten wenig Chancen haben, hier zu bleiben." Der Alltag sei nicht einfach: Das Ehepaar muss sich zwei Herdplatten mit 80 Personen teilen. Außerdem habe es sich herumgesprochen, dass in der Unterkunft geklaut werde.

Albanien - ein sicheres Herkunftsland?

Während in Deutschland 2015 nur etwa 0,2 Prozent der Asylbewerber aus Albanien anerkannt wurden, sind ihre Aussichten in anderen westeuropäischen Ländern besser. Italien gewährte im vergangenen Jahr etwa der Hälfte der geflüchteten Albaner Asyl, in Frankreich wurden immerhin fast zehn Prozent von ihnen anerkannt, in der Schweiz etwa zwölf Prozent.

Warum sind die beiden trotzdem nach Deutschland gekommen? "In Italien ist es zurzeit schwierig, einen Job zu finden - wegen der schlechten Wirtschaftslage. Und nach Großbritannien dürfen wir nicht visafrei reisen. Manche Albaner besorgen sich gefälschte italienische Pässe, mit denen sie nach England fliegen. Sie kosten rund 5000 Euro. So viel Geld haben wir nicht", sagt Luka.

Kristina findet es gut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel "die Türen Deutschlands für die Syrer geöffnet" habe. Doch sie sollte auch an die Balkan-Flüchtlinge denken, denn Albanien sei auf keinen Fall ein sicheres Herkunftsland: "Keiner verlässt seine Heimat ohne Grund. Wir wollen einfach sicher leben, legal arbeiten und uns um unser Kind kümmern können. Ist das denn zu viel?"

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

Seit dem 1. Januar dürfen albanische Staatsangehörige eine Ausbildung oder Beschäftigung in Deutschland aufnehmen, wenn ein verbindliches Arbeitsangebot vorliegt und sie in den letzten 24 Monaten keine Leistungen als Asylbewerber bezogen haben. Diese Regel gilt auch für Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien.

Doch davon erhoffen sich Kristina und Luka nicht viel: "Für uns wird es fast unmöglich sein, auf diese Weise einen Job in Deutschland zu bekommen. Man muss bestimmt sehr gut Deutsch sprechen, und da wird auch eine Vorrangprüfung durchgeführt, was das Ganze erschwert." Außerdem sei eine Antragstellung in Deutschland nicht möglich - sie müssten dafür erst mal zurück nach Albanien. "Uns bleibt jetzt nichts anderes übrig als zu hoffen, dass wir nicht abgeschoben werden", sagt Kristina. Auch wenn das unrealistisch erscheine: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."