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Politik

Tsipras lobt die EU

11. September 2018

Was für ein Unterschied: Vor drei Jahren wetterte der linke griechische Premier gegen die Euro-Staaten. Jetzt gibt er sich vor dem Europäischen Parlament in Straßburg dankbar und lammfromm. Bernd Riegert berichtet.

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Europäisches Parlament in Straßburg | Alexis Tsipras, Premierminister Griechenland
Bild: Reuters/V. Kessler

Nur drei Wochen, nachdem Griechenland das finanzielle Rettungsprogramm der EU verlassen hat, zog der griechische Premierminister Alexis Tsipras von der linksradikalen "Syriza"-Partei vor dem Europäischen Parlament eine positive Bilanz seiner Regierungszeit. "Griechenland ist nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung", sagte der Premier nicht ohne Stolz. "Nur wenige haben geglaubt, wir schaffen es. Aber wir haben es geschafft." Griechenland hält sich an die Auflagen der Geldgeber aus der Eurozone, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Alexis Tsipras gelobte weitere Reformen und eine Sanierung des griechischen Staates: "Wir haben die Krise überwunden, ohne das Land zu zerstören."

"Solidarität kann funktionieren"

Vor drei Jahren, im Juli 2015, auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise klang das noch ganz anders. Da war Alexis Tsipras gerade fünf Monate im Amt und kurz davor, das Land in die Pleite zu führen. Tsipras warf bei seinem ersten Auftritt im Europäischen Parlament im Juli 2015 der Euro-Zone damals vor, versagt zu haben und Griechenland mit ihrer Sparpolitik in die Knie zu zwingen.

Inzwischen ist davon keine Rede mehr. Der als linker Populist angetretene Ministerpräsident lobt das dritte Rettungsprogramm jetzt als Beispiel dafür, dass europäische Solidarität funktionieren kann. "Wir wollen nicht wieder die gleichen Fehler begehen wie in der Vergangenheit", versprach Tsipras. Der Schuldenstand Griechenlands liegt bei 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Über Jahrzehnte muss das Land Haushaltsdisziplin üben und Kredite zurückzahlen. Alexis Tsipras ist sicher, dass das klappen wird. "Das Wachstum ist zurück. Die Arbeitslosigkeit ist um 10 Prozent gesunken", sagte Tsipras. Die Arbeitslosenquote liegt allerdings immer noch bei knapp 20 Prozent, was nach Auffassung von EU-Kommissar Valdis Dombrovskis immer noch "inakzeptabel" hoch ist.

Griechenland, Athen: Proteste gegen Sparmaßnahmen
Athen im Mai 2018: Proteste gegen Sparmaßnahmen von Premier Tsipras gibt es immer nochBild: Getty Images/M. Bicanski

Die Wandlung des Premiers

Der konservative Abgeordnete Esteban Gonzalez Pons, der die größte Fraktion im Europäischen Parlament vertritt,  zeigte sich amüsiert über den Wandel des griechischen Premiers. "Sie haben sich sehr verändert", sagte Gonzalez Pons. 2015 habe Griechenland am Abgrund gestanden, aber die EU habe an seiner Seite gestanden. "Die Griechen sind zu bewundern, weil sie in der EU bleiben wollten." Die Minister seiner Regierung hätten mit ihrer Politik ein Scheitern riskiert, sagte der konservative Politiker. Gemeint war vor allem der ehemalige Finanzminister Jannis Varoufakis, der die Geldgeber im Sommer 2015 provozierte und an den Rand der Verzweiflung trieb. Alexis Tsipras gestand zu, dass in den letzten acht Jahren der Schuldenkrise sowohl die griechischen Regierungen als auch die EU Fehler gemacht hätten. Seine Regierung habe aber dann das richtige Rezept durchgesetzt. "Ja, ich habe mich geändert", antwortete Tsipras dem Abgeordneten Gonzalez Pons, aber das müsse ja kein Fehler sein.

Tsipras warnt vor extremer Rechte

Der griechische Premier war vom Parlament eigentlich eingeladen worden, um über seine Visionen zur Zukunft der EU zu sprechen. Doch da blieben die Vorschläge allgemein. Alexis Tsipras kritisierte die neoliberale Wirtschaftspolitik, die seiner Meinung nach zum Aufstieg extremer rechter Parteien beigetragen habe. "Die extreme Rechte beschwört einen Alptraum herauf, der die europäische Idee zerstört", warnte Tsipras. Deshalb, schloss der griechische Premier, müsse Europa den Weg der Austerität verlassen und einen strategischen Plan für eine wirtschaftliche Angleichung der EU-Staaten verfolgen. Das Asylsystem in Europa müsse reformiert werden. Europa müsse seine Bürger schützen, seine Institutionen stärken und Entscheidungsprozesse demokratischer gestalten. Tsipras sprach sich auch dafür aus, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortzusetzen. Griechenland unterstützt den Beitritt der sechs Staaten auf dem Westbalkan und sieht sich als Garantiemacht für eine friedliche Entwicklung in der Region. Der Namensstreit mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien könne nach sechs Jahren der Verhandlungen nun endlich gelöst werden, stellte Tsipras in Aussicht.

Frankreich  Straßburg - Europäisches Parlament
Weitgehend leere Ränge in Straßburg (Symbolbild)Bild: DW/B. Riegert

Die Chefin der linken Fraktion, der auch die Syriza-Partei von Tsipras angehört, ging mit der Griechenland-Rettung kritischer ins Gericht als der Premier selbst. Gabi Zimmer kritisierte, die Sparpolitik habe zu einer "humanitären Katastrophe" und Armut in Griechenland geführt. Die Schulden seien ja immer noch da. "Was ist eigentlich aus der Idee einer Schuldenkonferenz geworden, nicht nur für Griechenland, sondern auch für andere Staaten?", fragte Gabi Zimmer von der deutschen Linkspartei. Einen Erlass der Schulden, den Zimmer andeutete, hat allerdings nichts einmal Tsipras noch gefordert. Gabi Zimmer warf den EU-Staaten vor, sie hätten Griechenland klein halten wollen, um zu zeigen, dass eine linke Regierung nicht funktionieren könne. Tsipras habe das Gegenteil bewiesen.

Tsipras in Koalition mit Rechtspopulisten

Der griechische Premierminister koaliert in Athen mit der rechtspopulistischen Partei "ANEL", die sich gegen die Rettungspolitik ausspricht und auch antideutsche Ressentiments schürt. Die Rechte, die Tsipras in seiner Rede so kritisierte, sitzt also in Athen an seinem eigenen Kabinettstisch.

Die Grundsatzrede des griechischen Regierungschefs war Teil einer Serie von Reden, die das Europäische Parlament vor der Europawahl 2019 aufgelegt hat. Bislang sprachen unter anderen die Regierungschefs Frankreichs, Luxemburgs und Irlands. Im Herbst wird die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Zukunft Europas erwartet. Die Debatte am Dienstag fand vor sehr dünn besetzten Rängen statt. Das Interesse der 750 Abgeordneten war eher gering.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union