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Algeriens Angst vor dem Terror

Anne Allmeling26. September 2014

Nach der Ermordung eines französischen Touristen wächst in Algerien die Angst, dass der islamistische Terror zurückkehrt. Auch die Franzosen sorgen sich um ihre Sicherheit.

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Algerien Suche nach Geisel 23.09.2014
Bild: Farouk Batiche/AFP/Getty Images

Es war ein Szenario, das vielen Algeriern erschreckend bekannt vorkam: Islamisten entführen einen Touristen aus Frankeich, bringen ihn an einen unbekannten Ort, ermorden ihn kurze Zeit später. Nachrichten wie diese waren während des "dunklen Jahrzehnts", dem algerischen Bürgerkrieg in den 1990er Jahren, an der Tagesordnung - nur dass es sich meistens um die eigenen Landsleute handelte, die umgebracht wurden. In dem jahrelangen Kampf zwischen der Militärregierung und der islamistischen Partei FIS ("Islamische Heilsfront") kamen mindestens 120.000 Menschen ums Leben. Ein Trauma, das vielen Algeriern noch deutlich in Erinnerung ist.

Die Ermordung der französischen Geisel lässt die Schrecken der Vergangenheit wieder lebendig werden. Gleichzeitig rückt sie die umstrittene Versöhnungspolitik von Abdelaziz Bouteflika in den Fokus. Der algerische Präsident hatte sich nach Ende des Bürgerkrieges für eine Generalamnestie für die ehemals bewaffnet kämpfenden Islamisten stark gemacht. Der islamistische Terror in Algerien ließ in den folgenden Jahren deutlich nach, ist in den vergangenen zehn Jahren aber nie ganz verschwunden. "Ein Anführer der Gruppe, die die französische Geisel hingerichtet hat, soll ein ehemaliger Kämpfer sein, der wieder zurück in den Untergrund gegangen ist", sagt Isabelle Werenfels, Algerien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. "Das hat natürlich Debatten über Bouteflikas Politik entfacht."

Algeriens Präsident Abdulaziz Bouteflika (AFP)
Umstrittener Politiker: Algeriens Präsident Abdelaziz BouteflikaBild: Farouk Batiche/AFP/Getty Images

Zweifel an der algerischen Armee

Das algerische Militär, das einen Teil der undurchsichtigen Machtelite um Bouteflika bildet, will nun mit allen Mitteln nach den Mördern des getöteten französischen Touristen suchen. Doch es gibt auch Zweifel daran, dass die Armee den islamistischen Terror tatsächlich komplett auslöschen will. "Es gab immer Gerüchte, dass es den algerischen Sicherheitskräften und auch vielen Politikern nicht unlieb war, dass es in gewissen Gebieten einen niedrigschwelligen Terrorismus gibt, weil das gewisse Repressionen und politische Entscheidungen gerechtfertigt hat", sagt Werenfels.

Seit Jahren hält eine demokratisch nicht legitimierte Machtelite um Präsident Bouteflika Algerien fest im Griff. Daran hat auch der so genannte arabische Frühling nichts geändert: Die Algerier wollen nach der Erfahrung des Bürgerkriegs keinen Machtwechsel erzwingen, weil sie eine neue Welle der Gewalt befürchten. Ohnehin kommt es immer wieder zu Terroraktionen. Im Januar brachten islamistische Terroristen das Gasfeld In Aménas unter ihre Kontrolle. Während der Geiselnahme und der anschließenden Erstürmung durch die Armee starben mindestens 80 Menschen.

Organisierte Kriminalität

Das Gebiet, in dem die Terroristen aktiv seien, sei sehr schwer zu kontrollieren, sagt Isabelle Werenfels. Dennoch sei es erstaunlich, dass es in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen ist, die Terroristen auszuschalten. "Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es innerhalb der Armee Gruppen gibt, die von organisierter Kriminalität profitieren." Das lässt die Sorge vor weiteren Entführungen noch wachsen.

Auch Frankreich befindet sich im Alarmzustand, denn die Ermordung des französischen Touristen war gezielt gegen Frankreich gerichtet. Die Gruppe "Jund al-Khalifa", die für den Terrorakt verantwortlich ist, hat sich mit der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und im Irak solidarisiert. Bislang ist Frankreich das einzige europäische Land, das sich den US-Luftangriffen gegen den "Islamischen Staat" angeschlossen hat. Aus Frankreich kommen auch mehr Kämpfer für den IS in Syrien und im Irak als aus jedem anderen Land in Europa. Paris hat die Sicherheitsmaßnahmen gegen mögliche islamistische Terrorakte deshalb verstärkt. Öffentliche Plätze, aber auch Busse und Bahnen werden nun stärker überwacht.

Algerien Ort der Geiselnahme Saint-Martin-Vesubie (Reuters)
Heimatort des Terroropfers: Saint-Martin-VesubieBild: Reuters/Patrice Masante

Kampf gegen den "Islamischen Staat"

Der Terrorakt hat die Entschlossenheit der französischen Regierung, an ihrem Kampf gegen den "Islamischen Staat" festzuhalten, noch verstärkt. "Frankreich wird vor dem Terror nicht zurückweichen", sagte Premierminister Manuel Valls. Einen Tag nach der Ermordung ihres Landsmannes flog die französische Luftwaffe im Irak einen neuen Angriff. Der "Islamische Staat" hatte wegen der Luftangriffe dazu aufgerufen, wahllos Bürger jener Staaten zu töten, die sich an der internationalen Koalition gegen ihn beteiligen. Befürchtet werden daher Anschläge in Frankreich, aber auch auf französische Staatsbürger im Ausland. Das französische Außenministerium hat detaillierte Warnhinweise für elf neue Staaten herausgegeben. Besonders detailliert sind die Warnhinweise für Algerien.