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Politik

Alle Flüchtlinge der "Diciotti" an Land

26. August 2018

Nach Tagen an Bord haben alle Migranten das Rettungsschiff "Diciotti" verlassen. Italiens Innenminister Matteo Salvini gab grünes Licht - zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.

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Italien Migranten verlassen Diciotti Rettungsschiff
Bild: Reuters/A. Parrinello

Die verbliebenen 137 Flüchtlinge an Bord der "Diciotti" durften das Rettungsschiff in der Nacht auf Sonntag verlassen. Anschließend
wurden die aus Seenot Geretteten nach Messina gebracht. Um den Großteil - nämlich 100 - kümmere sich die italienische Bischofskonferenz, teilte die Regierung in Rom mit. Albanien hat sich bereit erklärt, 20 Migranten aufzunehmen. Zwischen 20 und 25 sollen nach Irland kommen. Die Migranten hatten seit Donnerstag vor einer Woche auf dem Schiff der Küstenwache ausgeharrt. 

Die "Diciotti" hatte am 15. August insgesamt 190 Bootsflüchtlinge an Bord genommen. Die Regierung in Rom verweigerte dem Schiff zunächst die Einfahrt in einen italienischen Hafen. Am Montag durfte das Rettungsschiff dann doch in der sizilianischen Hafenstadt Catania anlegen. 13 der Flüchtlinge wurden daraufhin sofort ins Krankenhaus gebracht, 27 unbegleitete Minderjährige durften am Mittwoch an Land gehen. Bis Samstagnachmittag folgten weitere kleine Gruppen. 

Italienische Justiz ermittelt gegen Innenminister Salvini

Der rechte Innenminister Matteo Salvini wollte erst wissen, wie die Menschen auf andere Staaten verteilt werden, bevor er sie von Bord gehen ließ. Die Genehmigung erteilte er nach Berichten des italienischen Rundfunks erst, nachdem die Staatsanwaltschaft Agrigent Ermittlungen gegen ihn eingeleitet hatte. Dem Vize-Premierminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega werden "Freiheitsberaubung, illegale Festnahmen und Machtmissbrauch" vorgeworfen.

Italien Matteo Salvini
Matteo Salvini werden "Freiheitsberaubung, illegale Festnahmen und Machtmissbrauch" vorgeworfenBild: REUTERS

Salvini bestätigte ein Verfahren gegen sich und kritisierte die Ermittlungen scharf: "Es ist unglaublich, in einem Land zu leben, in dem vor zehn Tagen eine Brücke eingestürzt ist, unter der 43 Menschen gestorben sind, und es keinen gibt, gegen den ermittelt wird", sagte er bei einem Auftritt im norditalienischen Pinzolo. "Und sie ermitteln gegen einen Minister, der die Grenzen des Landes verteidigt. Es ist eine Schande." Vor der applaudierenden Menge fuhr er fort, "ihr habt eine Regierung, die die italienischen Bürger bis zum Ende verteidigen wird." 

Harter Kurs gegen Migranten

Angestoßen wurden die Ermittlungen, die sich auch gegen Salvinis Bürochef richten, von dem sizilianischen Staatsanwalt Luigi Patronaggio aus Agrigent. Er vernahm in Rom zwei ranghohe Mitarbeiter des Innenministeriums. Er wolle die Befehlskette verstehen und wissen, wer angeordnet hatte, dass die Migranten an Bord des Schiffes nicht an Land gelassen würden, hieß es. Den Berichten zufolge sollen die Ermittlungen von Palermo aus geführt werden, der Hauptstadt der süditalienischen Insel.

Obwohl die "Diciotti" zur italienischen Küstenwache gehört, durften die aus Seenot geretteten Migranten zunächst nicht an Land
Obwohl die "Diciotti" zur italienischen Küstenwache gehört, durften die aus Seenot geretteten Migranten zunächst nicht an LandBild: picture-alliance/dpa/I. Petyx

Seit Antritt der Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung vor gut drei Monaten fährt Italien einen harten Anti-Migrationskurs und macht Druck auf die EU. Erst wurde zivilen Rettungsschiffen mit geretteten Migranten an Bord die Einfahrt in Häfen verwehrt, dann wurden auch Militär- und Handelsschiffe teils tagelang im Mittelmeer blockiert. Immer wieder aufs Neue handelte Italien wie auch Malta mit einigen EU-Staaten wie Deutschland Lösungen aus. Doch im Fall der "Diciotti" blieben die Fronten verhärtet. Ein Treffen mit Vertretern von 14 Mitgliedsstaaten am Freitag in Brüssel endete ergebnislos. Italien hatte deshalb mit einem Stopp der EU-Beitrittszahlungen gedroht. 

Italien erwägt Blockade des EU-Haushalts

Nun erwägt Italien offenbar zudem, die Verhandlungen um den neuen EU-Haushaltsentwurf zu blockieren. Nachdem es auf EU-Ebene bisher keine Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen gegeben habe, prüfe man, ein Veto in den laufenden Verhandlungen einzulegen, erklärte Premierminister Giuseppe Conte am Samstagabend. Derzeit wird in der EU der Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 diskutiert. Dieser muss von allen Mitgliedsstaaten gebilligt werden. "Italien nimmt zur Kenntnis, dass sich der "Geist der Solidarität" kaum in konkrete Taten übersetzt", teilte Conte mit. "Wir können uns nicht mit einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zufrieden geben." 

stu/ww/sti (dpa, afp)