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Politik

"Alle Seiten wollen eine politische Lösung"

Hassan Znined
31. Dezember 2016

Der Ex-Präsident des Syrischen Nationalrats, Abdulbaset Sieda, bewertet den neuen Waffenstillstand für Syrien verhalten optimistisch. Im DW-Interview erklärt er, warum er gute Chancen für eine endgültige Einigung sieht.

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Syrien Aleppo Waffenstillstand beschlossen
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Sieda, die syrische Regierung und Teile der bewaffneten Opposition haben sich auf einen Waffenstillstand geeinigt. Wie bewerten Sie diese Einigung?

Abdulbaset Sieda: Zunächst einmal halte ich die Vereinbarung für eine tragfähige, denn sie kam nach langen Verhandlungen zustande. Aber wir müssen abwarten, ob sie tatsächlich eingehalten wird, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das syrische Regime solche Vereinbarungen schon des Öfteren gebrochen oder sich nicht an sie gehalten hat. Bemerkenswert ist, dass Russland, das auf Seiten der syrischen Regierung steht, das Abkommen unterstützt. Auch die Türkei und die Rebellengruppen, die von ihr unterstützt werden, stehen hinter der Vereinbarung. Wir Palästinenser haben uns immer für eine politische Lösung des Konflikts ausgesprochen, ein Waffenstillstand ist der erste Schritt in diese Richtung. Jetzt müssen wir aber zunächst abwarten, was aus diesem Waffenstillstand wird.

Es ist nicht dass erste Mal, dass für Syrien ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Was unterscheidet die aktuelle Vereinbarung von vorangegangenen?

Es gibt einen neuen Faktor: Die Russen wollen aus der Sackgasse herauskommen, in der sie sich verfangen haben. Die andauernden Kampfhandlungen in Syrien belasten Russland sowohl ökonomisch und als moralisch sehr. Auch politisch sind sie eine Belastung, denn sie beeinflussen die Beziehungen Russlands zur EU, den USA und den Staaten in der Region.

Abdulbaset Sieda
Abdulbaset SiedaBild: dapd

Die Türkei wiederum macht ihren Einfluss in den Reihen der Opposition geltend, um diese zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Der Iran dagegen ist trotz seiner Beteiligung nicht so begeistert von der Vereinbarung. Teheran hofft, dass sich der Erfolg der syrischen Regierung in der Schlacht um Aleppo auch auf andere Landesteile auswirkt. Die Russen fürchten jedoch, dass die Rückeroberung weiterer Gebiete durch das syrische Regime, die Lage komplizierter machen und den Weg zu einer politischen Lösung des Konflikts verbauen könnte. Alle Seiten wollen zwar eine politische Lösung des Konflikts, sie haben jedoch unterschiedliche Vorstellungen davon, wie diese aussehen soll.

Der Iran hat das Abkommen bislang noch nicht unterzeichnet. Welche Motive hat die Regierung in Teheran? Und kann das Abkommen ohne den Segen der iranischen Regierung überhaupt Erfolg haben?

Das hängt vor allem von Russland ab. Das syrische Regime wird nicht nur von Moskau unterstützt, sondern auch vom Iran und von Milizen, die dem Befehl Teherans unterstehen. Sollte sich der Iran nicht an das Abkommen halten, wird er Probleme mit Russland bekommen. Der Iran spielt in Syrien eine entscheidende Rolle. In Teheran weiß man aber auch, dass man seine Macht in Syrien aufs Spiel setzt, wenn man sich gegen Russland stellt.

Unter den syrischen Rebellengruppen, die das Abkommen unterzeichneten, befinden sich auch islamistische Gruppen wie Ahrar al-Sham und Dscheich al-Islam. Wie kann sichergestellt werden, dass diese Gruppen das Abkommen tatsächlich auch einhalten?

Soweit wir wissen, gibt es Verhandlungen zwischen den einzelnen Oppositionsgruppen und ihren Führern, sowohl innerhalb der Nationalen Koalition (vormals Syrischen Nationalrat, Anm. d. Red.) als auch außerhalb dieses Bündnisses. Die einzelnen Fraktionen sind sich über die derzeitige Lage in Syrien völlig im Klaren. Sie wissen um die regionalen und internationalen Hintergründe des Konflikts und sind sich bewusst, dass die beteiligten Staaten ihre Prioritäten auch wieder ändern könnten. Die Vereinbarung ist das Ergebnis schwieriger, langwieriger und komplizierter Verhandlungen. Laut Geheimdienstinformationen, wollen sich alle Parteien an den Waffenstillstand, wenn dies das syrische Regime auch tut.

Die Amerikaner waren am Zustandekommen des Abkommens nicht beteiligt. Hat es unter diesen Umständen überhaupt Chancen auf Erfolg?

Der Standpunkt der Amerikaner hat Gewicht. Auch sie wollen einen Waffenstillstand und eine politische Lösung für Syrien. Darum steht das nun erreichte nicht im Widerspruch zur US-Strategie. Die Frage ist aber, ob das nun erzielte Abkommen zu einer allgemeinen und umfassenden Einigung führt. Die Übereinkunft bezieht sich auf den nördlichen und den westlichen Landesteil, er gilt aber nicht für den östlichen und nordöstlichen Teil des Landes. Das ist ein Problem, das sich nur unter Einbeziehung der Amerikaner und Araber lösen lässt. Auch die Araber, insbesondere die Saudis, hinter denen sich die übrigen arabischen Staaten versammelt haben, spielen eine wesentliche Rolle in dem Konflikt in Syrien. Jede umfassende Einigung zwischen den verschiedenen Konfliktparteien muss unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen erfolgen und geleitet sein von den Vereinbarungen der ersten Genfer Syrien-Konferenz.

Welche Rolle spielen die Kurden in der aktuellen Vereinbarung. Welche Interessen haben sie?

Im Zentrum steht die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), nicht die Kurden insgesamt. Die Kurden werden vom Kurdischen Nationalrat vertreten, der Teil der syrischen Opposition im syrischen Nationalrat ist, gemeinsam mit vielen verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen und anderen Akteuren. Die Kurden müssen einen Weg finden ihre Anliegen im Rahmen einer umfassenden Lösung für Syrien weiterzuverfolgen.

Das Interview führte Hassan Znined.

Abdulbaset Sieda ist Kurde. Von Juni bis November 2012 war er Präsident des Syrischen Nationalrats.