1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Alles Lügner

Nada Steinmann15. September 2002

Mazedonien wählt ein neues Parlament. Die Wahl gilt nach den beigelegten Auseinandersetzungen als Stabilitäts-Test. Die Menschen geht es aber vor allem um die Beilegung der Wirtschaftskrise. Ein Stimmungsbericht.

https://p.dw.com/p/2eDt
Große Plakate, kleine ErwartungenBild: AP

Es ist Mittagszeit im Zentrum von Skopje. Nur wenige Tage vor den Parlamentswahlen herrscht ein buntes Treiben. Die Herbstsonne vermittelt eine fröhliche Stimmung. Doch die meisten Menschen hier haben Geldsorgen, keinen Arbeitsplatz. Mazedonien hat mit vielfältigen Problemen zu kämpfen: Arbeitslosigkeit, Korruption, Kriminalität und Armut. Die Meisten haben wenig Hoffnung, dass die Wahlen daran etwas ändern werden. So auch die Menschen, die auf dem Markt im Zentrum von Skopje Waren anbieten. Hier versuchen Mazedonier, Albaner, Türken und andere - einige legal, andere illegal - etwas Geld zu verdienen.

"Es lohnt sich zur Wahl zu gehen"

Einen festen Arbeitsplatz, eine sichere Existenz, Frieden, bessere Lebensbedingungen - das wünschen sich alle. Dass ihnen das fehlt - dafür machen sie die Politiker verantwortlich. Das Misstrauen bei den meisten sitzt tief. Dass alle Politiker Lügner seien ist die häufigste Aussage. Vor allem für den Krieg der vergangenen Jahren machen sie die Politiker verantwortlich. Hier auf dem Markt gäbe es keine Probleme unter den Menschen verschiedener Nationalitäten, meint eine Frau. "Das Zusammenleben hier ist gut. Bis jetzt hatten wir keine Probleme," sagt sie. Wem sie ihre Stimme gibt, will die Frau nicht sagen. Andere sind nicht so zurückhaltend: "Es lohnt sich, zur Wahl zu gehen", meint ein Mann mittleren Alters. "Von der neuen Regierung, die kommen wird, erwarte ich, dass alles besser wird. Ich werde für die Sozialdemokraten von Branko Crvenkovski meine Stimme geben."

Der 39-jährige SDSM-Vorsitzende Branka Crvenkovski führt die Koalition "Gemeinsam für Mazedonien" an. Sie liegt in allen Umfragen vorn. Zusammen mit der Liberal-Demokratischen Partei und den Parteien der Türken, der Serben, der Roma, der Vlachen, der Bosniaken, bemüht sich Crvenkovski, das verlorene Vertrauen als Regierungschef vor vier Jahren wiederzugewinnen. Er sagt, er habe in den vergangenen Jahren auf der Oppositionsbank die Bedürfnisse der Bevölkerung kennen gelernt. Für die Armut und die Arbeitslosigkeit macht Crvenkovski die Regierung von Premierminister Ljubco Georgievski verantwortlich und bezeichnet sie als Hauptgenerator für die Kriminalität und für die Korruption im Lande.

"Die vorher waren noch schlechter"

Ein Regierungswechsel zu Gunsten der Sozialdemokraten ist für viele Voraussetzung, soll es dem Land wieder besser gehen. Andere bleiben ihrer Entscheidung der letzten Wahl treu. So auch ein älterer Herr, der sich für die regierende Partei entscheidet, auch wenn er seine Unzufriedenheit nicht verbergen kann: "Unsere Stimme geben wir der VMRO. Sie hat gute und schlechte Seiten. Aber die, die vorher an der Regierung waren, waren noch schlechter. Wir erwarten Verbesserungen." Seine Frau berichtet verbittert, dass keiner in der Familie eine Arbeit habe. Auch sie betont, dass das Volk nicht schuld sei an der Misere. Es würde manipuliert von denen, die sich durch Konflikte bereichern wollten.

Unbestechlicher TV-Star

In gleicher Weise argumentiert ein junger Albaner: "Wir wollen uns nicht streiten, wir wollen endlich eine Arbeit haben." Er will seine Stimme keiner albanischen Partei geben, sondern einem TV-Star, der unabhängiger Kandidat ist. Er sei jung, habe viel Geld und sei nicht bestechlich - daher könnte er viel für die jungen Leute tun. Gefragt, ob er sich in Mazedonien unterdrückt fühle, schaut der junge Albaner um sich und weiß nicht so recht, welche Antwort er geben soll. Die, die er für die hiesigen Medien hat, oder die zurechtgemacht ist für ausländische Journalisten.