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Alltag statt Terrorangst

21. November 2010

Seitdem der deutsche Innenminister eine Terrorwarnung herausgegeben hat, wird über Anschläge spekuliert. Passiert ist noch nichts. Und die Bürger reagieren eher gelassen und resigniert statt hysterisch und frustriert.

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Bundespolizisten patroullieren in Köln (Foto: dpa)
Bundespolizisten am Kölner HauptbahnhofBild: picture alliance/dpa

Männer mit Maschinenpistolen bahnen sich ihren Weg durch den Kölner Hauptbahnhof. Niemand reagiert. Dabei sind Polizisten mit Maschinenpistolen hier ein äußerst seltener Anblick. Er soll Terroristen abschrecken und den Bürgern signalisieren: Wir haben alles im Griff. Manche Passanten finden das gut, auch wenn die meisten der Meinung sind, dass ein Polizeibeamter mit seiner Maschinenpistole wenig machen könne, wenn ein Terrorist seinen Rucksack in die Luft jage.

Zu diffus, um Angst zu machen

Blick auf den Kölner Dom (Foto: AP)
Hektik wie immer auf der DomplatteBild: AP

Die Beamten erzählen, dass sie seit der offiziellen Terrorwarnung öfter als sonst auf herumstehendes Gepäck oder auf Personen, die sich "verdächtig" verhalten, aufmerksam gemacht werden. In der Haupthalle sprechen Polizisten Reisende mit arabischem Aussehen an und kontrollieren ihre Ausweise. Ansonsten herrscht hektisches Treiben wie immer. Der Grundtenor der Reisenden ist: Man kann sowieso nichts machen. Wenn es passiert, passiert es.

Auch auf dem öffentlichen Platz rund um den Kölner Dom tummeln sich die Touristen wie sonst auch. Eigentlich ist die Domplatte wie der Bahnhof ein Ort, von dem man annehmen könnte, er sei ein ideales Ziel für mögliche Anschläge: wuselig, unübersichtlich, symbolträchtig und fast immer voller Menschen. Aber wer will schon um die Domplatte herumlaufen oder überall hin mit dem Auto fahren, aus reiner Vorsicht, es könne eventuell etwas passieren? Die Warnung sei ihnen viel zu unkonkret, um ihr Verhalten zu ändern, sagen viele. "Solange die Regierung nicht sagt, meiden Sie die Domplatte am Sonntagnachmittag, wir haben Hinweise es könnte etwas passieren, laufe ich auch weiter hier entlang", sagt ein junger Mann. Er wolle sich weder von Terroristen noch von der Regierung gängeln lassen.

Wer, wann, wo weiß niemand

Auf dem Bonner Weihnachtsmarkt ist die Stimmung entspannt bis trotzig. Wenn, dann werde eher in Berlin als in Bonn etwas passieren, sagen einige. Andere vertrauen auf die Sicherheitsmaßnahme der Polizei. Manche trinken sich ein eventuell vorhandenes Unwohlsein mit Glühwein weg. Es gibt eben keine Antworten auf die großen Ws: Wer? Wann? Wie? Wo? Werde ich zufällig in der Nähe sein? Deshalb gibt es auch unterschiedliche Meinungen dazu, ob es sinnvoll ist, dass die Regierung eine offizielle, aber eher unkonkrete, Terrorwarnung herausgibt.

Eine Frau trinkt Glühwein (Foto: dpa)
Glühwein statt PanikBild: picture-alliance/Bildfunk

Und es gibt diejenigen, die denken, die Regierung wolle mit Terrorwarnungen von umstrittenen politischen Themen ablenken - oder Zustimmung zu strittigen Aktionen wie der Vorratsdatenspeicherung erreichen. Aber Aufregung oder Hysterie spürt man nirgends. Und ein Besucher aus Afghanistan, der eine Woche lang in Bonn an einer Konferenz teilnimmt, sagt, er sei ganz froh, für eine Weile in Deutschland zu sein, denn in Afghanistan explodiere jeden Tag irgendetwas. Er fühle sich in Deutschland sehr sicher. Terrorgefahr ist eben relativ.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Thomas Grimmer