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Alphonso Davies - wer ist das Wunderkind?

Tobias Oelmaier | Chuck Penfold
26. Juli 2018

Talente statt aberwitzige Ablösesummen: Der FC Bayern verpflichtet mit Alphonso Davies einen Hoffnungsträger mit spannender Vita. Jetzt muss sich der Kanadier nur noch durchsetzen.

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Alphonso Davies
Bild: imago/ZUMA Press/H. C. Smith

Gerade mal 15 Jahre und acht Monate alt war Alphonso Davies, als er für die Vancouver Whitecaps im Juli 2016 sein Debüt in Major League Soccer gab. Auch wenn die nordamerikanische Profiliga nicht mit den Top-Ligen in Europa mithalten kann - bemerkenswert ist diese Marke dennoch. Und für Davies, den Linksaußen mit dem eingebauten Turbo und dem trickreichen Dribbling, sollte es nicht der letzte große Schritt gewesen sein. Denn am vergangenen Mittwoch gab Rekordmeister Bayern München seine Verpflichtung bekannt. Allerdings muss sich der Bundesligist noch bis Januar gedulden, ehe Davies fest an die Isar kommt - solche Transfers sind erst ab 18 Jahren möglich. Denn Davies feiert erst am 2. November seinen 18. Geburtstag. In München soll er zunächst in der zweiten Mannschaft in der Regionalliga Erfahrungen sammeln, aber im Training auch Profi-Luft schnuppern.

Davies' noch sehr kurze Karriere ist gezeichnet von Rekorden: Er ist der jüngste Spieler, der je einen Vertrag in der unterklassigen United Soccer League (USL) unterzeichnet hat. Er ist mit 15 Jahren und sechs Monaten der Jüngste, der in der Geschichte der USL ein Tor erzielt hat. Er ist der jüngste Spieler, der in der kanadischen Nationalmannschaft debütiert hat. Beim Freundschaftsspiel am 13. Juni 2017 gegen Curacao war er gerade einmal 16 Jahre alt.
International ging sein Stern beim Gold Cup 2017 in den USA auf. Bei der Kontinentalmeisterschaft für Nord- und Mittelamerika und die Karibik traf Davies beim 4:2-Sieg Kanadas gegen Französisch-Guayana gleich zweimal. Damit war er - wie sollte es anders sein? - der jüngste Torschütze in der Geschichte des Turniers. Seine drei Tore machten ihn auch gleich zum Torschützenkönig, er wurde zum besten Nachwuchsspieler ernannt und landete auch gleich in der Top-Elf - und das, obwohl Kanada bereits im Viertelfinale gegen Jamaika ausgeschieden war. Erstaunliche Bestmarken, die von einer großen Zukunft zeugen könnten.

Geboren im Flüchtlingslager

Wenige Wochen vorher hatte Davies noch gar keinen kanadischen Pass. Bis dahin war er ein liberianischer Staatsangehöriger, geboren in einem Flüchtlingslager in Ghana, wohin seine Eltern während des zweiten liberianischen Bürgerkrieges geflohen waren. Als er fünf Jahre alt war, gewährte Ottawa Davies Familie den Flüchtlingsstatus, und sie zogen nach Kanada und ließen sich schließlich in Edmonton nieder. So kam es, dass er bis zur Erlangung der Staatsbürgerschaft nur in Freundschaftsspielen der kanadischen Nationalmannschaft eingesetzt werden konnte und er es bisher "nur" auf sechs Länderspiele bringt.

In der MLS ist der Offensivmann dagegen kaum noch wegzudenken aus der Elf der Vancouver Whitecaps. Längst hat er die Marke von 50 Einsätzen überschritten, allein in dieser Saison hat er schon drei Tore und acht Assists in 20 Spielen erzielt. Und doch werden sie bald auf ihn verzichten müssen, wenn Davies im Winter für laut Medienberichten bis zu 19 Millionen Euro (zehn Millionen Euro Ablösesumme plus bis zu neun Millionen Euro Bonuszahlungen) zum FC Bayern geht. Kein Wunder, dass sie bei den Vancouver Whitecaps in der Major League Soccer schon jetzt ihrem Jungstar nachtrauern. "Fußballerisch ist er bereit. Er ist bereit zu gehen und sich zu entwickeln", sagte Vancouver-Trainer Carl Robinson einem Gedränge von Reportern beim Training am vergangenen Dienstag. "Er hat das richtige Alter. Ich nenne ihn einen Schwamm. Er saugt Informationen regelrecht auf", lobt der ehemalige walisische Nationalspieler seinen Jungstar. "Er wird zu einem Klub gehen, wo sie taktisch, technisch, physisch und mental die besten Leute der Welt haben. Sie werden ihn in jeder Lebenslage unterstützen. Das braucht er als junger Spieler. "

Hargreaves als Vorbild

Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic erwartet große Dinge: "Mit seinen 17 Jahren hat er eine strahlende Zukunft vor sich", sagte er bei Davies Vorstellung am Mittwoch. "Alphonso ist sehr talentiert und es ist keine Überraschung, dass viele andere Top-Klubs hinter ihm her waren." Teamkollegen bezeichnen Davies als durchaus reifer, als es seine Jugend vermuten ließe. Und im Umfeld der Whitecaps und der MLS ist man sich ohnehin sicher, dass dieser junge Kanadier alles hat, um in einer europäischen Top-Liga zu bestehen. Whitecaps-Präsident Bob Lenarduzzi etwa kann, wie er sagt, keine Limits für Davies erkennen.

Bislang konnten sich nur wenige Talente aus Nordamerika auch dauerhaft in Europa behaupten. Davies Landsmann Owen Hargreaves, Champions-League-Sieger mit den Münchenern 2001, bildet eine rühmliche Ausnahme. Bayern nimmt nun dem Vernehmen nach durchaus etwas Geld in die Hand, um ihn an sich zu binden. Die Gesamtsumme von 19 Millionen Euro ist für einen 17-Jährigen viel, im Vergleich zu den Investitionen der internationalen Konkurrenz jedoch nicht zu viel. Dennoch ist die Summe zu Beginn der Karriere von Davies eine schwere Hypothek auf den Schultern des jungen Mannes. Bislang hat Alphonso Davies aber alle Herausforderungen in seinem fußballerischen Leben mit Bravour gemeistert. Und das oft schneller als von ihm erwartet. Auch in München hofft man auf einen schnelle Anpassungsphase. Die Planstelle auf Linksaußen beim FCB dürfte in einem Jahr frei werden, wenn Franck Ribery in Rente geht. Dann soll Davies Stunde schlagen.