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Taktieren bis zum Ende

Natalie Huet, Jens Hack (rtr)17. Juni 2014

Nachdem Siemens und Mitsubishi und der Konkurrent GE ihre Angebote für den französischen Industriekonzern Alstom abgegeben haben, spielt die französische Regierung ihre Joker aus.

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Joe Kaeser mit Shunichi Miyanaga
Bild: Reuters

Frankreich heizt den Bieterkampf um Alstom weiter an. "Die Gespräche zwischen dem Staat und den Unternehmen werden diese Woche fortgesetzt", hieß es von einem Insider aus Präsident Francois Hollandes Büro in Paris am Dienstag. "Die Angebote müssen aufgebessert werden." Die Bewerber Siemens und Mitsubishi Heavy Industrie einerseits und General Electric andererseits reagierten kühl auf die Forderung. Siemens-Chef Joe Kaeser und MHI-Chef Shunichi Miyanaga hatten zuvor im Elysee-Palast persönlich für ihre am Montagabend präsentierte Offerte geworben, mit der das deutsch-japanische Duo den US-Konkurrenten im Rennen um die französische Industrie-Ikone ausstechen will.

Siemens und Mitsubishi Heavy Industrie wollen das 12,4 Milliarden Euro schwere GE-Angebot mit einem komplexen Gegenentwurf kontern. Während sich MHI an Alstom direkt und mehreren Sparten beteiligen will und 3,1 Milliarden Euro an Bargeld mitbringt, will sich Siemens allein die Gaskraftwerkssparte für 3,9 Milliarden Euro einverleiben – ohne Anteile an Alstom zu erwerben. Die beiden Partner locken zudem mit 1000 neuen Stellen sowie 1000 neuen Ausbildungsplätzen in Frankreich. GE bietet für die gesamte Energietechnik und hat ebenfalls 1000 neue Jobs vor Ort zugesichert.

Francois Hollande nach dem EU-Gipfel in Brüssel
Er würde gerne mehr für Alstom rausholen - Frankreichs Präsident HollandeBild: picture-alliance/dpa

Kalt erwischt?

Kaeser wurde von der Forderung aus dem Elysee-Palast nach einer Aufstockung des Angebots kalt erwischt. Sie drang an die Öffentlichkeit, noch während er mit Miyanaga seine Offerte nach Treffen mit Gewerkschaften und Hollande den französischen Medien erläuterte. "Herr Hollande hat das nicht erwähnt. Vielleicht hat er sich inzwischen eine Meinung gebildet", sagte Kaeser. Der Siemens-Chef reagierte reserviert. "Es gibt derzeit keinen Grund, über ein besseres Angebot zu diskutieren", sagte er. "Warum sollte man ein überlegenes Angebot aufbessern, wenn es ohnehin überlegen ist?"

Auch in den USA erscheint die Lust auf eine politisch befeuerte Bieterschlacht gedämpft. Man wolle keine Preistreiberei bei der Bewertung, erklärte GE. Die Gespräche mit der Regierung dauerten an. Insidern zufolge sind die Amerikaner allerdings zu Zugeständnissen bereit. Demnach wolle GE den Zugang zur Nukleartechnologie sowie der Wind- und Wasserkraft für die Franzosen offen halten. Für das ursprünglich ausgeklammerte Zuggeschäft sei eine Stärkung Alstoms denkbar.

Spiel mit Frankreichs Stolz

Das GE-Gebot läuft noch bis Montag. Alstom-Großaktionär Bouygues hatte erklärt, die Empfehlung des Alstom-Verwaltungsrats zu unterstützen. Das Management der Franzosen schweigt bislang zu den Vorschlägen. Die Alstom-Aktie gab am Dienstag zwei Prozent nach, die von MHI gut ein Prozent, während die Siemens-Titel nahezu unverändert notierten.

Vor der Pariser Presse rührte Kaeser die Werbetrommel für den gemeinsamen Vorschlag mit den Japanern. "Wir erhalten eine stolze Ikone Frankreichs und machen sie sogar noch stärker", rief er. "Wir werden dieses stolze Unternehmen nicht zerlegen." Zudem bot er Alstom die Aussicht, mit der Siemens-Zugsparte künftig einen europäischen Eisenbahn-Champion unter französischer Federführung zu formen. Für die Belegschaft der Gasturbinensparte sagte er eine dreijährige Jobgarantie zu, alle Vergünstigungen gelten fort oder würden verbessert. MHI-Chef Miyanaga versuchte Bedenken zu zerstreuen, es könnte Probleme mit den Gewerkschaften geben. "Wir sind sehr freundlich. Wir respektieren die französische Art."

Geteilte Meinungen an der Börse

Der Kapitalmarkt reagierte recht positiv auf den Vorstoß von MHI und Siemens. Analyst Ingo-Martin Schachel von der Commerzbank nannte das Angebot interessant. "Finanziell sieht es leicht attraktiver aus als das Angebot von GE, aber es hat auch eine höhere Komplexität", sagte er. "Für Siemens-Aktionäre ist das Angebot auf jeden Fall vertretbarer als ein Zukauf des gesamten Energie-Geschäfts von Alstom, da die Risiken jetzt minimiert sind." Jasko Terzic von der DZ-Bank lobte die Konstruktion. "Das Angebot ist aus unserer Sicht attraktiv für beide, Alstom und Siemens: Siemens könnte sein Gasturbinengeschäft stärken, Siemens könnte sich vom Bahngeschäft trennen und es begrenzt den Liquiditätsabfluss", urteilte er. Alstom erhalte im Gegenzug Barmittel, um sein Restgeschäft zu stärken und zugleich werde Frankreichs Interesse an der Rettung von Arbeitsplätzen entsprochen.

Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment lobte Siemens: "Das ist ein eleganter Schachzug von Herrn Kaeser." Das Gasturbinengeschäft sei die Rosine von Alstom. "Entweder bekommt man die Rosine aus dem Portfolio zu einem angemessenen Preis, oder man kann sich elegant aus der Affäre ziehen." Die komplexere Struktur berge allerdings Unwägbarkeiten, warnen die Analysten. Der Deal sei industriell schwieriger umzusetzen, warnte Arnaud Schmit von Natixis. "Wir sind skeptisch. MHI bringt keine eigenen Teile ein und schlägt eine komplizierte Lösung vor, die für die Japaner mehrere Minderheitsbeteiligungen vorsieht. Dabei bleibt Mitsubishi weiterhin ein Konkurrent für Alstom", sagte Tangi Le Liboux von Aurel BGC. "Das GE-Gebot hat den Vorteil, klar und kohärent zu sein, was die Alstom-Spitze würdigen dürfte. Das MHI-Siemens-Angebot zielt hingegen darauf, die Regierung für sich zu gewinnen, nicht den Alstom-Vorstand."