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Alte Kartoffelsorten

Friedemann Borchert29. Januar 2016

Während alte Obst- und Gemüsesorten zu verschwinden drohen, erleben alte Kartoffelsorten eine Renaissance. Sie bestechen durch einen intensiven Geschmack, tolle Farben und ungewöhnliche Formen.

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Alte bunte Kartoffelsorten. (Foto: DW / F. Borchert)
Alte Kartoffelsorten sind häufig bunt und ungewöhnlich geformt.Bild: DW/F. Borchert

Morgens um sieben Uhr klappt Michael Leers die Läden seines Verkaufsstandes hoch und gibt den Blick frei auf seine Auslagen. Es sind Kartoffeln - über einhundert Sorten. Exoten aus ganz Europa, die der 56-jährige Händler auf dem Wochenmarkt des Düsseldorfer Carlsplatzes präsentiert. Ein Eldorado für Kartoffelfans. "Wir bieten diese Exoten jetzt im zweiten Jahr an und die Reaktion ist überwältigend. Viele kommen immer wieder und probieren sich durch. Die große Resonanz hatten wir nicht erwartet", sagt Leers.

Eine ältere Kundin verlangt nach der Moor-Sieglinde - eine der wenigen alten Sorten, die heute noch sehr populär sind. Nahezu unbekannt dagegen: die Mecklenburger Schecke - die überwiegend blaue Schale ist gelb gescheckt. Der Blaue Schwede hat violettfarbenes Fruchtfleisch - beim Kochen wird es blau. Die Schwarze Ungarin: Stammt aus Ungarn, hat eine lila-schwarze Schale und ist innen fast weiß. "Wichtig für eine Kartoffel", sagt Leers, " ist auch ein guter Name." Vor allem deswegen finde zum Beispiel die Kartoffel mit dem Namen Reichskanzler etliche Abnehmer. Sie war entstanden in Zwickau um 1885 - Bismarck war zu dem Zeitpunkt erster Reichskanzler des Deutschen Reiches.

Kartoffelstand auf dem Düsseldorfer Carlsplatz. (Foto: DW / F. Borchert)
Der Kartoffelstand auf dem Düsseldorfer Carlsplatz bietet über einhundert Sorten an. Darunter sehr viele alte.Bild: DW/F. Borchert

Auf Dauer überzeuge aber der intensive Geschmack alter Sorten, so Leers. Viele fallen zunächst optisch aus dem gewohnten Rahmen. Einige sind rosa-weiß gescheckt, andere innen rosa oder gar rot gefärbt. Viele eher knubbelig oder länglich gestreckt. Zum Schälen sind sie oft zu klein. "Die alten Kartoffelsorten kocht man am besten mit Schale ", sagt Leers. "Danach pellt man sie, oder isst sie auch mit Schale."

Kartoffeln gedeihen auch auf mageren Böden

Kartoffelhändler Michael Leers packt alte Kartoffelsorten ab. (Foto: DW / F. Borchert)
Kartoffelhändler Michael Leers freut sich über die positive Resonanz der KundenBild: DW/F. Borchert

Kartoffeln waren über Jahrhunderte eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel für die Deutschen. Sie lieferten auch auf mageren Böden noch gute Erträge, zum Beispiel auf Moorböden der Heide. Noch vor hundert Jahren dominierten viele regionale, besonders gut ans jeweilige Klima angepasste Sorten den Markt - bis überregionale Einheitssorten sie nahezu ganz verdrängten.

Inzwischen ändert sich die Lage. Das Interesse von Konsumenten an alten Kartoffelsorten wächst. Ein Trend, der auch in diversen Online-Shops seinen Niederschlag findet. Und was viele Kunden kaufen, bleibt auch erhalten. Die alten Sorten überlebten in der Vergangenheit allein deswegen, weil ein paar wenige Kleinbauern und Hobbygärtner sie Jahr für Jahr in den Boden pflanzten. Die Knollen konnte man nicht für längere Zeit aufbewahren, erst moderne Labormethoden machten das möglich.

Kartoffel-Genbanken sichern den Bestand

Die größte Kartoffel-Genbank besitzt hierzulande die Groß Lüsewitzer Kartoffel-Sortimente (GLKS) in Mecklenburg. Ihre Aufgabe: rund 2600 "Muster" für die Nachwelt zu sichern - eingelagert in Reagenzgläsern oder gefroren in flüssigem Stickstoff. Davon kommen jährlich rund 500 Sorten auch nach draußen auf den Acker, unter anderem, um die Raritäten wieder unters Volk zu bringen. Was anschließend geerntet wird, können auch Privatpersonen beziehen - kostenlos.Rund 200 Sorten hat die GLKS aktuell abzugeben, darunter die Odenwälder Blaue von 1908, die Vogtländische Blaue - Alter unbekannt- und Sirius von 1886.

Das Internationale Kartoffelzentrum in Lima, Peru, hat noch mehr als die GLKS in seinen Genbanken gesichert: über 5000 Kartoffelsorten, viele davon aus den Anden, der Heimat der Kartoffel. Nirgends ist die Farben- und Formenvielfalt größer als dort. Und einige der uralten Anden-Kartoffeln besitzen Resistenzen, die sie für europäische Züchter interessant machen. Sie kreuzen sie ein, um die gewöhnlichen Supermarkt-Kartoffeln unempfindlicher zu machen. Aber bunte Farben und ungewöhnliche Formen sucht man im Kartoffel-Mainstream bisher vergebens.

Neue bunte Kartoffelsorten

Neuere bunte Kartoffelsorten (Foto: DW / F. Borchert)
Drei bunte Neuzüchtungen. Im Uhrzeigersinn: Rosaroter Panther, Rote Emmalie, Violetta.Bild: DW/F. Borchert

Diese Lücke hat der niedersächsische Biobauer Karsten Ellenberg erkannt. Auch er kreuzt resistentere südamerikanische Sorten mit unseren heimischen und hat inzwischen ein paar seiner Züchtungen amtlich registrieren lassen: Roter Panther, Rote Emmalie und Violetta zum Beispiel. Schale und Fruchtfleisch sind jeweils in den namensgebenden Farben. Gerade für Biobauern sind unempfindliche Sorten besonders wichtig, weil es nicht viel gibt, was sie spritzen dürfen. Auch der Düsseldorfer Markthändler Michael Leers hat die neuen Bunten von Karsten Ellenberg im Sortiment. Er empfiehlt, mal eine Mischung vieler bunter Kartoffeln in der Pfanne zu braten. Geschmacklich und optisch sei das ein echter Genuss.