1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

Die belarussische Bauwagen-Botschaft

Jeanna Krömer | (Adapt.:Markian Ostaptschuk)
16. November 2020

In Berlin haben Aktivisten gegenüber der offiziellen belarussischen Botschaft eine alternative Landesvertretung organisiert, in einem Bauwagen. Wie kam es dazu? Eine DW-Reporterin war vor Ort.

https://p.dw.com/p/3lCtE
Taras Siakerka hat die alternative Botschaft von Belarus in Berlin initiiert
Taras Siakerka hat die alternative Botschaft von Belarus in Berlin initiiertBild: Jeanna Krömer/DW

Vis-a-vis, auf der gegenüberliegenden Straßenseite der belarussischen Botschaft in Berlin steht ein Bauwagen aus Holz. Daran ist ein sechs Meter hoher Fahnenmast befestigt, an dem eine weiß-rot-weiße Flagge weht: das Symbol der Proteste in Belarus. In Berlin lebende belarussische Aktivisten haben den Bauwagen aus hellen Brettern mit Flachdach zur alternativen Botschaft der freien und demokratischen Republik Belarus in Deutschland erklärt. Während der letzten knapp zwei Monate haben sie hier mehr als 40 Aktionen veranstaltet, um sich mit den Demonstranten in ihrer Heimat zu solidarisieren.

Wie die Aktivisten an den Bauwagen kamen

Die alternative Botschaft ist einem glücklichen Zufall und der Initiative von Taras Siakerka zu verdanken, einem der Mitorganisatoren der Protestaktionen in Berlin. Der aus dem belarussischen Gomel stammende Berliner lächelt und erzählt, dass er während der Präsidentschaftswahlen und danach eine längere Zeit in Belarus verbracht habe. Gewählt habe er auch, und dann an den Protesten gegen die Wahlfälschung durch das Lukaschenko-Regime teilgenommen. Zurück in Berlin war er noch immer "angesteckt von der belarussischen Atmosphäre". Auch in Deutschland wurde er aktiv: Er harrte zunächst täglich mehrere Stunden mit einem Plakat vor der belarussischen Botschaft aus, auf dem geschrieben stand: "Hup für die Freiheit in Belarus".

Der Bauwagen ist Treffpunkt für Aktivisten, die die Proteste in Belarus unterstützen
Der Bauwagen ist Treffpunkt für Aktivisten, die die Proteste in Belarus unterstützenBild: Jeanna Krömer/DW

Der Ort der Aktion, in der Nähe des Treptower Parks, ist weit vom Zentrum Berlins und seinen belebten Straßen entfernt. Doch Taras sagt, die Straße habe drei Fahrspuren, die in eine Richtung führen, daher hätten viele Autofahrer sein Plakat gesehen. "Sie wussten nichts über den für die Belarussen schon fast alltäglichen Protest. Doch sie sahen das Plakat und begannen im Vorbeifahren immer öfter zu hupen", berichtet er.

Eines Tages kam ein junger Mann auf Taras zu und sagte, er unterstütze seine Aktion. Er besitze einen Bauwagen, der schon seit einem halben Jahr vor der belarussischen Botschaft geparkt sei, fügte er hinzu. Taras bat ihn spontan, den Bauwagen nutzen zu dürfen. Die beiden wurden sich schnell einig. 

Jetzt hängen an dem Bauwagen Plakate, Flugblätter in verschiedenen Sprachen, Fotos, die von der Gewalt der Sicherheitskräfte gegen Belarussen zeugen, sowie Infos über Organisationen, die Geld für Familien von Demonstranten und Opfern sammeln. Im Innern des Wagens werden Banner und Fahnen aufbewahrt, die von den Aktivisten bei ihrem Protest genutzt werden.

Wie sich die offiziellen Diplomaten verhalten

Die Aktivisten sagen, dass die offizielle belarussische Botschaft keine nennenswerte Reaktion auf ihre neuen Nachbarn zeige - weder eine positive noch negative. Die Organisatoren der alternativen Botschaft schließen aber nicht aus, dass die belarussischen Geheimdienste versuchen, sie von dort zu vertreiben. Denn nachdem der Bauwagen zu einem Informationszentrum der belarussischen Diaspora geworden war, begannen sich plötzlich "anonyme Kunden aus dem Internet" für den Bauwagen zu interessieren. Sie versuchten einige Zeit lang beharrlich, den Bauwagen beim Besitzer zu mieten.

Weißrussische Botschaft in Berlin
Die diplomatische Vertretung von Belarus ignoriert die AktivistenBild: DW/N. Jolkver

Auf einem der Plakate an der Wand des Bauwagens klebt ein Foto des derzeitigen Botschafters der Republik Belarus in Deutschland, Denis Sidorenko. Darunter steht "Gefeuert". Die Aktivisten sind unzufrieden damit, dass er und seine Kollegen immer noch schweigen, was als Loyalität gegenüber dem diktatorischen Regime in Belarus verstanden wird. Veranika Kruhlova, eine der Teilnehmerinnen der Aktion, sagt, am besten wäre es, wenn die Mitarbeiter der offiziellen Botschaft von Belarus sich an die Seite des belarussischen Volkes stellen würden, so wie es der Botschafter von Belarus in Argentinien getan habe.

Die alternative belarussische Botschaft ist täglich geöffnet. Auf die Frage, ob die Aktivisten in Form einer Kunstaktion zum Beispiel alternative Visa und Pässe ausstellen würden, zwinkert Taras Siakerka und sagt: "Wir werden auch noch Trauungen durchführen!"