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Alzheimer - ein sozialpolitisches Problem

9. Mai 2011

Der Freitod des an Alzheimer erkrankten Gunter Sachs hat den Umgang mit dieser unheilbaren Krankheit in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Denn trotz steigender Krankenzahlen fehlen ausreichende Hilfsangebote.

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Die Diagnose der Krankheit ist schwierig, da die Symptome uncharakteristisch sind und normalen Alterserscheinungen ähneln. Am Anfang stehen Gedächtnisstörungen, später kommen Orientierungsstörungen, Unruhe, Sprachstörung, Störung von Handlungs- und Bewegungsabläufen hinzu. Am Ende der Alzheimer'schen Krankheit stehen der völlige Verfall der Persönlichkeit und absolute Pflegebedürftigkeit. (Foto:dpa)
Mehr als eine Million Menschen leiden unter der Alzheimer Krankheit - Tendenz steigend.Bild: picture-alliance / dpa

Er habe in den letzten Monaten erkannt, dass er an der unheilbaren und damit "ausweglosen" Alzheimer-Krankheit erkrankt sei. Diese "Bedrohung" habe ihm schon immer als "einziges Kriterium" gegolten, seinem "Leben ein Ende zu setzen". Mit diesen Worten verabschiedete sich der ehemalige Edel-Playboy Gunter Sachs aus dem Leben.

Archivfoto. Gunter Sachs mit Fotokamera (Foto: dpa)
Gunter Sachs: "Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten."Bild: picture-alliance/dpa

Störungen des Kurzzeitgedächtnisses

Gunter Sachs ist 79 Jahre alt geworden. Er litt unter den typischen Symptomen einer Krankheit, unter der in zunehmendem Alter immer mehr Menschen leiden. Dabei handelt es sich nicht um Vergesslichkeit, sondern um nachhaltige Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder der Orientierung in eigentlich bekannter Umgebung.

Die Erkrankungszahlen sagen einen klaren Trend voraus: Da die Menschen immer älter werden und Alzheimer eine typische Alterskrankheit ist, werden in Zukunft immer mehr Menschen an ihr erkranken. Die Patienten sind auf individuelle Hilfe angewiesen. Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, plädiert deshalb für mehr organisierte Hilfe schon im Frühstadium der Krankheit, in der die Erkrankten zu Hause bleiben können.

Portait von Heike Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. (Foto: DAG)
Heike von Lützau-Hohlbein: "Wir brauchen mehr individuelle Hilfe im Frühstadium der Krankheit."Bild: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.

Über eine Million Alzheimer-Patienten

Das Ausmaß der Krankheit ist erschreckend: Bei den 65-Jährigen sind derzeit rund zwei Prozent erkrankt, bei den 70-Jährigen schon drei Prozent. Der Prozentsatz verdoppelt sich bei den 75-Jährigen und erreicht bei den 85-Jährigen 20 Prozent. Danach nimmt er wieder ab, weil die bis dahin Erkrankten selten dieses Alter erreichen. Insgesamt sind derzeit mehr als eine Million Menschen erkrankt, bis zum Jahr 2050 könnten es 2,6 Millionen sein. Lützau-Hohlbein fordert deshalb von den politisch Verantwortlichen, dass Demenzerkrankungen als Grund für die Einordnung in die Pflegestufen anerkannt werden.

Problem der Finanzierbarkeit eines Pflegeplatzes

Etwa zwei Drittel der Patienten werden zu Hause von ihren Angehörigen betreut. Die anderen sind auf Pflegeplätze angewiesen. Erkenntnisse der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zeigen, dass der Anteil der Patienten deutlich zunimmt, deren Krankheitsbild derart stark ausgeprägt ist, dass eine häusliche Pflege nicht mehr in Frage kommt. Auf die Angehörigen dieser schwerkranken Menschen kommt nun das Problem der Finanzierbarkeit eines Pflegeplatzes zu.

Durchschnittlich liegen die Pflegekosten zur Zeit bei 2700 Euro pro Monat. Das ist für viele unbezahlbar. "Dann werden die Kinder zur Kasse gebeten und wenn die auch nicht bezahlen können, dann bleibt nur die Sozialhilfe," so Heike von Lützau-Hohlbein. Sie fordert deshalb mehr Hilfe für die Betroffenen in deren zu Hause und mehr spezielle Betreuungsmodelle.

Alternativen

Patienten der "Villa Hittorf", einer Wohngemeinschaft für demenzkranke Senioren in Münster bei der Zubereitung des Mittagessens. In dem denkmalgeschützten Haus hat jeder der Bewohner ein eigenes Zimmer, eingerichtet mit seinen eigenen Möbeln. Von einem Pflegedienst werden die Patienten je nach Bedarf notfalls rund um die Uhr verpflegt. (Foto:dpa)
Bewohner einer Wohngemeinschaft für Demenzerkrankte bereiten gemeinsam ein Mittagessen vor. In einer derartigen Hausgemeinschaft sind die Pflegekosten rund 30 Prozent niedriger als in Pflegeheimen.Bild: picture alliance/dpa

Die Alzheimer Gesellschaft Hamburg bietet Betreuungsangebote, die den Aufenthalt in einem Pflegeheim möglicherweise hinauszögern. Neben der häuslichen Einzelbetreuung und Betreuungsgruppen für Erkrankte werden Tagestreffs für Menschen mit beginnender Demenz, ein Klönkaffee für Angehörige und Erkrankte und betreute Urlaube angeboten.

Von Lützau-Hohlbein unterstützt solche Initiativen und fordert, Hilfen für Alzheimer-Erkrankte an deren veränderte Lebenssituation anzupassen. Darüber hinaus müsse die hausärztliche Versorgung verbessert, die Unterstützung für pflegende Angehörige erweitert und der soziale Aufwand bei der Betreuung von Demenzerkrankten durch die Pflegeversicherung übernommen werden.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Arne Lichtenberg