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Am Mann: Jörg Böhme

23. August 2007

Jörg Böhme, Genie wird er genannt oder Wahnsinniger. Nach 12 Jahren Bundesliga und einigen Nationalspielen hat der Mann seinen Ruf weg. Aber was stimmt denn jetzt? Genie? Wahnsinn? Oder gibt es noch was dazwischen?

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Bild: DW-TV

Ab 30. März habt ihr zehn Spiele gespielt und nur zwei Spiele Verloren. Das ist für Bielefelder Verhältnisse eine Sensation. Wie ist das eigentlich zu erklären?

Jörg Böhme:

Ich denke Letztendes hat die Mannschaft begriffen, um was es geht. Wir standen mit dem Rücken zur Wand, also sprich: mit einem Bein in der Zweitklassigkeit. Und dann haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass wir den x-ten Abstieg vermeiden.

Dann kam der neue trainer Ernst Middendorp. Was zecihnet Ihn aus, was hat der mitgebracht?

Jörg Böhme

Er hat versucht, diese positive Arroganz die er besitzt, der Mannschaft zu vermitteln. Und dass wir Fussball spielen können, ist natürlich klar. Aber das wieder umzusetzen, vor allem in dieser schwierigen Situation. Wenn du nich allzu viele Erfolgserlebnisse vorher hattest ist es natürlich schwierig. Da hat er versucht uns starkzureden. Das haben wir dann auf dem Platz umgesetzt.

Ist da irgend etwas zwischen ihnen? Eine besondere Männerfreundschaft?

Jörg Böhme

Ja Männerfreundschaft würde ich nicht sagen. Ich bin jetzt der Spieler, der ihn am längsten kennt. Er hat mich damals aus München geholt. Wir hatten über die Jahre eigentlich immer telefonisch Kontakt irgendwo. Und wir mussten beide schmunzeln, dass wir nochmal zusammenarbeiten können und dürfen.

Matthias Hain

Der ist jemand, der gerade in schwierigen Momenten die Ärmel aufkrempelt und sich nicht ergibt und dann in der Masse untergeht

Andre Mijatovic

Trainer hat gesagt paarmal in Zeitungen: Wenn etwas passiert von Jörg Böhme, dann hat Bielefeld Probleme: Das ist auch meine Meinung.

Ernst Middendorp

Also ich weiss gar nicht, wie ich das bezeichnen soll! Also er hat schon eine Mentalität, die etwas ungewöhnlich war, immer schon: Auch während seiner Zeit, wo er gestartet ist. Auch heute nach wie vor ungewöhnlich ist, man sucht diese Typen, aber es sind nicht mehr so viele zu finden.

Du versuchst ja Fußball, jedenfalls so wie wir es mitbekommen, mit sehr viel Emotionen zu spielen. Und diese Emotionen auf den Platz zu bekommen. Eine gewisse mentale Stärke zu entwickeln. Wie macht man das?

Jörg Böhme

Ja, es gibt Tage da gelingt dir alles und es gibt Tage, wo es weniger gut läuft. Ich versuche es halt so: mich nach vorne zu pushen. Aber wichtig ist, dass die Mannschaft mir vertraut in diesen Dingen. Es nutzt mir nichts, wenn die Mannschaft sagt: ´Der ist ja nur am rumschreien, lass den ruhig erzählen.´ Da kommt nichts bei rum. Ich bin ja nicht der Kasper oder bin da nur permanent am schreien! Ich brauch das für mein Spiel, um meine Kräfte zu bündeln. Und mit 33 wird ich das jetzt auch nicht mehr ändern können.

Geht dir das eigentlich auf die Nerven, dass du immer liest: ´Jörg Böhme: Der pendelt zwischen Genie und Wahnsinn´?

Jörg Böhme

Ich habe mir abgewöhnt, Zeitung zu lesen oder sonst irgendwelche sachen, oder zumindest den Sportteil auszublenden. Das hab ich das letzte mal habe ich vor 4 oder 5 Jahren getan. Damit bin ich die letzten Jahre auch gut gefahren. Aber es gibt Leute die urteilen über dich und schreiben über dich, die dich gar nicht kennen, aber wie gesagt: Mittlerweile ist mir das Wurst, was die schreiben, oder nicht schreiben. Ich kann auch so gut damit leben: Ich versuch hier meine Sachen zu machen und alles andere ist mir eigentlich egal!

Den Grundstock hast du in Jena gelegt und deine Ausbildung da genossen: In der dortigen Fußballschule. Nach meiner Recherche war das 1986, da musstest du 12 Jahre alt gewesen sein. Wie ist das denn so früh nach Jena zu gehen?

Jörg Böhme

Wie gesagt, ja ich hatte, was den Sport betraf, immer super Unterstützung von meinem Elternhaus. Die haben mir da auch alle Türen geöffnet. Und die haben mir das auch genehmigt, dass ich mit 12 Jahren auf die Sportschule deligiert werden konnte.

Mit Bernd Schneider?

Jörg Böhme

Wir sind im Prinzip aufgewachsen zusammen. Ich hab bei ihm auch privat übernachtet, all die Jahre. Bernd kenne ich, seit ich 12 Jahre alt bin. Heut Spielen wir zweimal im Jahr gegeneinander und telefonieren eigentlich regelmäßig: haben uns dann auch in der Nationalmannschaft getroffen. Bernd war immer der Diplomat von uns beiden: Deswegen ist er immer noch in der Nationalmannschaft. Und ich: Ja! Ich spiel bei Arminia Bielefeld!

Wir haben mit Völler gesprochen: Gestern. Und der hat gesagt:

Rudolf Völler

Der Jörg in seiner damaligen Verfassung, vor allem mit seiner Schusskraft, mit seinen wirklich tollen Ideen, die er manchmal hat, durch seine Freistöße, durch seine Eckbälle hätte er sicherlich im Endspiel nochmal helfen können, war aber nicht mehr da, weil er verletzt war.

Jörg Böhme

Tja: Das ist nun mal das Schicksal in unserem Job: Das Verletzungen immer unpassend kommen. In Absprache mit den Ärzten war die Verletzung so schlimm und das Risiko so groß, dass ich Folgeschäden riskiert hätte und wir im Einklang mit den Trainern beschlossen haben eben nach Hause zu fliegen…

Du bist jetzt 33 Jahre alt, man kann ohne Dir zu nahe zu treten sagen: ´Du bist im Herbst deiner Karriere.

Jörg Böhme

End-Herbst

Würdest du sagen: du hast Dein Potenzial als Fußballer ausgeschöpft?

Jörg Böhme

Hypothetische Frage. Wenn ich mir den ein oder anderen Spruch gegenüber Trainern oder Anderen gespart hätte, hätte ich jetzt 50 Länderspiele, würde immer noch bei Schalke spielen. Ich bin mit meiner Karriere zufrieden: mich hatten viele schon abgeschrieben. Ich hab in über 200 Spielen in der ersten Liga bewiesen, dass ich Fußball spielen kann und das man, wenn man will auch mit dem Spieler oder Menschen Jörg Böhme klarkommen kann. Sonst wär ich nicht 5 Jahre auf Schalke gewesen. Bin jetzt hier auch in meinem 4. Jahr in Bielefeld und das in 16 Profijahren. Da kann ich doch recht stolz sein…