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Glaube

Abkehr vom Zölibat, ein bisschen?

26. Oktober 2019

Die Amazonassynode geht in die Schlussphase. Dabei wird noch um Ausnahmen vom bisherigen kirchlichen Kurs gerungen. Konservative Kritiker poltern längst.

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Rom Vatikan Papst Franziskus
Bild: Imago Images/Pacific Press/G. Ciccia

Für die Ordensfrau Birgit Weiler ist eine Botschaft der Amazonassynode längst klar. "Wir dürfen nicht nur schauen: Was können wir aus dem Regenwald rausholen? Wir müssen schauen: Was bringen wir hinein, um ihn zu schützen." Weiler, die aus Duisburg stammt und seit langem in Peru lebt und auch in der Seelsorge unter Indigenen am Amazonas arbeitet, sagt, die Gefährdung des Amazonasraums sei "mit Wucht" bei der am Sonntag endenden Amazonassynode im Vatikan zum Thema geworden. Die Gefährdung der Natur, aber auch die Lebensgefahr für Indigene, für jene, die sich dem Raubbau in der Region widersetzen.

Die deutsche Ordensfrau Birgit Weiler von der Ordensgemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern
Birgit Weiler von der Ordensgemeinschaft der Missionsärztlichen SchwesternBild: DW/C. Strack

Die Amazonassynode, sie ist ein großer globaler kirchlicher Austausch über die dramatische ökologische und auch kirchliche Lage in der Region. Der Papst, 263 Teilnehmer, darunter 185 "Synodenväter", zumeist Bischöfe, zudem 35 Frauen. Die am 6. Oktober begonnene Synode ist auf der Schlussetappe. Nach langen Debatten in der ersten Phase, dann intensiver Gruppenarbeit läuft nun die Erstellung des Abschlussdokuments, das am Samstagnachmittag verabschiedet werden soll. Zum zunächst vorgelegten Entwurf, der Enttäuschung auslöste, gab es gut 800 Änderungswünsche, die weithin berücksichtigt wurden. "Ich bin voller Hoffnung", sagt der bekannteste "Amazonas-Bischof", Erwin Kräutler, der Deutschen Welle. Auch wenn stets betont wird, die Synode sei kein Parlament, werden die Mitglieder doch wie in parlamentarischer Arbeit beraten.

Indien und der Amazonas

Klar ist bereits, die Synode setzt einen Schwerpunkt auf Kritik am ökologischen Raubbau in der Amazonasregion, auch an struktureller Gewalt gegen jene, die sich gegen diese Ausbeutung wehren. Die Aussage "Eine Zerstörung Amazoniens bedeutet die Zerstörung der Welt" des deutschen Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber beeindruckte viele. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn bezeichnete als Herz der Synode "die Suche nach neuen Wegen in der Ökologie, der Ökonomie", die dem Wohl der menschlichen Person dienen müsse. Der Luxemburger Kardinal Jean Claude Hollerich sprach von der Notwendigkeit einer "ökologischen Bekehrung".

"Auch Asien hat sein Amazonien", sagte Kardinal Oswald Gracias. Der Vorsitzende der Indischen Bischofskonferenz nannte sowohl die steten Umweltzerstörungen in seiner Heimat als auch der Umgang mit den Ureinwohnern, den Dalit. Ihm zeige der Austausch mit den Vertretern von Amazonas, dass die globale Kirche "ein Leib" sei. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, wird bei Äußerungen zum Klimaschutz seit Synodenbeginn deutlicher, ja schärfer. Er mahnt die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens an und will auch in der Kirche in Deutschland über konkrete Schritte beraten. Es scheint, er wird auch mit konkreteren Erwartungen an die deutsche Regierung heimreisen.

Einmütig hier, im Streit da

Dieser Gleichklang liegt zum einen am couragierten und mutigen Auftreten der über 30 Indigenen-Vertreter im Vatikan. Sie sehen ihre Welt im Sterben. Sie erleben Gewalt. Schilderungen "mit einer Wucht", sagt Birgit Weiler im Gespräch und spricht von einem "historischen Moment". "Wir haben unsere Kosmovision, unsere Art, die Welt zu betrachten, die uns umgibt. Die Natur bringt uns Gottes Angesicht in unserer Kultur, in unserer Lebensweise näher", beschrieb der Peruaner Delio Siticonatzi Camaiteri vom Volk der Ashaninka bei einer Pressekonferenz die bedrohte Identität.

Indigene Amazonas-Bevölkerung zu Besuch bei Papst Franziskus in Rom
Auch Vertreter indigener Volksgruppen sind zur Synode nach Rom gereistBild: Getty Images/AFP/A. Solaro

Aber die Einmütigkeit der wichtigen Kirchenvertreter mag auch so betont sein, weil sie sich bei anderen Punkten derzeit zurückhalten. Das gilt für die Frage einer Lockerung des Zölibats. In Teilen des Amazonasraums kommt wegen der geringen Zahl an Priestern nur ein oder zweimal im Jahr ein Priester zur Eucharistiefeier vorbei. Dabei steht die regelmäßige Eucharistie laut offizieller Lehre so im Zentrum kirchlichen Lebens. Vor Ort halten Frauen Gemeindearbeit aufrecht - aber ohne wirkliche Beauftragung.

Mindestens vier der zwölf Sprachgruppen bei der Synode plädierten wohl für die Zulassung sogenannter "viri probati", die Priesterweihe für ältere, bewährte verheiratete Männer. Und auch das Plädoyer für ein "Diakonat der Frau" steht im Raum. Birgit Weiler sagt, auch "von Bischöfen aus dem Amazonasgebiet ist die Forderung nach dem Diakonat der Frau in einer guten Zahl vorgetragen worden". Die Frauen, die das Thema angesprochen hätten, seien sich bewusst, dass dies kirchlich eine zur Zeit offene Frage sei.

Ein Zirkus und ein deutscher Kardinal

So deutlich und offiziell kamen diese Themen im Vatikan noch nie zur Sprache. Entsprechend spannend wird der Abstimmungsprozess am Samstag. Zuerst werden einzelne Paragraphen abgestimmt, dann der gesamte Text. Und wenn nicht zwei Drittel der ausschließlich männlichen Stimmberechtigten zustimmen, ist ein Passus nicht angenommen. Was dann als Synodenpapier vorliegt und auf Wunsch von Papst Franziskus - anders als unter früheren Päpsten - gleich veröffentlicht wird, wird dann in einigen Monaten von Franziskus in ähnlicher oder überarbeiteter Fassung formell veröffentlicht.

Kardinal Marx im DW-Interview

Bis dahin gehen Kontroversen und Spekulationen gewiss weiter. Gerade konservative Medien und Akteure, denen der Kurs dieses Papstes, der von der Europa-Zentrierung der Kirche Abschied nimmt, generell nicht passt, agieren in Alarmstimmung. Ein Beobachter sprach von einem "Zirkus" neben der Synode. Und der Befreiungstheologe Paulo Suess, der als Experte in der Synoden-Aula dabei ist, berichtete von Versuchen, Reformvorschläge der Synode zu bremsen. Seinen Teil dazu bei trug der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, der einmal oberster Glaubenswächter der Kirche war und dessen Amtszeit Franziskus 2017 nicht verlängert hatte. Er flog nach Washington und polterte am Donnerstagabend im Fernsehstudio eines konservativen US-Senders gegen die Aufweichung überkommener Lehre.

Glaubenssachen - Mission auf dem Amazonas - Im Einsatz mit dem Krankenhausschiff