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America first gegen China first

Thomas Kohlmann
26. Dezember 2019

Auch nach der Mitte Dezember verkündeten Teil-Einigung zwischen den USA und China bleiben viele Fragen offen. Was als Handelskonflikt begann, hat sich zum umfassenden Kräftemessen der beiden Schwergewichte entwickelt.

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Donald Trump und Xi Jinping
Bild: Getty Images/AFP/N. Asfouri

Am 15. Dezember wollten die USA eigentlich neue Strafzölle auf chinesische Importe verhängen. Doch nur zwei Tage vorher verkündeten beide Seiten eine Teil-Einigung in ihrem seit bald zwei Jahren andauernden Handelskonflikt. Washington halbiert einen Teil der bestehenden Zölle, Peking kauft mehr US-Produkte, vor allem Agrargüter. Weiterhin soll das Abkommen den Umgang mit geistigem Eigentum regeln, auch der Finanzsektor und Währungsfragen werden erwähnt.

Wird also nun alles gut - und der Streit zwischen den beiden Weltmächten verschwindet im neuen Jahr aus den Schlagzeilen? Zweifel sind angebracht. Ein Beleg dafür ist allein schon die wachsende Ablehnung chinesischer Politik in Washington, wie das Anfang Dezember verabschiedete US-Gesetz zeigt, das die Menschenrechte von Minderheiten in China stärken soll.    

Thomas Jäger, Uni Köln
Thomas Jäger von der Universität KölnBild: privat

"Der Grundkonflikt ist, dass die Vereinigten Staaten eine andere Wirtschaftspolitik von China erwarten, also bessere Zugänge zum chinesischen Markt, größere Spielräume für US-Unternehmen dort und kein Abgreifen ihres technischen Know-hows", sagt Thomas Jäger, Politikwissenschaftler von der Universität Köln, im Interview mit der DW.

US-Präsident Donald Trump sei mit seinem 'America first'-Ansatz aber auf Partner getroffen, die eine entsprechende Politik schon die ganze Zeit verfolgen, so Jäger. "Wenn man betrachtet, wie die chinesische Führung ihre internationale Wirtschaftspolitik auslegt, dann ist das 'China first'. Und jetzt treffen die beiden aufeinander, was dazu führt, dass dieser grundsätzliche Konflikt in vielen kleinen Konflikten ausgetragen wird", so Jäger. Das führe dazu, dass die beiden Kontrahenten nun ausloten, wo sie ihre Beziehungen auflösen können und wo sie weiter aufeinander angewiesen bleiben, sagt der Experte für amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik.

Konfliktherd Hightech

Einer dieser Konflikte ist die Frage nach der Sicherheit bei der Infrastruktur der schnellen 5G-Mobilfunknetze. Die USA haben den chinesischen Huawei-Konzern, dem sie eine zu große Nähe zur Staats- und Parteiführung in Peking vorwerfen, als Netzwerk-Anbieter weitgehend von ihrem Markt verbannt. Bei den westlichen US-Verbündeten wird dagegen noch immer heftig darüber diskutiert, ob es nicht doch einen Weg gibt, mit dem chinesischen Konzern weiter zusammenzuarbeiten.

"Die Frage ist am Ende: Kann man Arbeitsteilung mit Ländern vorantreiben, denen man nicht vertraut?", gab der Ökonom Gabriel Felbermayr unlängst im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu bedenken. Die Auswirkungen für die globalen Lieferketten wären dramatisch, unterstreicht der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft: "Wenn Amerika keine Chips mehr an China liefert, dann können die Handyproduzenten dort dichtmachen. Und wenn die Chinesen keine seltenen Erden mehr liefern, steht beim deutschen Merck-Konzern die Produktion für die Bestandteile von iPhone-Displays still. Und so weiter."

Karikatur von Dominik Joswig Handelsstreit USA-China
Bild: DW/D. Joswig

Neue Phase der Globalisierung

Immer mehr Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China die Globalisierung in eine neue Phase tritt, die auf eine Zweiteilung der weltweiten Lieferketten hinausläuft.

"Langfristig wird es zwei Supply Chains geben: eine von den USA und eine von China beherrschte", sagt Daryl Liew, der als Portfolio-Manager für die Schweizer Bank Reyl in Singapur tätig ist. "Weil die chinesische Technik billiger ist, werden sich wahrscheinlich die meisten Schwellenländer China anschließen, auch die afrikanischen", so Liew im Interview mit dem Nachrichtenportal Watson.

Abwarten was passiert

Deborah Elms  Asian Trade Centre
Deborah Elms vom Asian Trade Centre in SingapurBild: Asian Trade Centre

Die asiatischen Nachbarn Chinas warten erst einmal ab, wie sich die Dinge entwickeln, sagt Deborah Elms, Gründerin und Direktorin des Asian Trade Centre in Singapur, im Interview mit der Deutschen Welle. "Die Unternehmen werden erst einmal an ihren Lieferketten festhalten, weil China nach wie ein breites Spektrum von Waren und Dienstleistungen liefern kann. Und das schneller und kostengünstiger als Anbieter anderswo", so Elms. "Selbst wenn Firmen eine Fabrik an einen neuen Standort in Südostasien verlegen könnten, und die Genehmigungen und Lizenzen dafür erhalten - es wäre schwierig, geeignete Arbeiter und die technische Ausrüstung dafür zu finden, von den Lastwagen und Kisten zum Transport der produzierten Waren ganz zu schweigen."

Eine Folge der konfrontativen US-Handelspolitik unter Donald Trump sei aber jetzt schon in der Region zu spüren, meint Elms: "Der Handelskonflikt hat viele Unternehmen veranlasst, ihre Abhängigkeit vom US-Markt zu überdenken und die USA mit weniger Vertrauen als bisher zu betrachten." 

USA Etikett Made in China
Voneinander Abhängige auf Kollisionskurs: Pulli-Etikett in einem Andenkenladen in WashingtonBild: Reuters/K. Lamarque

Ende des Konflikts nicht in Sicht

Niemand weiß, wie es trotz der nun erzielten Teil-Einigung weitergeht im Handelskonflikt der beiden globalen Schwergewichte. Viele Beobachter rechnen mit einer lang anhaltenden Politik der kleinen Schritte, mit überraschenden Entspannungssignalen, was den Aufbau neuer Drohkulissen nicht ausschließen muss. Weil in knapp einem Jahr Präsidentschaftswahlen in den USA anstehen, glauben viele Beobachter nicht daran, dass Donald Trump den Konflikt weiter eskalieren lassen wird. Denn damit würde er den Zorn der US-Verbraucher an der Wahlurne riskieren, die durch die US-Strafzölle höhere Preisen für chinesische Produkte bezahlen müssten.

Fehlende Druckmittel

Auch Thomas Jäger rechnet nicht damit, dass es zu einem über die Teil-Einigung hinausgehenden, umfassenden Handelsabkommen zwischen den USA und China kommen wird, weil es im Grunde keine gemeinsamen Rahmenbedingungen für ein solches Abkommen gebe. "Aus meiner Sicht ist es die wahrscheinlichste Entwicklung, dass wir gar kein Handelsabkommen sehen und man immer nur kleinere Vereinbarungen trifft. Der eine sagt dann: 'Ja, dann kaufe ich eben mehr Soja', und die anderen sagen: 'Gut, wir nehmen die Zölle jetzt mal kurz zurück.' Um das dann irgendwann wieder zu revidieren", so der Kölner Politikwissenschaftler.

Jäger erwartet, dass der Konflikt noch lange anhalten wird und der Rest der Welt mehr oder weniger zum Zuschauen verdammt ist. Denn den Handelspartnern der USA und Chinas fehlten schlicht und einfach die Druckmittel, um das Verhalten der USA und Chinas zu sanktionieren. "Man kann ihnen den Pfälzer Riesling vorenthalten. Oder man schickt keinen Parmesan mehr in die USA. Das ist für die Leute dort natürlich ein herber Verlust, aber das tut dann am Ende nicht wirklich weh", fasst Jäger die Möglichkeiten internationaler Handelspartner zusammen. "Selbst wenn Deutschland keine BMWs mehr in China produzieren würde - auch dadurch würde die Welt nicht untergehen." Nur BMW würde es merken - und seine Mitarbeiter.