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Analog-Fotografie leidet unter dem Digitalisierungsdruck

Geraldo Hoffmann4. Juni 2005

Die Digitaltechnik bringt deutsche Traditionsunternehmen wie Agfa in Schwierigkeiten. Dennoch sieht der Photoindustrieverband noch eine Zukunft für die Analog-Fotografie.

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Für analoges Fotomaterial steht die Ampel derzeit auf rotBild: dpa

Die EU-Kommission hat am Mittwoch (1.6.05) eine Initiative gestartet, mit der sie die digitale Wirtschaft fördern möchte. "Mit der Initiative i2010 sollen in der IT-Wirtschaft und in den Medien neue Arbeitsplätze geschaffen werden", so eine Mitteilung aus Brüssel.

Die EU-Initiative bezieht sich zwar auf die IT-Branche im Allgemeinen, aber allein das Wort "Digital" dürfte derzeit bei den 2400 Mitarbeitern von AgfaPhoto, der Großteil davon in Deutschland, ein mulmiges Gefühl auslösen. "Digitaltechnik bringt Agfa in Insolvenz", lautete eine Schlagzeile, als bekannt wurde, dass der traditionsreiche deutsche Fotofilmhersteller zahlungsunfähig ist und Insolvenz beantragt hat.

Seit 1889 im Fotogeschäft

Agfa wurde im Jahr 1897 als Kurzbezeichnung von "Aktiengesellschaft für Anilin-Fabrikation" als Warenzeichen eingetragen und produzierte seit der Jahrhundertwende Fotokameras und Filme. Im Jahr 1936 brachte es den weltweit ersten Farbfilm auf den Markt. 1964 schloss sich die deutsche Agfa mit dem belgischen Gevaert-Konzern zusammen. Seit November 2004 ist AgfaPhoto wieder eigenständig, nachdem es für 175,5 Millionen Euro an das Management und US-Investoren verkauft wurde.

Zeitungsberichten zufolge war Agfa im Geschäft mit analogen Fotofilmen in den letzten Jahren unter Preisdruck durch die Konkurrenten Eastman Kodak und Fujifilm geraten. Vor allem die technische Entwicklung weg von der analogen, hin zur digitalen Fotografie soll das Unternehmen ins Trudeln gebracht haben. Aus demselben Grund seien auch die deutschen Kamerahersteller Rollei und Leica unter Druck geraten.

Digital ist "in"

Beim deutschen Photoindustrieverband in Frankfurt am Main wollte man sich zu einzelnen vermeintlichen "Opfern der Digitalisierung" nicht äußern. "Da gibt es sehr unterschiedliche Berichte", sagt die Pressesprecherin Contanze Clauß. "Die Fotobranche bietet für jeden alles. Fakt ist, wenn heute ein Fotohändler noch keine Digitalkamera in seinem Angebot hat, dann hat er seine Zeit verschlafen", fügt sie hinzu.

Die Zahlen des Photoindustrieverbandes für den Amateurmarkt sprechen eine deutliche Sprache. Im Jahr 2004 wurden 8,43 Millionen Kameras in Deutschland verkauft (23 Prozent mehr als im Vorjahr) – davon waren rund sieben Millionen Digitalkameras (83 Prozent des Gesamtmarktes).

Der Marktforschungsspezialist IDC erwartet, dass die Menge der weltweit aufgenommenen, versendeten und empfangenen Digitalfotos bis 2008 um durchschnittlich 35 Prozent pro Jahr wachsen wird. "Wir verkaufen bereits bis zu 80 Prozent nur digitale Produkte oder Produkte, die im Zusammenhang mit der digitalen Fotografie stehen", sagt der Foto-Händler Harald Remsperger aus Frankfurt am Main.

Anpassung ist gefragt

Trotzdem: "Vor dem Aus steht die analoge Fotografie nicht. Es gibt noch genügend Möglichkeiten für den Einsatz dieser Technik, zum Beispiel im professionellen Bereich. Es gibt auch noch viele anspruchsvolle Verbraucher, die sich mit der Digital-Fotografie und dem Drumherum nicht zufrieden geben, zum Beispiel Fotoservices der Supermärkte, Tankstellen oder Versandketten. Sicherlich mussten viele kleine Fotohändler in den letzten Jahren aufgeben, aber wer sich dem Markt anpasst hat, der überlebt auch", so Remsperger.

Immerhin wurden im letzen Jahr noch 1,4 Millionen Analogkameras in Deutschland verkauft. In vielen Haushalten sind inzwischen mindestens eine Digital- und eine Analogkamera vorhanden – und beide werden auch genutzt. Es gibt sogar ein analoges Marktsegment der so genannten Single Use Cameras, das 2004 ein Wachstum von 25 Prozent verzeichnete und ein Verkaufsvolumen von 5,5 Millionen Stück erreichte.

Stark rückläufig ist aber das Segment, das bisher zum Kerngeschäft von AgfaPhoto gehörte: Der Verkauf von Filmen an den Endverbraucher. Es wurden im Jahr 2004 nur noch 127 Millionen verkauft, gegenüber 154 Millionen im Vorjahr (ein minus von 18 Prozent), wie die Zahlen des Photoindustrieverbandes zeigen. "Es ist ein Rückgang auf hohem Niveau. Filme werden auch in Zukunft verkauft, und nicht nur für den medizinischen Bereich oder zum Beispiel für Museen, die wieder zunehmend auf die analoge Technik zurückgreifen. Im privaten Bereich kann kein digitales Bild das Erlebnis eines Papierbildes ersetzen, wie Studien zeigen", sagt Contanze Clauß.

"Alte" Dias und Bilder aufheben

Dia-Sammlung
Dia-Sammlung von Walter Otterbein, der dabei ist seine Dias zu digitalisieren.

Das wird auch vom Hobbyfotografen Walter Otterbein bestätigt. Der pensionierte Berufschullehrer aus Müs bei Fulda benutzt zwar seit zwei Jahren eine Digitalkamera und ist dabei, seine Papierbilder und Dias zu digitalisieren. So ganz möchte er sich aber von der alten Technik nicht verabschieden. "Ich habe jetzt etwa tausend ausgewählte Dias und auch Fotos eingescannt und auf CD gebrannt, überlege aber, ob ich noch weitermache. Denn wie sich die Datenspeicherung, die Lebensdauer von CDs und DVDs, in den nächsten Jahren entwickeln wird, steht ja noch in den Sternen. Meine Dias und Bilder aus 30 Jahre Analog-Fotografie sind noch gut erhalten. Und die Analogkamera kommt auch noch zum Einsatz", erzählt er.

Das Problem der Datenspeicherung- und Verwaltung ist ein weiterer Grund, weshalb der Photoindustrieverband an das Fortbestehen der Analog-Fotografie – parallel zur Digital-Fotografie – glaubt. Verbrauchern, die dabei sind, von der alten zur neuen Technik zu wechseln, gibt Clauß einen Rat: "Digitalisieren ja, aber bitte die 'alten' Dias und Printbilder unbedingt aufheben. Wer kennt nicht die Geschichte eines Festplatten-Crashes oder einer kaputten CD oder DVD". Unabhängig von der zugesagten Hilfe des ehemaligen Mutter-Konzern Agfa-Gevaert, darf die Belegschaft von AgfaPhoto also weiter hoffen, auch wenn die Digitalwirtschaft nach dem Willen der EU in den nächsten Jahren noch mehr boomen soll als bisher.