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"Aufarbeitung der Kolonialzeit auf Augenhöhe"

Gero Schließ, Berlin11. September 2016

Das künftige Humboldt Forum im Berliner Stadtschloss thematisiert auch die deutsche Kolonialgeschichte. Ein komplexes Kapitel, sagt der Künstler Andréas Lang, mit dem die Deutschen sich mehr beschäftigen sollten.

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Berlin Fotokünstler Andreas Lang
Bild: Photothek

Das Atelier des Berliner Foto- und Videokünstlers Andréas Lang ist zur Zeit an einem besonderen Ort: Es befindet sich unter dem Dach des Auswärtigen Amts (AA) - dort, wo Deutschland Außenpolitik macht. Auf Initiative von Außenminister Frank-Walter Steinmeier vergibt das AA regelmäßig Künstlerstipendien. Im Atelier des AA wertete Andréas Lang die Fotos und Videos aus, die er auf seiner letzten Reisen nach Kamerun und ins Kongo-Grenzgebiet gemacht hatte. Dort hatte er sich auf die Spuren der deutschen Kolonialgeschichte begeben. Für Lang auch eine Reise in die Familiengeschichte: Sein Urgroßvater war dort Soldat der deutschen Schutztruppe.

Kamerun war Teil des deutschen Kolonialreiches (1884-1918/19). Es war die drittgrößte Kolonie, gemessen an der geographischen Ausdehnung. Doch es hielt gerade einmal 34 Jahre. Die Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg besiegelte auch das Ende der Kolonialherrschaft.

Der Völkermord an den Herero und Nama auf dem Gebiet des heutigen Namibia ist wohl das schwerste Verbrechen in der deutschen Kolonialgeschichte. Doch auch in Kamerun herrschten Gewalt und Willkür, wurden Aufstände blutig niedergeschlagen.

Im Interview mit der DW erzählt Andréas Lang, was er in Kamerun gesehen und wie er dies künstlerisch verarbeitet hat und welche politischen Schlüsse er daraus zieht.

DW: Herr Lang, Sie waren zweimal in Kamerun und an der Grenze zum Kongo. Findet man dort noch viele Spuren deutscher Kolonialgeschichte?

Andréas Lang: Ja, man stößt auf ziemlich viel. Wenn man anfängt zu suchen und sich an die Orte begibt, findet sich einiges an Relikten, an Ruinen. Darunter ganze koloniale Friedhöfe, die dann heute etwa Gemüsegärten im Hinterhof sind. Oder im Urwald ein vergessener Tresor, um den sich dann auch Legenden ranken, wo etwa heute der Schlüssel ist. Die deutsche Kolonialzeit ist aber auch bei den Menschen präsent. Etwa in Liedern und Kleidung von Frauen, die ich in Kameruns Hauptstadt Jaunde beim Umzug zum Weltfrauentag filmte.

Ich traf auch einen alten Mann, der noch Geschichten aus der Kolonialzeit erzählen konnte. Einerseits hat es durchaus Freundschafen gegeben, aber andererseits gab es auch die Prügelstrafe. Dieser Mann stammte übrigens aus dem Dorf Banana. Ein Name den die deutschen Kolonialherren dem Dorf gaben.

Wie haben Sie sich künstlerisch mit dem auseinandersetzt, was Sie gesehen und gehört haben?

Ich bin zum Beispiel auf ein historisches Foto von meinem Urgroßvater gestoßen. Und ich habe den Platz, den er fotografiert hat, wiedergefunden. Der ist jetzt nur mehr überwachsen. Für mich ist es wichtig, mich dann auch physisch an den Ort zu begeben. Wo dann auf einmal eine Überlagerung stattfindet mit den inneren Bildern, auch meiner Projektion auf den Ort, verbunden mit dem Real-Faktischen, dem Hier und Jetzt. Diese Schichtung, dieses Übereinandertragen der verschiedenen Ebenen: Wenn sich das dann in den Bildern zeigt - das sind die Bilder die mich interessieren.

Ich suche das aber nicht bewusst, sondern es passiert oft zufällig. Es war schon da und wir mussten uns nur begegnen, das Bild und ich.

Wie wird die Rolle Deutschlands heute bei den Menschen in Kamerun gesehen?

Seltsamerweise wird die deutsche Kolonialisierung eher positiv betrachtet. Was aber damit zu tun hat, dass die schon so lange her ist und die Erinnerung an die Abgründe nicht so präsent ist. Es heißt dann, da steht noch die Brücke und die funktioniert noch und die Deutschen haben unser Land aufgebaut. Aber das war im Grunde nichts anderes als imperiales Agieren und die Deutschen waren nicht weniger grausam als die anderen Kolonialmächte.

Deswegen ist es heute für die Aufarbeitung wichtig, dass wir das nicht wieder mit einem europäischen, einem paternalistischen Blick machen, sondern wirklich auf Augenhöhe mit den ehemals Betroffenen. Und wir sollten uns fragen, wo heute die kolonialen Strukturen sind, wo heute politische Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen werden.

Das Interview führte Gero Schließ.

Bis zum 26. Februar 2017 zeigt Andréas Lang seine Arbeiten in der Ausstellung "Kamerun und Kongo - Eine Spurensuche und Phantom Geographie" im Deutschen Historischen Museum in Berlin.