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Greipel: "Ich muss aus der Komfortzone raus"

23. August 2018

Früher war André Greipel im Sprint eine Urgewalt. Dann kamen Verletzungen und Zwist mit dem Team. Nach einem schweren Jahr steht der Radprofi vor einem Neustart - und die Deutschland Tour kommt ihm da gerade recht.

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Deutschland Tour -  Teampräsentation | Andre Greipel
Bild: picture-alliance/dpa/T. Frey

DW: Die erste Deutschland Tour nach zehn Jahren Pause findet auch deshalb wieder statt, so heißt es, weil Sie und weitere deutsche Profis mit ihren Erfolgen den Weg dafür geebnet haben. Macht Sie das stolz?

André Greipel: Ich sehe mich selbst nicht als Drahtzieher hinter dem Rennen, nein. Aber ich freue mich, dass es wieder ein deutsches Etappenrennen gibt. Es ist die Chance, unseren Sport wieder in verschiedene Regionen zu bringen. Wir wollen dem Publikum den Radsport wieder näherbringen. Mit dem Konzept der Deutschland Tour passt das sehr gut zusammen, denn jeder kann mitmachen und Spaß am Radfahren haben.

Deutschland Tour -  Teampräsentation | Andre Greipel
Greipel bei der Teampräsentation der Deutschland Tour in KoblenzBild: picture-alliance/dpa/T. Frey

Ein Millionenpublikum kam im Vorjahr zum Tour-de-France-Start in Düsseldorf, zur Deutschland Tour werden wieder viele Menschen erwartet. Wo steht der deutsche Radsport nach einigen Jahren im Abseits?

Die Deutschland Tour wird von der ASO organisiert, einem der größten Unternehmen im Radsport. Dort weiß man, wie das Ganze funktioniert und hat auch eine Vision für die nächsten Jahre. Wir hoffen natürlich, die Deutschland Tour in den nächsten Jahren weiter ausbauen zu können.

Die vier Etappen der Deutschland Tour kommen Sprintern und Klassikerfahrern entgegen - ein Mix, der Ihnen liegen sollte…

Ja, das werden wir sehen. Es gibt ein paar Chancen, aber die sechs Fahrer kleinen Teams machen es nicht einfach, einen Sprint zu erzwingen. Und wie die Taktiken der verschiedenen Teams wirklich sind, sehen wir erst im Rennen. Ich hätte mir natürlich gewünscht, noch ein paar Chancen mehr auf einen Sprint zu bekommen. So muss ich hoffen, dass ich gut über die Anstiege komme.

Tour de France 2018 | Andre Greipel
Greipel (2.v.l.) beim Tour-Sprint in Amiens - später wurde er wegen einer Rangelei um 90 Plätze zurückgesetzt Bild: picture-alliance/dpa/AP/C. Ena

Sie haben eine sehr bewegte Saison hinter sich, unter anderem mussten Sie mit der Enttäuschung umgehen, zum ersten Mal bei der Tour de France in den Besenwagen gestiegen zu sein. Wirkt das noch nach?

Ich schaue nicht so gern zurück, ich blicke nach vorn. In den Besenwagen gestiegen zu sein, war eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal brauche. Die Saison war nicht gerade so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Durch meinen Sturz bei Mailand-Sanremo [Greipel brach sich das Schlüsselbein und fiel für die weiteren Frühjahrsklassiker aus, Anm. d. Red.] kam ich in eine schwierige Situation. Im Jahr meines auslaufenden Vertrages musste ich beweisen, dass ich noch zu den stärksten Fahrern gehöre, konnte es aber nicht so richtig. Ohne den Sturz wäre dieses Jahr anders verlaufen.

Ergebnis dieser Saison war auch ihr angekündigter Wechsel zum kleineren französischen Team Fortuneo-Samsic. Sie deuteten selbst an, dass der Wechsel nicht ganz freiwillig war.

Der Wechsel war schon freiwillig. Ich hätte auch bei Lotto-Soudal bleiben können, aber es wäre anders gewesen, ich wäre nur noch Sprint-Anfahrer gewesen. Ich hätte gerne bei Lotto-Soudal meine Karriere beendet. Ich bin aber jemand, der sich im Training nur richtig motivieren kann, wenn ich auch eigene Ziele habe. Und die möchte ich in den nächsten beiden Jahren weiterverfolgen und auch erreichen. Die letzten Wochen waren nicht einfach für mich. Aber jetzt muss ich ein wenig aus der Komfortzone raus, und darauf freue ich mich. Und ich muss noch etwas Französisch lernen (schmunzelt).

Tour de France 2018 | Andre Greipel
Bei der diesjährigen Tour de France schied Greipel in den Alpen ausBild: picture-alliance/dpa

Sie haben bereits viel erreicht in Ihrer Karriere. Welche Ziele bleiben denn noch?

Ich habe noch nie einen großen Klassiker gewonnen. Sicher wird es mit dem Alter nicht einfacher, aber in den nächsten beiden Jahren habe ich noch die Chance. Und ich möchte damit natürlich auch meine Mannschaft weiterbringen. Und so lange ich Spaß habe, werde ich weiter Rennen fahren. Danach möchte ich gerne noch im Radsport bleiben.

André Greipel wurde 1982 in der damaligen DDR geboren und begann früh mit dem Radsport. Mit Peter Becker hatte Greipel den gleichen Trainer wie Jan Ullrich, schlug aber einen anderen Weg ein und wurde Sprinter. Das Kraftpaket tritt im Sprint mit einer Leistung von knapp 2000 Watt in die Pedale und gewann so elf Etappen bei der Tour de France, sieben beim Giro d'Italia, vier bei der Vuelta, zudem wurde er dreimal Deutscher Meister. Nach einer durchwachsenen Saison stellte ihn sein belgischer Rennstall Lotto-Soudal vor die Wahl: entweder zurück ins zweite Glied und Helfer werden oder das Team verlassen. Greipel, der mit seiner Familie in Hürth bei Köln lebt, entschied sich für Letzteres und fährt im kommenden Jahr für das französische Fortuneo-Samsic-Team.

Das Interview führte Joscha Weber.