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Anfällige Seekabel

Ingun Arnold13. Januar 2007

Im Internet-Zeitalter haben sich die Menschen daran gewöhnt, Informationen in Bruchteilen von Sekunden um die Welt zu schicken. Beim digitalen Transport helfen oft dicke Tiefseekabel. Die können freilich auch mal reißen.

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Glasfaserkabel
Glasfaserkabel sind die schnellsten und stärksten Verbindungen für den digitalen DatenverkehrBild: AP

Kurz vor Silvester, am 27. Dezember 2006, gab es vor Taiwan ein starkes Seebeben. Die Folge: Hundert Millionen Menschen in Taiwan, Südkorea, Japan, China, Singapur, Hong Kong, Vietnam und anderswo waren zeitweise komplett offline - und das nur, weil das Seebeben Teile des Untersee-Kabelnetzes beschädigt hatte. Die Reparatur wird noch mindestens bis zum 15. Januar dauern - so lange müssen die Leute damit leben, dass sie ihre schnellen Breitband-Internetzugänge nicht oder nur eingeschränkt nutzen können.

Ein ganzes Netz von Hochleistungs-Unterseekabeln schließt die Region ans Internet an, transportiert Telefongespräche und Kabelfernsehen. Glasfaserkabel sind dafür Standard. Das meiste an einem solchen Kabel ist seine schützende Hülle: So ein Kabel ist etwa faustdick. Im Innern sind die Glasfasern gebündelt, eine einzelne Faser ist sehr viel dünner als ein Haar und aus besonders lichtdurchlässigem Quarzglas. Das transportiert die Daten sehr schnell und ohne Verluste. Die Daten werden als Lichtpulse gesendet und rasen mit Lichtgeschwindigkeit durch die Glasfaser.

Alltägliche Lichtgeschwindigkeit

Raum mit vielen Großrechner
Der größte Server-Park liegt lahm, wenn die Leitung klemmtBild: dpa

Die Hochleistungskabel vor Taiwan können bis zu 640 Gigabit Daten pro Sekunde übertragen - das entspricht in etwa dem Inhalt von 80.000 Büchern. Licht hat noch einen Vorteil: Es hat ein breites Spektrum von Wellenlängen. Die kann man einzeln ausnutzen und noch mehr Daten gleichzeitig verschicken.

Das Glasfaserkabel überträgt keine richtigen Bilder oder Telefongespräche. Die Informationen werden digitalisiert und als Nullen und Einsen verschickt - in gigantischen Mengen: Bis zu 640 Millarden Nullen und Einsen kann das ostasiatische Breitband-Kabelnetz pro Sekunde verarbeiten. In der Region liegen ungefähr ein Dutzend Tiefseekabel, in einer Tiefe von 1000 Meter und mehr. Damit sie Zug, Druck und Salzwasser aushalten, sind sie dick mit Stahldraht umwickelt. Das soll sie auch vor felsigem Meeresgrund, Schiffsankern, Schleppnetzen und bissigen Haien schützen. Vor einem starken Seebeben gibt es allerdings keinen Schutz. Reißt ein Kabel, dann muss möglichst schnell repariert werden.

Milliarden-Investitionen

Das gesamte Kabelnetz in Ostasien soll mehrere hundert Milliarden Dollar gekostet haben. Etliche regionale und internationale Telekommunikations-Unternehmen teilen sich die Kosten. Die Reparatur eines Seekabels ist aufwendig. Dort, wo das Kabel gerissen ist, wird ein neues Stück eingesetzt. Dazu werden die Glasfasern mit einem Lichtbogen-Schweißgerät sehr heiß gemacht und dann nahtlos aneinandergeklebt.

Bis das Seekabel-Netz vor Taiwan wieder voll einsatzfähig ist, werden Internet, Fernsehen und Telefon teilweise durch andere Kabel umgeleitet - zum Beispiel über Europa -, oder über Satelliten ausgestrahlt. Vor allem in den ersten Tagen nach dem Erdbeben war das Internet extrem langsam. Populäre Seiten aus den USA, wie die Suchmaschine Google oder das Videoportal YouTube, konnten überhaupt nicht aufgerufen werden. Besonders ärgerlich war der Internetausfall für kleine und mittlere Unternehmen.

Lesen Sie weiter: Das Geschäftsrisiko des modernen Büro-Menschen und warum Satelliten keine Alternative sind.

Andrew Wee aus Singapur ist ein gut vernetzter Blogger, sein Geschäftsmodell baut darauf auf, dass das Internet reibungslos funktioniert. "Ich bin Online Marketing Spezialist, geschäftlich läuft bei mir fast alles übers Internet", sagt er. "Manchmal warte ich 10, 20 Sekunden, bis sich eine Seite lädt, schlimmstenfalls kann ich meine Webseiten überhaupt nicht aufrufen und demzufolge auch nicht gucken, wie sich das Geschäft und damit mein Einkommen entwickelt." Wenn ein Kunde versuche, Wees Webseiten aufzurufen und diese nicht verfügbar seien, dann verliere er womöglich eine ganze Menge Einkommen und kriege es noch nicht einmal mit.

Begrenzte Lebensdauer von Satelliten

Den Januar kann Wee mindestens zur Hälfte abschreiben: Die 2000 Dollar, die er derzeit als Monatseinkommen kalkuliert, wird er wohl nicht mehr erreichen. Dass ein Seekabel auch mal reißen kann und er dann offline ist, gehört zum Geschäftsrisiko. Für die Daten-Fernleitung gibt es derzeit nichts Besseres als die Seekabel, obwohl die Region stark Erbeben gefährdet ist. Marc Sausen, Sprecher der Deutschen Telekom, meint, Satelliten seien eine untaugliche Alternative, denn sie könnten nicht die Menge an Verkehr abwickeln, die Seekabel bewältigen. "Satelliten sind von ihrer Lebensdauer sehr viel begrenzter als Seekabel und sehr viel teurer", fügt er hinzu. Terrestrische Verbindungen seien ebenfalls teurer, weil sie durch viele verschiedene Länder laufen müssten. Sie seien außerdem störungsanfälliger dadurch und sehr viel kostenintensiver beim Bau dieser Verbindungen.

Je einfacher die Technik, desto weniger kann schief gehen. Dennoch sind die Zeiten, in denen die Leute ausschließlich vom Festnetz telefonierten, sich Briefe schrieben oder Faxe und Fernschreiben hin und her schickten, vorbei. Die Telekommunikations-Unternehmen in Ostasien überlegen jetzt, ob es sinnvoll wäre, in ein Sicherungssystem für Notfälle zu investieren. Die größten Gesellschaften in Taiwan und Südkorea haben bereits abgelehnt: Seebeben der Stärke 7,1, wie am 27. Dezember, seien extrem selten und die Geldausgabe nicht wert.