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Politik

Merkel: Deutschland vor "gewaltigem Kraftakt"

11. September 2019

Klimaschutz, Digitalisierung, internationale Sicherheit - im Bundestag hat Kanzlerin Merkel die Herausforderungen benannt, vor denen sie Deutschland sieht. Vor allem das Thema Klimaschutz provozierte Kontroversen.

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Angela Merkel (M.) vor dem Bundestag
Angela Merkel vor dem BundestagBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Bundestag: Streit ums Klima

Kanzlerin Angela Merkel hat kurz vor entscheidenden Beratungen der Bundesregierung um Akzeptanz für zusätzliche Maßnahmen zum Klimaschutz geworben. "Wenn wir den Klimaschutz vorantreiben, wird es Geld kosten - dieses Geld ist gut eingesetzt", sagte sie in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag. Ein Ignorieren würde aber mehr Geld kosten. "Nichtstun ist nicht die Alternative."

Die CDU-Politikerin betonte auch mit Blick auf die geplanten Entscheidungen im Klimakabinett am 20. September, es gehe um einen "gewaltigen Kraftakt". Der Klimaschutz solle sich an Innovation und Mechanismen der sozialen Marktwirtschaft orientieren. Merkel nannte es den "richtigen Angang", über eine Bepreisung und Mengensteuerung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) Lösungen zu finden und gleichzeitig Unterstützung anzubieten. Die Kanzlerin warb für einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.

Merkel während ihrer Rede
Merkel während ihrer RedeBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Deutschland muss der Kanzlerin zufolge aber "schneller" werden etwa bei der Zukunftstechnologie Künstliche Intelligenz. Künftige Produkte würden aus Daten entstehen. Europa müsse seine "Datensouveränität" stärken, betonte Merkel mit Blick auf die Dominanz von Konzernen aus den USA und Asien.

Mit Blick auf die Digitalisierung sagte Merkel, Europa müsse seinen Rückstand bei wichtigen Technologien aufholen. "Wir müssen technologisch wieder auf Weltmaßstab kommen." Merkel verwies etwa auf die Herstellung von Chips, die Plattformwirtschaft und die Batteriezellenproduktion. 

Merkel fordert stärker Rolle Europas in der Welt

Merkel betonte außerdem das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland. Die Entwicklungen zwischen Stadt und Land seien völlig unterschiedlich. "Darauf müssen wir Antworten finden." Dazu gehöre etwa der Breitbandausbau oder die ärztliche Versorgung.

Die Bundeskanzlerin forderte außerdem "null Toleranz" gegen Rassismus, Hass und Abneigung gegen andere Menschen: "Das, was wir täglich erleben, Angriffe auf Juden, Angriffe auf Ausländer, Gewalt und auch verhasste Sprache, das müssen wir bekämpfen."

Angesichts weltweiter Kräfteverschiebungen forderte Merkel eine stärkere Rolle Europas in der weltweiten Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Europa müsse in diesem Bereich "Souveränität entwickeln", sagte sie. "Europa muss einen Fußabdruck hinterlassen bei der Konfliktlösung in der Welt." Die EU stehe einerseits durch den Austritt Großbritanniens geschwächt da. "Auf der anderen Seite ist es die Stunde, neue Stärke zu entwickeln."

Deutschland müsse sich auf deutlich höhere Verteidigungsausgaben einstellen. Es gebe "keinen Automatismus mehr wie im kalten Krieg, dass die Vereinigten Staaten die Beschützerrolle für uns Europäer übernehmen", warnte Merkel. Deswegen sei es "wichtig", dass Deutschland seine "Versprechen" im Rahmen der NATO einhalte und seine Verteidigungsausgaben "in Richtung zwei Prozent" des Bruttoinlandsprodukts erhöhe. 

 

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland warf der Bundesregierung in der Debatte vor, durch eine aktionistische Klimapolitik der historischen Schuld Deutschlands aus dem Zweiten Weltkrieg begegnen zu wollen. "1945 waren wir der Teufel der Welt, heute wollen wir offenbar das leuchtende Vorbild sein", sagte Gauland. Dabei sei Deutschland für das Weltklima "keine relevante Größe". Der Regierung gehe es mit ihrem Einsatz gegen den Klimawandel "offenbar um Symbolik".

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland Bild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

Gauland warf der Bundesregierung zudem vor, den Charakter des Landes gezielt durch Masseneinwanderung verändern zu wollen und diesem Vorhaben durch eine "Umerziehung" der Bevölkerung den Weg zu ebnen.

Grüne und FDP bieten Zusammenarbeit an

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte in der Debatte, die Grünen seien zu Verhandlungen bereit, sollten die Klimabeschlüsse der Koalition ausreichend weitgehend sein. "Hören Sie auf zu reden, tun Sie endlich was", sagte Göring-Eckardt weiter. Der vorgelegte Haushalt und der Klimakurs seien "eine doppelte Null, nämlich kein Plan und kein Geld", sagte sie. "Das kann sich das Klima nicht leisten." Gebraucht würden Klimabeschlüsse, "die auch Investitionen beinhalten." Es gehe nicht darum, "die schwarze Null vor sich herzutragen".

Katrin Göring-Eckardt von den Grünen
Katrin Göring-Eckardt von den GrünenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die schwarze Null - also ein Haushalt ohne neue Schulden – war auch Thema des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. Bundesfinanzminister Olaf Scholz gebe längst mehr Geld aus als er einnehme. Er erreiche den Haushaltsausgleich nur, indem er neun Milliarden Euro aus der Rücklage entnehme. "Olaf Scholz hat aus der schwarzen Null in Wahrheit eine rote Null gemacht", sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende an Merkel gerichtet.

Doch auch Lindner bot der Regierung ein Mitwirken an einem Klimakonsens an. Die FDP wolle aber die Klimapolitik nicht "zum Schauplatz von Kulturkämpfen machen", sondern über wirksame Maßnahmen sprechen.

FDP-Chef Christian Lindner
FDP-Chef Christian LindnerBild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

Die Linke warf der Bundesregierung vor, mit einer unsozialen Haushaltspolitik den Rechtspopulismus zu stärken. Die Koalition betreibe "eine Politik, die das Land spaltet, die Europa spaltet und die den Rechtspopulisten den Weg ebnet", sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Linke kritisieren falsche Prioritäten in der Haushaltsplanung

Er bemängelte falsche Prioritäten in der Haushaltsplanung: "Strenge Schuldenbremse statt notwendiger Investitionen, Militär statt Sozialausgaben erhöhen und massenhafte Kinder- und Altersarmut zulassen - das sind die Prioritäten in Ihrem Haushalt." In "keinem Land" gebe es "so eine riesige Spaltung" wie in Deutschland.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar BartschBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Der Linke-Fraktionschef forderte unter anderem deutlich höhere Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau. Die derzeitige Wohnungsnot sei ein "Offenbarungseid" für die Bundesregierung. Es handle sich hier "um die wichtigste soziale Frage". Mehrausgaben für Verteidigung lehnte Bartsch hingegen ab: "Es ist eben falsch, dass Mehr-mehr-mehr eine Strategie ist", sagte er.

stu/ww (dpa, afp, rtr)