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Angenehm kühl – und gefährlich

8. August 2002

Vor hundert Jahren wurde sie entwickelt: die Klimaanlage. Seitdem Jahren spendet sie angenehme Kühle, aber immer wieder auch (Krankheits-)Keime – wie in England die der Legionärskrankheit.

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Großraumbüros - ohne Klimaanlage kaum denkbarBild: bilderbox

Mit kaltem Wasser gefüllte Rohre, auf denen die Luftfeuchtigkeit kondensiert, produzieren trockene und kühle Luft. Was so einfach klingt, musste erst einmal herausgefunden werden. Und das geschah vor genau 100 Jahren: Der US-Amerikaner Willis Carrier kam frisch von der Universität und bekam einen folgenschweren Auftrag.

Die Druckerei des News Yorker Verlagshauses Sackett-Williams Company hatte ein Problem: Das Papier in ihren heißen Räumen dehnte sich so stark aus, dass die Farben nicht hielten. Carrier sollte eine Lösung finden.

Seine Idee: Er kehrte den Spieß um. Das Gebäude wurde damals geheizt, indem Luft durch Rohre gepumpt wurde, die mit Dampf gefüllt waren. Carrier ließ die Rohre statt mit heißem Dampf mit kaltem Wasser füllen: Die Luftfeuchtigkeit kondensierte auf den Rohren – wie bei einem Glas mit Eiswasser im Sommer.

Demokratisierung des Kalten

Carrier baute einen "Apparat zur Behandlung von Luft", der am 17. Juli 1902 in Betrieb ging und der die Luft in den Druckerei-Räumen zugleich trocknete und kühlte. Es konnte wieder leserlich gedruckt werden. Erst vier Jahre später gab man dem neuen System den Namen "Klimaanlage".

Es dauerte eine Weile, bis schließlich in den 1920er und 1930er Jahren die ersten Theater, Kaufhäuser, Flugzeuge und Autos mit dem Kühlsystem ausgestattet wurden. Es veränderte die Welt: Die Städte Phoenix und Houston im Süden der USA konnten dank der Klimaanlage wachsen; Wolkenkratzer in der ganzen Welt hätten ohne sie gar nicht gebaut werden können, ganze Industriezweige nicht so produzieren, wie sie es heute tun.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das angenehme Kühle nicht länger den gesellschaftlichen Eliten vorbehalten, sondern es erreichte die ersten bürgerlichen Häuser. Zwölf Prozent aller amerikanischer Haushalte waren in den 1960er Jahren bereits mit einer Klimaanlage ausgerüstet – heute sind es 80 Prozent.

Verbreiter für Krankheitserreger

Einziger Wermutstropfen: Das System kühlt und trocknet nicht nur die Luft, es trägt auch zur Verbreitung von Krankheitserregern bei und provoziert Erkältungen. Forscher in San Francisco haben herausgefunden, dass jeder fünfte Flugpassagier nach dem Aufenthalt in klimatisierter Flugzeugluft über eine Erkältung klagt.

Ganz aktuell in dem Zusammenhang: Die Erkrankungen an der sogenannten Legionärskrankheit in England. Am vergangenen Freitag (2. August 2002) war ein 89-jähriger Mann an den Folgen der Krankheit gestorben, die erstmals im Jahre 1976 bekannt geworden war. Damals waren zahlreiche Kriegsveteranen bei einem Treffen in einem Hotel in Philadelphia/ USA erkrankt.

Übertragen wird die Krankheit durch Bakterien – die englischen Behörden geben an, die mutmaßliche Quelle für die Verbreitung der Erreger gefunden zu haben: die Klimaanlage in einem Gebäude der Stadtverwaltung.
dpa/ AP/ (fgö)