1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anleitung zum Mitfiebern

1. November 2004

Wer bei der US-Wahl mitfiebern will, braucht gutes Sitzfleisch. Wenn es eng wird, könnte sich die Entscheidung um den Präsidenten lange hinziehen - und zu skurrilen Ergebnissen führen.

https://p.dw.com/p/5mvE
Kein Witz: Edwards könnte auch unter Bush Vize-Präsident werdenBild: AP

Wer in Mitteleuropa bei der US-Präsidentschaftswahl am 2. November 2004 mitfiebern will, wird sich die Nacht um die Ohren schlagen müssen. Wegen der Zeitverschiebung schließen die ersten Wahllokale am Dienstag est um 24 Uhr mitteleuropäischer Zeit (MEZ). Prognosen über den Wahlsieger sind frühestens ab Mittwoch (3.11.) 2 Uhr MEZ zu erwarten. Nicht auszuschließen ist - gerade nach dem Verschwinden von Wahlzetteln in Florida - allerdings ein ähnliches Chaos wie vor vier Jahren. Dass der Sieger erneut erst lange nach der Wahlnacht feststeht, ist durchaus zu befürchten. Neben den Problemen mit Wahlmaschinen bietet der Konflikt um Wählerzulassungen weiteres Chaospotenzial. Es könnte also wieder lange dauern, bis die Welt weiß, ob der künftige Präsident George W. Bush oder John F. Kerry heißt - vor allem, wenn es wie erwartet richtig eng werden sollte.

Zur Erinnerung: Gekürt wird der US-Präsident nicht nach Prozentanteilen, sondern nach Wahlmännerstimmen, die die Kandidaten in den einzelnen Bundesstaaten erringen müssen. In den 50 Staaten und der Hauptstadt Washington sind insgesamt 538 Elektoren zu vergeben. Wie viele Elektoren ein Staat zu vergeben hat, hängt von seiner Bevölkerungsstärke ab.

Was passiert bei einem Patt?

Für den Sieg werden also 270 Wahlmänner gebraucht. Wenn Bush und Kerry jeweils 269 Wahlleute auf sich vereinen und somit die erforderliche Mehrheit von 270 Stimmen verfehlen, entscheidet das Repräsentantenhaus. Diese Bestimmung enthält der zwölfte Zusatz zur Verfassung aus dem Jahr 1804. Zweimal schon hat das Abgeordnetenhaus eine solche "contingent election" erlebt, und zwar 1825 und 1837. Während das Repräsentantenhaus dann den Präsidenten wählt, entscheidet der Senat, wer der neue Vize-Präsident wird.

Falls es zu dieser Hängepartie kommen sollte, dürfte der neue Präsident der alte sein: Bisher ist das Repräsentantenhaus fest in der Hand von Bushs Republikanischer Partei. Am 2. November wird zwar auch die Zusammensetzung dieser ersten Parlamentskammer neu bestimmt - die meisten Beobachter erwarten aber, dass es erneut eine republikanische Mehrheit geben wird.

Präsident Bush, Vize Edwards?

Die "contingent election" könnte im äußerten Fall zu der skurrilen Situation führen, dass das Repräsentantenhaus den republikanischen Präsidenten wählt, der Senat aber den Vizepräsidenten der Demokraten. Dann würde Bush im Weißen Haus von Kerrys "running mate" John Edwards begleitet.

Wie groß die Wahrscheinlichkeit für ein Patt in der Versammlung der 538 Wahlleute am 6. Januar 2005 ist, kann niemand berechnen. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit eines "Treulosen" unter den Wahlleuten, der bei der Abstimmung einen anderen Kandidaten wählt als den, für den er entsandt wurde. Seit 1948 ist dies acht Mal der Fall gewesen. (sams)