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Bilanz einer Ministerin

Armin Himmelrath14. Februar 2013

Mehr Geld für die Forschung, aber wenig Einsatz für Studenten und Schüler - Annette Schavan muss nach ihrem Rücktritt neben viel Lob auch herbe Kritik einstecken. Die Bilanz ihrer Amtszeit ist gemischt.

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Annette Schavan (Foto: Reuters)
Bild: REUTERS

Annette Schavan war als Politikerin ein Phänomen: Einerseits galt sie über Jahre hinweg als Ministerin mit den schlechtesten Bekanntheitswerten in der Bundesregierung, andererseits erntete die zurückhaltende CDU-Frau auch von politischen Gegnern immer wieder Lob für ihre Forschungspolitik. Denn tatsächlich schaffte sie es, den Forschungshaushalt während ihrer Amtszeit kontinuierlich auszubauen.

"Sie hat intensiv auf Investitionen im Bildungsbereich gedrungen und war damit erfolgreich", sagt etwa Erich Thies, der frühere Generalsekretär der deutschen Kultusministerkonferenz. "Und ihr ist es gelungen, das dann auch im Kabinett durchzusetzen." Während die meisten anderen Minister sparen mussten, schaffte es Annette Schavan immer wieder, noch mehr Geld für die Forschung herauszuholen. So stieg der Etat ihres Ministeriums im laufenden Jahr auf 13,7 Milliarden Euro – ein deutliches Plus von über sechs Prozent gegenüber 2012.

Fokus auf der Forschung

"Diese Bundesregierung investiert so viel in Wissenschaft und Forschung wie keine zuvor", lobte Schavan sich in einem Interview mit der Deutschen Welle einmal selbst. "Insofern darf ich nicht unzufrieden sein, aber klar ist auch: Wissenschaft und Forschung sind die Quellen künftigen Wohlstands."

Auf der Erfolgsliste Schavans für ihre Zeit als Ministerin stehen außerdem die Fortsetzung der Exzellenzinitiative, bei der besonders gute Forschung an Universitäten mit Milliardensummen gefördert wird, die Förderung der außeruniversitären Forschung und die Einrichtung etlicher neuer Forschungsschwerpunkte.

Herbe Kritik von Studenten

Doch Annette Schavan war als Bundesministerin seit 2005 ja nicht nur für Forschungsfragen, sondern auch für Bildungspolitik zuständig – und da fällt die Bilanz deutlich anders aus. Der Kölner Studentenvertreter Patrick Schnepper jedenfalls sagt deutlich: "Nach ihrem Rücktritt kann es für die Studentinnen und Studenten in Deutschland nur besser werden."

Nach Ansicht Schneppers hat Annette Schavan bei vielen bildungspolitischen Fragen rund um die Hochschulen eine schlechte Figur gemacht. "Sie hat es nicht geschafft, ein vernünftiges deutschlandweites System für den Hochschulzugang zu implementieren", kritisiert der Student. Noch immer müssten sich die Studierenden an allen möglichen Hochschulen für einen Studienplatz bewerben - und das bei einem "Hyper-Andrang von Studierenden durch die doppelten Abiturjahrgänge".

Patrick Schnepper (Foto: privat)
Der Kölner Studentenvertreter Patrick Schnepper kritisiert die Arbeit der scheidenden MinsterinBild: Privat

Nachlassendes Interesse am Bologna-Prozess

Außerdem habe die Bildungsministerin es in ihrer siebenjährigen Amtszeit versäumt, das Angebot an Master-Studienplätzen auszubauen. Überhaupt sei sie die Probleme bei der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master im Rahmen des Bologna-Prozesses nicht wirklich angegangen, meint Schnepper.

Annette Schavan hatte zwar die Einrichtung eines europaweiten Hochschulraums immer wieder verteidigt und als wichtiges europäisches Projekt bezeichnet. Doch tatsächlich ließ ihr Interesse am Bologna-Prozess und seinen Folgen zunehmend nach. An den letzten europäischen Ministertreffen zum Thema nahm sie nicht mehr selber teil, und auch eine deutsche Bologna-Konferenz, eigentlich für den vergangenen Herbst angekündigt, sagte sie ersatzlos ab. Das sorgte insbesondere bei Studentenvertretern für Ärger, schließlich hatten sie dort über Probleme wie den hohen Prüfungsdruck und fehlende Studienplätze diskutieren wollen.

Noch viele Baustellen in der Bildung

So bleibt nach gut siebenjähriger Amtszeit von Annette Schavan als Bundesministerin für Bildung und Forschung eine gemischte Bilanz: Forschungspolitisch war sie erfolgreich, und besonders die Anhänger einer stärkeren Förderung der Spitzenforschung werden sie vermissen. Im Bereich der allgemeinen Bildungs- und Hochschulpolitik dagegen hinterlässt Annette Schavan etliche Baustellen.

Ihre Nachfolgerin Johanna Wanka, Mathematikprofessorin und langjährige Bildungsministerin in den Bundesländern Brandenburg und Niedersachsen, hat zwar im gleichen Jahr wie Schavan ihren Doktortitel erhalten, unterscheidet sich aber persönlich und politisch deutlich von ihrer Vorgängerin.

Johanna Wanka (Foto: dpa)
Welchen Kurs wird die neue Bildungsministerin Johanna Wanka einschlagen?Bild: picture-alliance/dpa

Wanka ist evangelisch und kommt aus Ostdeutschland. Sie hat sich vor allem als konservative Bildungspolitikerin einen Namen gemacht und ist bis heute eine glühende Verfechterin von Studiengebühren. Dabei sollen diese Gebühren gerade in den letzten beiden Bundesländern, die sie noch erheben, abgeschafft werden – in Bayern und in Niedersachsen, wo Wanka zuletzt als Bildungsministerin aktiv war. Forschungspolitisch ist die neue Bundesministerin bisher kaum aufgefallen – und ob sich das in den verbleibenden sieben Monaten bis zur Bundestagswahl ändern wird, bleibt abzuwarten.