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Perspektive für Nachwuchswissenschaftler

Gerhard Brack15. November 2012

Die meisten Uni-Mitarbeiter sind befristet angestellt. In München will man mehr Planbarkeit für Nachwuchswissenschaftler und hat sich von Karrieremodellen aus den USA inspirieren lassen.

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Klaus Förstemann sitzt in seinem Labor und schüttelt betäubte Fruchtfliegen aus einem Reagenzglas auf eine Arbeitsfläche. Dann sortiert er mit einem Pinsel Männchen und Weibchen auseinander: "Hier auf der einen Seite haben wir die Herren. Und hier die Damen sind etwas größer, denn die legen ja die vielen Eier."

Was Klaus Förstemann in seinem Labor macht, ist wissenschaftliche Grundlagenforschung. Der 40-Jährige ist Professor am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und interessiert sich für grundlegende biologische Phänomene, aus denen man später vielleicht einmal mehr über die Erkrankungen von Menschen erfahren kann.

Prof. Klaus Förstemann bei der Untersuchung von Fruchtfliegen am Mikroskop (Foto: Gerhard Brack)
Bild: DW/Gerhard Brack

Perspektive auf eine frühe unbefristete Beschäftigung

Sieben Fachkräfte und Doktoranden hat Klaus Förstemann in seinem Labor eingestellt. Sie erforschen das Erbgut von Fruchtfliegen. Vor sechs Jahren startete er mit seiner Arbeit am neuen Genzentrum. Chancen auf eine Festanstellung hätte er nach seinem Studium und der Postdoc-Zeit in den USA und der Schweiz auch in anderen Ländern gehabt. Entscheidend für ihn war aber, dass die LMU München seine Professur als Tenure Track ausgeschrieben hatte, also mit der Perspektive einer frühen Einstellung auf Lebenszeit.

Das Tenure Track-Modell gibt es weltweit bereits in vielen anderen Ländern. In Deutschland hingegen betreten die Hochschulen damit Neuland. Hier arbeitet die große Mehrheit der Beschäftigten, vor allem im akademischen Mittelbau, befristet - Tendenz seit Jahren steigend. Viele Verträge haben eine Laufzeit von unter einem Jahr. Mit der Einführung des Tenure Track wollen einige deutsche Hochschulen ihren Mitarbeitern jetzt eine größere Sicherheit geben. Dieses Ziel hat sich auch die LMU auf die Fahnen geschrieben. "Mit dem Tenure Track weiß man, dass man sich nicht auf den Schleudersitz begibt, von dem klar ist, dass man sich nach fünf, sieben oder spätestens nach neun Jahren anderswo eine Stelle suchen muss", sagt Klaus Förstemann, der zwei kleine Kinder hat.

Fruchtfliegen im Labor von Prof. Klaus Förstemann, LMU München (Foto: Gerhard Brack)
Fruchtfliegen verraten mehr über grundlegende biologische PhänomeneBild: DW/Gerhard Brack

Uni kann Bewerber vor der Festanstellung evaluieren

Vor allem in familiärer Hinsicht, aber auch wissenschaftlich bot ihm das Tenure Track-System wichtige Sicherheiten. So konnte er sich hier auf seine Forschung konzentrieren und musste sich nicht nach einer neuen Stelle an einem anderen Ort umsehen. Und auch die Hochschule hat Vorteile vom neuen Verfahren. Sie ist beim Tenure Track keineswegs von Anfang an festgelegt auf eine Festanstellung des Bewerbers. Nach sechs Jahren prüft nämlich eine Kommission der LMU, ob sie die Stelle tatsächlich verstetigt, also in eine Dauerstelle umwandelt, oder nicht.

Prof. Klaus Föstemann, Tenure Track-Professor an der LMU (Foto: Gerhard Brack)
Klaus Föstemann weiß die bessere Planbarkeit seiner Karriere durch den Tenure Track zu schätzenBild: DW/Gerhard Brack

Für Bernd Huber, den Präsidenten der LMU, ist das Umschwenken seiner Hochschule auf das Tenure Track-Modell inzwischen ein überzeugender Standortfaktor: "Attraktiv ist es deswegen, weil man als junger Wissenschaftler beziehungsweise Wissenschaftlerin sehr früh auf eine Professorenstelle kommt", sagt Bernd Huber. "Zum zweiten ist es attraktiv, dass man auf dieser Professur vielfältige Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten hat, also sehr weitgehend unabhängig ist." Außerdem sei der Tenure Track attraktiver besoldet als die Juniorprofessur, weil man schon ein Professorengehalt bekomme. Und schließlich sei die Möglichkeit, eine Dauerstelle zu bekommen, in diesem Modell fest vorgesehen.

Gebäude am Genzentrum der LMU im Münchner Südwesten, (Foto: Gerhard Brack)
Genzentrum der Ludwig-Maximilians-UniversitätBild: DW/Gerhard Brack

LMU und TU gehören zu den Vorreitern beim Tenure Track

Auch die andere große Münchner Universität, die Technische Universität (TU) München, setzt in Zukunft verstärkt auf das Tenure Track-System. Bis 2020 will die TU hundert neue Tenure Track-Professuren einrichten. Damit wolle sie insbesondere junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland anlocken, sagt der Sprecher der Hochschule, Ulrich Marsch. "Das ist eigentlich für alle eine richtige Win-Win-Situation. Die jungen Leute kriegen bei uns einen planbaren, transparenten und von vornherein offen gelegten Karriereweg. Und die Uni profitiert davon, dass wir mehr Personen bekommen für die Lehre, hundert neue Professuren mit jungen Leuten aus dem Ausland, Deutsche wie Nicht-Deutsche."

Die TU gestaltet ihr Tenure Track-Modell anders als die LMU. Berufen werden vor allem Promovierte mit sehr guten Noten und einem Auslandsaufenthalt für zunächst sechs Jahre. Ein stellenbezogenes Coaching gehört an der TU ebenso fest zum Programm wie im Erfolgsfall die spätere Hochstufung zur W3-Professur, der höchstdotierten Professur im deutschen Hochschulsystem. Die einzelnen Bestandteile des Tenure Track-Modells hat sich die TU an verschiedenen Hochschulen vor allem in den USA abgeschaut, sagt Ulrich Marsch. "Wir haben uns die wichtigsten Pendants in den USA angeschaut und gefragt, was ist wo wie geregelt. Und das haben wir für uns übernommen und angepasst."

Das US-amerikanische Modell stand Pate

Mit dem neuen System wird es leichter, fähige Professoren, die bereits an der TU arbeiten, auch an der TU zu halten. Davon ist die Universität überzeugt. Denn bislang waren die sogenannten Hausberufungen nur in Ausnahmefällen zulässig, so Sprecher Ulrich Marsch. Noch ist keine der neuen Tenure Track-Stellen der TU besetzt. Die Ausschreibungen für die ersten sechs von insgesamt hundert Stellen endete Mitte November. Gesucht werden dafür unter anderem Experten für Biotechnologie und Computerwissenschaft.