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Freiwilligenarbeit

Karin Lamsfuß 14. März 2007

Bereits jeder vierte Deutsche engagiert sich nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes freiwillig, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Freiwilligenagenturen vermitteln ehrenamtliche Arbeitsstellen.

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Eine ältere Frau nimmt in einer Suppenküche einen Teller mit Suppe entgegen(Quelle: dpa)
Ohne freiwillige Helfer könnte so manche Suppenküche oder Beratungsstelle dicht machenBild: dpa

Sie kochen für Obdachlose in kirchlichen Suppenküchen, setzen sich für Menschenrechte bei Amnesty International ein oder kämpfen bei Greenpeace gegen anhaltende Umweltzerstörung. Ihre unbezahlte Arbeit wird immer wichtiger, denn durch sinkende Einnahmen können Staat und Kirche viele gemeinnützige Aufgaben nicht mehr wahrnehmen.

Altenheime, Suchtberatungsstellen, Hospize oder Obdachlosenheime empfangen kostenlose Helfer daher mit offenen Armen. Doch oft läuft das chaotisch ab: es fehlen Strukturen, um das Ehrenamt sinnvoll zu managen. Aus diesem Grund haben sich in den vergangenen Jahren bundesweit Freiwilligenagenturen gegründet. Allein in der Millionenstadt Köln gibt es sechs davon. Ihre Aufgabe: jedem interessierten Freiwilligen eine ehrenamtliche Tätigkeit zu vermitteln, die zu ihm passt.

Freiwilligenarbeit muss gut vorbereitet sein

Ehrenamtliche Mitarbeiterin im Beratungssgespräch bei der Telefonseelsorge (Quelle: dpa)
Telefonseelsorge: Wie geht man mit Anrufern um, die akute Lebenshilfe brauchen?Bild: dpa

Die Juristin Simone Schuster fand direkt nach dem Studium zunächst keinen Job. Um nicht den ganzen Tag zu Hause zu hängen, wandte sie sich an den Sozialdienst katholischer Frauen - eine kirchliche Einrichtung, die sich unter anderem um Drogensüchtige, Prostituierte, psychisch Kranke oder Frauen mit Gewalterfahrungen kümmert. Dort wurde sie von der zuständigen Referentin für das Ehrenamt umfassend beraten. "Ich wurde darüber aufgeklärt, wie es zum Beispiel ist, wenn sich jemand selbst verletzt und darüber spricht - wie gehe ich damit um? Was rate ich dem?" Die 27-Jährige moderiert seither den anonymen Internetchat für misshandelte Frauen - ein Projekt, das ohne Freiwillige wie Simone Schuster nicht finanzierbar wäre.

Im Chat geht es oft um traumatische Erlebnisse und schwerste Gewalt. So etwas erfordert ausführliche Beratung und sorgsame Vorbereitung. Man muss auch entscheiden, ab wann die virtuelle Kommunikation als tatsächliche Beratung in die Hände einer festangestellten Sozialarbeiterin gehört.

Ehrenämter werden immer anspruchsvoller

Eine Lese-Oma liest Kindern in einem Kindergarten eine Geschichte vor (Quelle: dpa)
Auch im Kindergarten ist Ehrenamt gefragt: Geschichten-Vorleserin bei der ArbeitBild: dpa - Report

All das zu begleiten und zu koordinieren ist Aufgabe von Anne Rossenbach, der Referentin für das Ehrenamt beim Sozialdienst katholischer Frauen (SKF). Während andere Freiwilligenagenturen Angebot und Nachfrage vieler kleiner gemeinnütziger Vereine koordinieren, haben große Institutionen wie der SKF eine eigene interne Vermittlungsagentur geschaffen. Denn hier kommt auf zwei hauptamtliche bereits eine ehrenamtliche Mitarbeiterin. "Das ist richtig Arbeit!", sagt Anne Rossenbach. "Ein Ehrenamt ist nichts, was man irgendwie mal anstößt, und das dann so von alleine läuft. Man muss wirklich permanent gucken: Wie finde ich neue Ehrenamtliche? Wie kann ich sehen, dass die was kriegen, was ihnen auch Spaß macht? Passen sie mit anderen Ehrenamtlichen zusammen?"

Auf professionelle Vermittlung können Kirchen, Kommunen und Wohlfahrtsverbände vor allem deshalb kaum noch verzichten, weil das Ehrenamt zum einen in den letzten Jahren viel anspruchsvoller geworden ist und zum anderen, weil viele Freiwillige eine sehr hohe Qualifikation mitbringen. Und durch die hohe Arbeitslosigkeit von mittlerweile gut vier Millionen Menschen steigt die Nachfrage nach sinnvollen Tätigkeiten stetig.

Von der Arbeitslosigkeit ins Ehrenamt?

Beim Sozialdienst Katholischer Frauen ist bereits jede zweite Freiwillige arbeitslos. Oft sind sie hoch qualifiziert: Ärztinnen, Psychologinnen oder Sozialarbeiterinnen hat Anne Rossenbach in ihrer Kartei. Doch darin liegt auch ein gewisser Zündstoff, denn während die einen regulär bezahlt und im Team arbeiten, sind die anderen, gleich qualifizierten Frauen lediglich als Ehrenamtliche - und unbezahlt - beschäftigt:

Die Arbeitslosen würden sich oft Hoffnung machen, über das Ehrenamt wieder in einen Job zu kommen, so Anne Rossenbach. Auch das ist eine Aufgabe der Freiwilligenagenturen: Sie stellen sich der Tatsache, dass in Deutschland mittlerweile zwei Gruppen von Menschen um Arbeit konkurrieren: Die einen sind fest angestellt mit guter Bezahlung und die anderen arbeiten ehrenamtlich zum Nulltarif. Vermitteln, betreuen und Anerkennung schenken, aber auch schlichten, wenn es mal Stress gibt – bei all dem sind die Freiwilligenagenturen gefragt.

Simone Schuster hat nach neun Monaten Arbeitslosigkeit ihren ersten Job als Rechtsanwältin in einer Kanzlei. Den Chat für Frauen mit Gewalterfahrungen betreut sie weiterhin. Dass das Ehrenamt in ihrem Leben einen festen Platz bekommen hat, ist wohl nicht zuletzt das Ergebnis einer professionellen Beratung. Für sie ist es eine Belohnung, "das Gefühl zu haben: man hat etwas geschafft, man hat jemanden glücklich gemacht. Oder irgendwer freut sich einfach darüber, dass man da ist."