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Arbeitsmarktreform vom Kabinett beschlossen

20. Oktober 2010

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf für die neuen Hartz IV-Regelsätze verabschiedet. Scharfe Kritik kam nochmals von der SPD. Sie will im Bundesrat nur zustimmen, wenn nachgebessert wird.

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Ein Mann durchsucht in Köln Abfalleimer nach verwertbarem Müll (Foto: dpa)
Immer wieder ist Armut in Deutschland sichtbarBild: picture-alliance/dpa

Die vielfach kritisierte Reform der Hartz IV-Grundsicherung nimmt Gestalt an. Der Gesetzentwurf von CDU-Sozial- und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hat an diesem Mittwoch (20.10.2010) das Bundeskabinett passiert.

Die Vorlage sieht vor, dass der Regelsatz für das Existenzminimum von Erwachsenen im kommenden Jahr um fünf Euro auf 364 Euro im Monat steigen soll. Die Regelsätze für Kinder bleiben unverändert. Allerdings sollen die fast zwei Millionen Kinder von Langzeitarbeitslosen über ein Bildungspaket gefördert werden. Von der Leyen favorisiert eine vom Bund finanzierte sogenannte Bildungs-Chipkarte zur Bezahlung von Betreuungs-, Bildungs- und Sportangeboten. Von den Bildungszuschüssen sollen auch die Kinder von Geringverdienern profitieren. Für das Gesamtpaket hat die Regierung gut 900 Millionen Euro zusätzlich eingeplant.

Offene Hand mit 5 1 Euro-Stücken (Foto: dpa)
Fünf Euro mehr...Bild: picture-alliance/dpa

Mit dem Gesetz wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar umgesetzt. Die Richter in Karlsruhe hatten die Festsetzung der Hartz IV-Regelsätze beanstandet und mehr Transparenz bei der Berechnung verlangt.

Unmittelbar vor der Sitzung des Kabinetts kritisierten die oppositionellen Sozialdemokraten und der Deutsche Caritas-Verband die Gesetzesvorlage nochmals scharf und verlangten Nachbesserungen.

Bürokratisches Monster

"Die Reform ist ein bürokratisches Monster und völlig unausgewogen", meinte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig in der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf. Bundessozialministerin von der Leyen habe die große Chance verspielt, im Kampf gegen Kinderarmut entscheidend voranzukommen. Der Vorschlag, die Jobcenter mit der Umsetzung des Bildungspakets zu beauftragen, sei völlig weltfremd.

Mittagessen im Kinder- und Jugend-Projekt "Die Arche" in Berlin (Foto: dpa)
Mittagessen im Kinder- und Jugend-Projekt "Die Arche" in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Die SPD-Politikerin knüpfte das Ja ihrer Partei im Bundesrat, wo die Regierungskoalition aus Union und FDP keine Mehrheit hat, an Korrekturen. "Frau von der Leyen muss deutlich nachbessern, wenn sie die Zustimmung der SPD haben will", sagte Schwesig.

Ähnliche Töne kamen vom rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck. "Meine Partei ist gesprächsbereit, wird im Bundesrat aber keinem Gesetz zustimmen, das hinten und vorne unstimmig ist", sagte Beck dem "Tagesspiegel" in Berlin. "Wir verlangen ein Bildungspaket für Kinder, das seinen Namen auch verdient und von dem auch die Kinder von Geringverdienern profitieren", ergänzte er.

Der Vize-Chef der SPD-Fraktion, Hubertus Heil, sagte, von der Leyen habe "vollmundige Ankündigungen" gemacht. Mit dem Bildungspaket stünden Kindern aus Hartz IV-Familien pro Monat aber nur zehn Euro an Sachleistungen zur Verfügung. "Davon kann man nicht mal sich bei einer Musikschule anmelden."

Caritas ist entsetzt

Ganz und gar unzufrieden mit den geplanten Neuregelungen für Kinder aus bedürftigen Familien ist auch der Deutsche Caritas-Verband. "Das hat uns schockiert", sagte sein Präsident, Prälat Peter Neher. Nach Berechnungen der Caritas hätte der Satz für Kinder um 20 bis 40 Euro erhöht werden müssen. Neher verwies auch auf die "verdeckten Armen" der Gesellschaft, also Familien, die Anspruch auf Hartz IV hätten, die Unterstützung aber nicht beantragen. "Nach wissenschaftlichen Schätzungen gibt es derzeit fast fünf Millionen Arme in Deutschland", sagte der Caritas-Präsident.

Ministerin drückt aufs Tempo

Sozialministerin von der Leyen äußert sich vor Journalisten am 20.09. 2010 in Berlin zu Hartz-IV (Foto: dapd)
Ministerin von der Leyen hält an ihrem Konzept festBild: dapd

Von der Leyen wies nochmals auf das enge Zeitfenster zur Verabschiedung der Hartz IV-Reform hin. "Direkt nach dem Kabinettsbeschluss möchte ich die Regierungs- und Oppositionsfraktionen sowie Ländervertreter einladen, um Gemeinsamkeiten und Lösungswege auszuloten."

Die CDU-Politikerin betonte zugleich, dass es in den anstehenden Gesprächen nicht um zusätzliches Bargeld für Kinder von Hartz IV-Empfängern gehen könne. Dass künftig Bildungsangebote als Sachleistungen angeboten werden sollen, sei für sie nicht verhandelbar. "Dafür mussten und müssen wir viel tun. Denn das Bequemste, aber langfristig Teuerste ist es, einfach mehr Geld bar zu verteilen", sagte von der Leyen.

Die Karlsruher Richter hatten in ihrem Urteil eine Umsetzung der Reform bis zum Jahresende verlangt. Am 3. Dezember soll der Bundestag über das Gesetz abstimmen. Die Entscheidung im Bundesrat ist für den 17. Dezember angesetzt.

Autorin: Susanne Eickenfonder (mit dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Marion Linnenbrink