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Neue EU-Arbeitszeit

10. Juni 2008

Bis zu 65 Stunden Arbeitszeit pro Woche sollen künftig in der EU erlaubt sein. So genannte inaktive Bereitschaftszeit wird nicht mehr zur Arbeitszeit gerechnet. Die Gewerkschaften sind empört.

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Frau stellt Uhr um (Quelle: DPA)
Wann ist spätestens Feierabend? Die EU regelt dasBild: Picture-Alliance /dpa

In der EU soll länger gearbeitet werden können. Die EU-Arbeitsminister haben sich am Dienstag (10.06.2008) auf eine neue Richtlinie geeinigt. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt demnach weiterhin 48 Stunden. Allerdings kann sie unter bestimmten Bedingungen überschritten werden. In diesem Fall muss aber die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden, außerdem muss die längere Arbeitszeit durch Gesetz oder Tarifverträge geregelt werden, hieß es. Die Regelung muss noch von Europaparlament verabschiedet werden.

Mehrarbeit durch "inaktive" Arbeitszeit

Arzt in der OP (Quelle: DPA)
Ärzte fürchten MehrarbeitBild: PA/dpa

Im Einzelfall ist nach der neuen Richtlinie eine Wochenarbeitszeit von bis zu 65 Stunden möglich. Die EU unterscheidet außerdem grundsätzlich zwischen aktiver und inaktiver Bereitschaftszeit. "Der inaktive Teil der Bereitschaftszeit wird nicht als Arbeitszeit betrachtet, es sei denn nationales Recht oder (...) Tarifrecht regeln dies anders", heißt es dazu. Betroffen davon sind vor allem Ärzte, Rettungsdienste oder Feuerwehren.

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Einigung. In Deutschland würden Bereitschaftszeiten, etwa von Ärzten, als Arbeitszeit gerechnet, dabei könne es nun bleiben. Deutsche Tarifverträge könnten nun "unverändert oder nur mit geringen Anpassungen bestehen bleiben können", lobte er. Bei der Leiharbeit werde der in Deutschland bereits seit 2004 geltenden Grundsatz "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" nun europaweit angewandt. "Eine gute Lösung für Europa", nannte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den EU-Kompromiss. Er lasse den Mitgliedstaaten Flexibilität. Von einem "großen Fortschritt für europäische Arbeitnehmer" sprach EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla.

Deutsche Gewerkschafter warnen vor Verschlechterung

Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter kritisierten die Einigung. "Das ist kein guter Deal", sagte Catelene Passchier, Sekretärin für Sozialpolitik und Arbeitsrecht beim Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB). Sie forderte das EU-Parlament auf, dem Text nicht zuzustimmen. Auch manche EU-Länder sind mit der neuen Arbeitszeitrichtlinie nicht einverstanden, weil Arbeitnehmer nicht gut genug schützt würden. "Das ist ein Rückschritt bei den sozialen Richtlinien", sagte Spaniens Minister Celestino Corbacho. Für die nun vereinbarte Neuregelung hatten sich vor allem Deutschland und Großbritannien stark gemacht.

"Im Zwiespalt zwischen Arbeitsschutz und Gewinnstreben haben sich die Arbeitsminister klar für die Wirtschaft und gegen die Arbeitnehmer entschieden", kommentierte Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, die Einigung der EU. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach von einem "Einfallstor" für eine schlechtere Bezahlung von Arbeitnehmern.

Die Ärztevertretung Marburger Bund warnte davor, das deutsche Arbeitszeitrecht zu ändern und Bereitschaftszeiten nicht mehr als Arbeitszeit anzuerkennen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßte die Einigung hingegen. Nun bestehe die Chance, die "künstliche Verknappung der ärztlichen Arbeitszeit" zu beenden, die durch die Anrechnung von Ruhezeiten während des Bereitschaftsdienstes erzeugt worden sei. (det)