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Der Besonnene

13. Juli 2010

Keiner kann ihn von seinem Ziel abbringen: Arif Ünal. Der neue Abgeordnete der Grünen im NRW-Landtag will Gesundheits- und Migrationspolitik umkrempeln. Rechtsextreme Internetseiten trommeln dumpfen Haß.

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Arif Ünal (Foto: Die Grünen)
Arif ÜnalBild: Grüne Landtagsfraktion NRW

Arif Ünal ist ein ruhiger und besonnener Mensch. Es scheint nicht viel zu geben, das ihn aus der Fassung bringen könnte. Doch in diesen Tagen erlebt er eine schwierige Zeit. Täglich erhält er mehrere hundert anonyme E-Mails mit rassistischen Beschimpfungen und Drohungen. In rechtsextremen Internetforen wird gegen ihn und den Islam gehetzt. Alles nur, weil er es gewagt hat, etwas zu verändern.

Arif Ünal ist Abgeordneter der Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Am Tag der Vereidigung stellte er im Namen seiner Fraktion den Antrag, die traditionelle Eidesformel abzuändern. Statt "auf das Wohl des deutschen Volkes" zu schwören, soll die Formel in Zukunft "auf das Wohl aller Menschen in NRW" lauten. Hintergrund sind die rund zwei Millionen Menschen ohne deutschen Pass in NRW, die im traditionellen Schwur keine Berücksichtigung finden. "Ich verstehe mich nicht nur dem deutschen Volk in diesem Sinne verpflichtet, sondern allen Menschen, die in NRW leben." Der Antrag wurde angenommen. Die Rechtsradikalen sehen mit der Abänderung der Eidesformel jedoch den Untergang der deutschen Kultur eingeläutet. Was seitdem passiert, so Ünal, sei "nicht mehr schön". So wird er auf rechten Internetseiten zum Beispiel als "Einwanderungsparasit" verunglimpft, den man aus dem Parlament hätte prügeln sollen, oder als "Türkensau", die im Auftrag des Islam die Gesellschaft unterwandert.

Rechtsradikale hetzen im Internet

Der 57-Jährige ist verbittert und enttäuscht über diese Reaktionen. Schon damals vor 30 Jahren, als er Öffentlichkeitsarbeit für einen türkischen Verein machte, wurde er mit rechten Anfeindungen konfrontiert. Im Jahr 2010 scheint sich nichts geändert zu haben: "Es gibt natürlich in der Bundesrepublik eine große Gruppe, die aufgeklärt ist, aber es gibt auch immer noch Unverbesserliche, wirklich rassistisch denkende Menschen, deren Zahl zunimmt und die auch brutaler werden."

Vom Touristen zum Abgeordneten

Als Tourist kam er 1979 nach Deutschland, um seinen Bruder zu besuchen. Genau zu dieser Zeit gelangte in seinem Heimatland, der Türkei, das Militärregime an die Macht. Zurück konnte er nicht mehr, denn als Student hatte er sich in der Türkei für die demokratischen Mitspracherechte der Studentenschaft eingesetzt. Ein Dorn in den Augen der Militärregierung. So wurde aus dem geplanten Kurzaufenthalt in Deutschland eine dauerhafte Lösung.

Erst studierte er Medizin in Münster, dann Sozialarbeit in Düsseldorf. Während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Kölner Gesundheitsforum, einem Gremium von Ärzten und Fachleuten, wurde ihm bewusst, dass viele seiner türkischen Landsleute Probleme hatten, sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Daraufhin gründete er 1995 mit der Unterstützung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes das Gesundheitszentrum für Migrantinnen und Migranten in Köln. Hier werden seither hilfsbedürftige Migranten durch Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen beraten und betreut. In die deutsche Politik - genauer gesagt zu den Grünen - zog es ihn vor elf Jahren. Er versteht sich als Fachpolitiker in den Bereichen des Gesundheitswesens und der Migrationspolitik.

Nicht nur Sonntagsreden schwingen

Dass er jetzt durch jenen Antrag ins Visier der rechten Szene geraten ist, stellt für ihn keinen Grund dar, einen Rückzieher zu machen: Es gebe noch viel zu tun; sei es beim Thema Bildung, im Gesundheitswesen oder bei der der rechtlichen Gleichstellung von Migranten. Dafür will er sich im Landtag einsetzen.

Autor: Marco Jelic

Redaktion: Nicole Scherschun/Michael Borgers