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Arnold Vaatz, CDU: "Wir brauchen uns nicht zu verstecken"

3. Oktober 2010

Die ostdeutschen Politiker haben für die neuen Bundesländer Hilfen in Millardenhöhe ausgehandelt, meint Arnold Vaatz, Bundestagsabgeordneter der CDU. Eine ostdeutsche Herkunft sei heute kein Hindernis mehr.

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Arnold Vaatz, CDU-Bundestagsabgeordneter (Foto: Arnold Vaatz)
Arnold Vaatz, CDU-BundestagsabgeordneterBild: Arnold Vaatz

"Ich bin im Februar 1990 in die CDU eingetreten. Die Wiedervereinigung stand auf der Agenda und ich ging davon aus, dass sich das Parteienspektrum der Bundesrepublik auf die DDR ausdehnen würde. Es war unvorstellbar, dass die ostdeutschen Bürgerbewegungen, die ja sowieso kaum politikfähig waren, die Chance gehabt hätten, in Bayern oder Nordrhein-Westfalen zu Volksparteien zu werden. Wenn man mitgestalten will, muss man sich bereit finden, in den großen Parteien mitzuarbeiten und die Partei, die meinen Vorstellungen am meisten entsprach, war die CDU.

Wir hatten damals bedauerlicherweise eine zweigeteilte CDU. Es gab dort eine ganze Reihe Politiker aus der Blockpartei CDU, die vor nicht allzu langer Zeit noch genau das Gegenteil von dem gesagt hatten, was sie nun vertraten. Die Neuzugänge aus Oppositionskreisen waren willkommen, weil sich die Alt-CDU vom Image der Blockpartei reinigen wollte. Für uns Neue war aber sofort klar, dass wir dort keine Mehrheit haben. Ich wollte dafür sorgen, dass diejenigen, die die CDU zu einer SED-konformen Partei gemacht hatten, nicht die CDU-Ost von morgen repräsentieren. Im Laufe der Jahre habe ich mein hartes Urteil gegenüber der Blockpartei aber in einigen Punkten revidiert. Denn ich habe erst in der CDU erfahren, dass es auch in der Blockpartei Leute gab, die sich dem SED-Kurs widersetzt hatten.

CDU-Ministerpräsident Lothar de Maizière und Abgeordnete seiner Partei in der letzten DDR-Volkskammer 1990 (Foto: ZB)
CDU-Ministerpräsident Lothar de Maizière und Abgeordnete seiner Partei in der letzten DDR-Volkskammer 1990Bild: picture-alliance/ZB

Ich gehörte damals zu denjenigen, die sich dafür eingesetzt haben, dass der ehemalige CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf aus dem Westen als Ministerpräsident nach Sachsen kommt. Wir standen vor der Aufgabe, ein Recht zu administrieren, das wir bis vor wenigen Wochen noch gar nicht kannten. Man kann aus schlichter Unkenntnis schwerwiegende Fehler begehen, die das Land über Generationen im Griff behalten. Aus dem Grunde habe ich damals drauf bestanden, dass die sächsische Landesregierung von jemandem geführt wird, der weiß, was die Instrumente im Cockpit anzeigen, der das westdeutsche Recht kennt und der uns vor solchen Fehlern bewahrt. Es hat sich dann gezeigt, dass das die richtige Entscheidung war. Die ostdeutschen Ministerpräsidenten, die in den anderen neuen Ländern an der Spitze standen, mit Ausnahme von Manfred Stolpe von der SPD in Brandenburg, sind innerhalb kürzester Zeit gescheitert.

Es mag sein, dass die PDS stärker als Vertreterin ostdeutscher Interessen wahrgenommen wird als wir. Aber das hat mit der Realität nichts zu tun. Sie konnte anfangs ihren Oppositionsstatus ausnutzen, weil sie Dinge von sich geben konnte, die sich an der Realität nicht erproben lassen mussten. Ich glaube, dass wir uns da nicht verstecken müssen. Immerhin haben wir zwei Solidarpakte verhandelt und Transferleistungen für Ostdeutschland herausgeholt, die es in keinem anderen europäischen Land gibt, obwohl beispielsweise in Italien das Wirtschaftsgefälle zwischen Nord und Süd nicht viel anders ist, als zwischen Ost- und Westdeutschland. Natürlich müssen wir in der Ost-CDU unsere Vorstellungen auch gegen konkurrierende Auffassungen in der West-CDU durchsetzten. Wenn das nicht so wäre, wären wir eine ostdeutsche Lokalpartei.

Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident von Sachesen bis 2002. (Bild: AP)
West-Import: Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident von Sachsen bis 2002.Bild: AP

Ich bedaure auch, dass es im jetzigen Kabinett keinen ostdeutschen Minister gibt, aber dafür stellen wir die Kanzlerin. Das ist meines Erachtens der Beleg dafür, dass ihre Herkunft die Ostdeutschen nicht daran hindert, in der Politik eine hervorgehobene Rolle zu spielen. Wenn darüber hinaus ostdeutsche Politiker weniger stark erkennbar sind als westdeutsche, dann liegt das auch an der Medienlandschaft. Denn wer als Stimme des Ostens wahrgenommen wird, entscheiden nicht die Ostdeutschen, sondern die großen Fernsehanstalten. Und wenn Sie dort in die Führungsetagen schauen, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich, dann sehen Sie nicht einen einzigen Ostdeutschen."

Arnold Vaatz, 55, entstammt der kirchlich geprägten Oppositionsbewegung der DDR, engagierte sich 1989 zunächst im "Neuen Forum", einem Zusammenschluss mehrerer Bürgerrechtler-Parteien. 1990 trat er in die Ost-CDU ein und ist heute Sprecher der ostdeutschen Abgeordneten in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Aufgezeichnet von Mathias Bölinger
Redaktion: Peter Stützle