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Ein Leben für den Frieden

30. März 2010

Als der Konflikt um Nagorny Karabach begann, war Arsu Abdullajewa eine junge Frau. Heute, mit 54 Jahren, kämpft die Aserbaidschanerin immer noch für einen Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan.

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Porträtfoto von Arsu Abdullajewa (Foto: Uli Hufen)
Ein Leben für den Frieden ist nicht ungefährlichBild: DW

Es ist Freitagabend. Wie jede Woche tagt in Baku der Karabach-Rat in einem alten Gebäude an der Straße der Unabhängigkeit. Und wie jede Woche ist Arsu Abdullajewa dabei, eine der Leiterinnen des losen Zusammenschlusses von Wissenschaftlern, Journalisten und Friedensaktivisten. Krieg und Frieden, Nagorny Karabach und die aserbaidschanisch-armenischen Beziehungen sind das Lebensthema der 54-Jährigen.

Der Konflikt begleitet sie

Die Tagung des Karabach-Rats (Foto: Uli Hufen)
Der Karabach-Rat tagt einmal in der WocheBild: DW

Der Streit um Nagorny Karabach beginnt Anfang 1988: Das Gebiet, das auf Deutsch Bergkarabach genannt wird, gehört zur aserbaidschanischen Sowjetrepublik, doch drei Viertel der Bevölkerung sind Armenier. Alle beanspruchen das Gebiet für sich. Zu dieser Zeit ist Arsu Abdullajewa eine junge Historikerin an der Akademie der Wissenschaften in Baku. Inspiriert von der Perestroika wird sie Gründungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei und der Volksfront Aserbaidschans.

Dann verschärft sich der Konflikt um Nagorny Karabach: 750.000 Aserbaidschaner verlassen Armenien, 300.000 Armenier Aserbaidschan. In Baku kommt es Mitte Januar 1990 zu antiarmenischen Pogromen. Kurz darauf marschieren sowjetische Truppen in die Stadt ein, weit über 100 Menschen werden erschossen.

Engagement für den Frieden

Die Stadt Baku (Foto: Uli Hufen)
Baku ist die Hauptstadt von AserbaidschanBild: DW

Als die Sowjetunion 1991 zerbricht, werden Armenien und Aserbaidschan unabhängig - und aus dem Karabach-Streit wird ein offener Krieg. Auf dem Höhepunkt der Gewalt gründet Arsu Abdullajewa 1992 das Aserbaidschanische Komitee der Helsinki Citizens' Assembly, einer europäischen Vereinigung von Menschen- und Bürgerrechtsgruppen, die 1990 in Prag gegründet worden war.

Gemeinsam mit ihrer armenischen Kollegin Anahit Bayandur engagiert sich Abdullajewa für die Freilassung von Kriegsgefangenen und Geiseln. "Die Verwandten von Geiseln und Gefangenen waren sehr dankbar für unsere Arbeit", erzählt sie. Ihr Einsatz wird belohnt: 1993 erhalten Abdullajewa und Bayandur den Olof-Palme-Friedenspreis.

Kein Ende in Sicht?

Grabsteine mit Porträts der Toten (Foto: Uli Hufen)
Gedenken an die Toten des KarabachkriegesBild: DW

Trotz des Waffenstillstands, der 1994 geschlossen wurde, schwelt der Konflikt weiter. Armenien hält fast 15 Prozent des aserbaidschanischen Gebietes völkerrechtswidrig besetzt. Zwischen 20.000 und 30.000 Menschen sind im Krieg gestorben, eine Million hat ihre Heimat verloren. Wer da von Versöhnung redet, gilt entweder als naiv - oder als Feind.

Das bekommt auch Arsu Abdullajewa zu spüren: In den aserbaidschanischen Massenmedien beginnt eine Kampagne gegen sie und alle Aktivisten, die sich für einen Ausgleich zwischen Armenien und Aserbaidschan einsetzen. "Man hat versucht, mich zu entführen, es gab einen Mordanschlag, alles gab es - leider", erinnert sich Abdullajewa. Die Medien beschimpften sie als Verräterin und armenische Spionin. Doch die Friedensaktivistin gibt nicht auf.

Eine Zukunft ohne Konflikte

Arsu Abdullajewa im Gespräch mit anderen Frauen (Foto: Uli Hufen)
Arsu Abdullajewa träumt von einer Zukunft ohne KonflikteBild: DW

Während beide Länder mit erbarmungslosen nationalistischen Kampagnen versuchen, die Kriegsschuld auf den Gegner abzuwälzen und den eigenen Anspruch auf Nagorny Karabach historisch und rechtlich zu begründen, kämpft Abdullajewa mit friedlichen Mitteln gegen diese feindliche Stimmung, in der selbst die Kinder von klein auf im Geiste des Konfliktes erzogen werden. In ihrem aktuellen Projekt arbeitet sie gemeinsam mit Friedensaktivisten und Wissenschaftlern aus Aserbaidschan, Armenien und Georgien an Schullehrbücher zur Geschichte, Kultur und Literatur der Südkaukasusländer, in denen die Nachbarstaaten weder vergessen noch schlecht gemacht werden.

"Ich bin auch Bürgerin dieses Landes, und mir tut es weh, dass unsere Gebiete okkupiert wurden, und ich möchte, dass sie befreit werden", sagt Abdullajewa. "Aber nach all diesen Jahren wissen wir doch, dass daran nicht nur unsere Nachbarn, die Armenier, schuld sind. Unsere beiden Völker, wurden damals betrogen. Und darüber sollte in den Lehrbüchern gesprochen werden, damit wir eine stabile Zukunft ohne solche Konflikte bekommen."

Autor: Uli Hufen
Redaktion: Julia Kuckelkorn