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Asiatische Friedenspfeife

Frank Sieren13. November 2014

Das APEC-Treffen ist vorbei und die wichtigste Lektion des Gipfels lautet: Die Asiaten wollen ihre Probleme von nun an ohne den Westen lösen, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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US-Präsident Obama mit Amtskollegen Xi (Foto: Reuters/K. Kyung-Hoon)
Bild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Auf keinem APEC-Gipfel in den vergangenen 25 Jahren wurde so deutlich, wie sehr die Welt im Umbruch ist. Nichts ist mehr sicher. Die traditionellen Allianzen stehen zur Disposition. Und zwar alle.

Die führenden Politiker der Welt tasten sich langsam in die neuen Zeiten vor. Dabei sind sie angespannt und unsicher. Das gilt besonders für die Pazifikstaaten. Denn die amtierende Weltmacht USA sitzt auf der einen Seite des Pazifiks. Ihr größter Herausforderer China auf der anderen. Jede noch so kleine Geste ist nun wichtig, vor allem die unbedachten.

Als Putin eine Decke über die Schulter der Ehefrau von Xi Jinping legt, will er sagen: China und Russland sind Freunde. Xi hingegen will keine Freundschaft, sondern Geschäfte machen und vor allem dem Westen zeigen, dass ihn dessen Streit mit Putin nicht interessieren muss: Zum dritten Mal in einem gut halben Jahr schließt Peking umfangreiche Wirtschaftsabkommen mit Moskau. Das ärgert Washington.

Japanisch-chinesische Annäherung

Mit gemischten Gefühlen betrachten die Amerikaner auch die Annäherung der Japaner an China. Der japanische Premierminister Shinzo Abe sucht nun offensichtlich das Gespräch mit Xi. Allerdings ist der Preis dafür hoch: Abe muss akzeptieren, Xi in Peking zu treffen. Dort läuft Abe mit ausgestrecktem Arm auf Xi zu, der nicht anders kann, als ihm ebenfalls die Hand zu reichen. Dieses Bild geht um die Welt, auch wenn Xi das kurze Gespräch frostig verlaufen lässt. Alle Welt sieht, wie verärgert Xi über Abe ist, während der japanische Premier ihm fast verlegen gegenübersteht. Zu einem richtigen Gespräch kommt es nicht.

Xi kann den Verlauf der Begegnung diktieren, weil Abe es sich wirtschaftlich auf Dauer nicht leisten kann, mit Peking auf Konfrontationskurs zu gehen. Die japanischen Investitionen in China sind um 40 Prozent zurückgegangen. Doch auf Peking zuzugehen, bedeutet immer auch, sich von Washington wegzubewegen. Und Japan ist der engste Alliierte der USA in Asien.

Frank Sieren (Foto: privat)
Bild: Frank Sieren

Wachstum und Wohlstand vor Sicherheit

Auch Südkorea, der zweite enge Partner Amerikas, ist Peking ein Stück näher gekommen. Beide Länder vereinbarten nach nur eineinhalb Jahren Verhandlungen ein bilaterales Handelsabkommen. Kein Wunder: Die USA sind zwar der wichtigste militärische Partner von Seoul. Die Chinesen sind jedoch der wichtigste Handelspartner. Reales Wachstum ist eben wichtiger als potenzielle Sicherheit.

Und auch Vietnam und China nutzen den Gipfel zur Annäherung. Beide Länder streiten sich seit Monaten um Territorien im Südchinesischen Meer, weshalb es im Sommer sogar zu schweren anti-chinesischen Protesten in Vietnam gekommen war. Vietnams Präsident Truong Tan Sang warb nun in Peking um eine Normalisierung der Beziehungen und betonte, dass chinesische Firmen sehr willkommen in Vietnam seien. Vietnam ist jedoch auch ein Land, um das Washington buhlt.

USA nicht mehr im Mittelpunkt - auch auf dem Foto

Noch nie bekam ein amerikanischer Präsident so deutlich zu spüren, dass Amerika zwar wichtig, aber eben nicht mehr unangefochtene Weltmacht ist. Xi ging Seite an Seite mit Obama zum traditionellen ACPEC-"Familienfoto", ließ ihn dann jedoch stehen. Links neben sich platzierte er Putin. Rechts stand der indonesische Präsident Joko Widodo, der Vertreter des zweigrößten APEC-Landes in Asien.

Auf dem Rückweg plauderte Xi mit Putin, während Obama etliche Schritte dahinter im Gespräch mit seiner südkoreanischen Kollegin Park Geun-hye folgte. Das Hauptfeld hat die Weltmacht eingeholt. Und selbst die opulente Wagenkolonne, deren Einsatz weltweit sich nur ein amerikanischer Präsident leisten kann, wurde vom chinesischen Protokoll nicht zugelassen.

APEC folgt chinesischem Vorschlag

So war es auch nicht überraschend, dass sich die 21 APEC-Mitglieder darauf einigten, dem chinesischen Vorschlag für ein pazifisches Freihandelsabkommen zu folgen und nicht dem amerikanischen ohne Russland und China. Dabei hatte Obama kurz vor Beginn des offiziellen Teils die befreundeten asiatischen Länder in die US-Botschaft geladen - darunter die Staatschefs von Japan, Südkorea, den Philippinen und Vietnam - um für sein Freihandelsabkommen zu werben. Obamas Mission für diesjährigen APEC-Gipfel lautete zudem, die verloren gegangenen Sympathien wieder einzuwerben. Vergangenes Jahr musste er ja dem Treffen zum Ärger vieler asiatischer Partner kurzfristig fernbleiben, weil es daheim dringendere Probleme zu lösen gab: Demokraten und Republikaner konnten sich wieder einmal nicht auf eine Anhebung der Schuldengrenze einigen.

Doch Obama konnte auch diese Mission kaum erfüllen. Die Botschaft von Xi an Obama wurde viel deutlicher gehört: "Mit Deinen asiatischen Freunden kooperieren wir immer enger. Und mit Deinen Feinden machen wir gute Geschäfte."

US-Präsident kann den Trend nicht umkehren

Obama hatte es schwer, unter diesen Umständen Punkte für die USA zu sammeln. Denn einen Trend kann auch ein noch so mächtiger und geschickter amerikanischer Präsident nicht drehen: Die Asiaten wollen zwar über den Pazifik hinweg eng kooperieren, vor allem auch mit den USA. Ihre Probleme wollen sie allerdings unter sich lösen. Insofern reagieren die Politiker Asiens mit gemischten Gefühlen, wenn Obama Sätze formuliert wie: "In dem Maße in dem China wächst, wollen wir, dass China ein Partner ist, der die internationale Ordnung unterschreibt und nicht untergräbt."

Das Problem dabei ist: Die internationale Ordnung, die Obama meint, wurde im Westen erfunden und durch westlich geprägte Institutionen stabilisiert. Xi hielt denn auch schon vor einigen Monaten mit einem anderen Satz dagegen: "Es sind die Asiaten, die über die Angelegenheiten Asiens entscheiden." An diesem Punkt nicken selbst die ärgsten Kontrahenten Chinas in Asien schon viel eher. Selbst Japans Premier Abe zeigte sich in den vergangenen Jahren immer wieder bockig gegenüber amerikanischen Wünschen. Gleichzeitig ärgern sich allerdings die Nachbarn Chinas darüber, wie selbstverständlich Peking eine Vormachtstellung innerhalb Asiens für sich beansprucht. "So wie die USA über die Welt bestimmen will, so will nun China über Asien bestimmen", bringt es ein philippinischer Diplomat auf den Punkt.

Peking gelingt es einstweilen, den Ärger durch Geschenke zu dämpfen: Mit der Gründung der von Peking initiierten Asiatischen Infrastruktur-Investment-Bank (AIIB) verspricht Xi den süd- und zentralasiatischen Nachbarn massive finanzielle Hilfen für den Bau von Häfen, Eisenbahnen und Straßen. Allein für diese neue Bank will Peking 50 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen und damit Asien vom Westen unabhängiger machen. Nicht nur China, sondern auch andere aufstrebende Volkswirtschaften wollen dieses Ungleichgewicht beenden.

Sieg für Obama nur beim Klimaschutz

Immerhin einen Punkt konnte Obama beim China-USA-Gipfel machen: Bisher hat sich Peking geweigert, ein Jahr festzulegen, von dem an der CO2 Ausstoß nicht mehr steigen soll. Jetzt hat Obama Xi auf das Jahr 2030 festlegen können. Selbst die offiziellen chinesischen Medien reagieren gemischt: Die einen freuen sich über eine absehbar bessere Umwelt. Die anderen befürchten, dass dies das chinesische Wachstum im rückständigen Hinterland zu sehr bremsen könnte.

Insofern hatte der Ort des Gipfeltreffens zwischen Obama und Xi symbolische Bedeutung. Die beiden redeten nicht wie sonst üblich in der Großen Halle des Volkes, sondern in einem Raum im abgeriegelten Regierungsviertel Zhongnanhai. An einem Ort, an dem die störrische Kaiserin Ci Xi im 19. Jahrhundert alle entmachtet hat, die Reformen wollten. Die versteckte Botschaft an Obama lautete: So kann es gehen, wenn man die Zeichen der Zeit ignoriert.

Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.