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Asyl für türkische Soldaten?

19. August 2016

Die griechische Justiz muss entscheiden, ob die nach dem misslungenen Putsch geflohenen türkischen Soldaten Asyl erhalten. In der Türkei geht die Verfolgung von vermeintlichen Regierungskritikern unvermindert weiter.

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Griechenland asylsuchende türkische Soldaten nach Putschversuch Foto Reuters/A. Konstantinidis
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Unter scharfen Sicherheitsmaßnahmen (Artikelbild) hat die erste Asylanhörung eines nach Griechenland geflohenen türkischen Soldaten begonnen. Mit sieben Kameraden war er nach dem gescheiteren Putsch in der Türkei an Bord eines Hubschraubers nach Griechenland geflohen und hatte sofort Asyl beantragt. Die Anhörung der anderen Militärs soll kommende Woche stattfinden.

Langer Prozess droht

Eine der Rechtsanwältinnen der Soldaten erklärte im Fernsehen, sie und ihre Mandanten würden "alles juristisch Mögliche tun, damit die Auslieferung der acht unschuldigen Menschen abgewendet wird". Wie der Athener Rechtsanwalt Giorgos Stamatopoulos sagte, könnte es mehrere Wochen dauern, bis die Asylrichter entscheiden. "Sollten die Militärs vor der Justiz und bis zum höchsten griechischen Gerichtshof gehen, dann könnte es sogar Jahre dauern", sagte Stamatopoulos weiter.

Türkei Putschversuch Armee Hubschrauber Foto: Getty Images/K. Cucel
In der Nacht flohen die Soldaten nach dem Putschversuch per Hubschrauber nach Nord-GriechenlandBild: Getty Images/K. Cucel

Die türkische Regierung verlangt, dass Griechenland die Männer sofort ausliefert. Ein entsprechender Antrag Ankaras ging beim griechischen Justizministerium am Vortag ein. Ankara beruft sich auf ein bilaterales Abkommen über die Auslieferung gesuchter Personen. Athen hat wiederholt erklärt, darüber werde die Justiz entscheiden. "Wir sind ein Rechtsstaat. Die Gerichte werden entscheiden", sagte der griechische Vize-Außenminister, Giannis Amanatidis, im griechischen Fernsehen. Dies soll nach Informationen der Athener Zeitung "Kathimerini" auch der griechische Regierungschef Alexis Tsipras seinem türkischen Kollegen, Binali Yildirim, bei einem Telefonat am Vortag gesagt haben.

Staatliche Repressalien gehen weiter

Unterdessen geht in der Türkei die staatliche Verfolgung von mutmaßlichen Verschwörern weiter. Die türkische Staatsanwaltschaft will 146 Akademiker wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaften lassen, die von der Regierung für den Putschversuch vom vergangenen Monat verantwortlich gemacht wird. Die Polizei habe einen Großeinsatz in 17 Provinzen gestartet und bereits 73 Akademiker festgenommen, meldeten die türkischen Nachrichtenagenturen.

Türkei Mugla Verhaftungen nach Putschversuch Foto: picture-alliance/Zuma/T. Adanali
Die Verhaftungswelle in der Türkei läuft ungebremst weiterBild: picture-alliance/Zuma/T. Adanali

Die meisten der Gesuchten arbeiten demnach an der Selcük-Universität im anatolischen Konya sowie an der Universität Istanbul. Allein in Istanbul wurden 44 Hochschullehrer festgenommen, 29 weitere in Konya, darunter auch der Ex-Hochschulrektor Hakki Gökbel. In Istanbul wurden die Büros und Wohnungen der Verdächtigen durchsucht.

Massive Verletzung von Menschenrechten

Seit dem misslungenen Putschversuch Mitte Juli wurden zehntausende Menschen festgenommen, ihrer Posten enthoben oder versetzt - die meisten von ihnen allein wegen einer angeblichen Nähe zur Gülen-Bewegung. Nach Regierungsangaben wurden bislang 5000 Beamte entlassen und 80.000 weitere vom Dienst suspendiert, 40.000 Staatsbedienstete wurden festgenommen, von denen mehr als die Hälfte immer noch in Gefängnissen sitzen.

Fethullah Gulen Foto: Reuters/C. Mostoller
Einer der türkischen Hauptstaatsfeinde: Fethullah GulenBild: Reuters/C. Mostoller

Die Regierung in Ankara macht den islamischen Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger für den versuchten Militärputsch verantwortlich. Der in den USA im Exil lebende Prediger bestreitet die Vorwürfe. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft der Bewegung seines einstigen Mitstreiters zudem vor, in den vergangenen Jahrzehnten die Justiz, die Armee und den Bildungssektor "unterwandert" zu haben.

Auch die Wirtschaft ist nun im Fokus

In dieser Woche hatten die Behörden ihr Vorgehen auch auf die Wirtschaft ausgedehnt und dutzende Haftbefehle gegen Unternehmer ausgestellt, denen eine Nähe zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wird. Laut der Nachrichtenagentur Dogan wurden 18 weitere Haftbefehle gegen Unternehmer in Istanbul erlassen, die die Gülen-Bewegung finanziell unterstützt haben sollen.

Kurdenpartei soll ausgelöscht werden

Im Zuge der staatlichen Repressalien ist nun auch geplant ,die Co-Vorsitzende der pro-kurdischen türkischen Oppositionspartei HDP, Figen Yüksekdag, wegen Terrorpropaganda zu 15 Jahre Gefängnis zu verurteilen. Das bestätigte ein HDP-Parteisprecher. Grund für die Anklage der Staatsanwaltschaft ist ein Auftritt Yüksekdags bei einer Veranstaltung im vergangenen Jahr, bei der sie Solidarität mit der syrischen Kurdenpartei PYD und der Kurdenmiliz YPG im Kampf gegen die IS-Terrormiliz in Syrien bekundete. Beide Organisationen werden von der Türkei wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK als terroristisch eingestuft. Für die USA hingegen ist die Kurdenmiliz YPG in Syrien ein wichtiger Partner beim Kampf gegen den IS-Terror.

Türkei HDP Politikerin Figen Yuksekdag Foto: Getty Images/AFP
Der kurdischen HDP Politikerin Figen Yuksekdag drohen 15 Jahre HaftBild: Getty Images/AFP

Erst kürzlich hatte die Istanbuler Staatsanwaltschaft bis zu fünf Jahre Haft für den HDP-Chef Selahattin Demirtas gefordert. Ihm werden Äußerungen zugunsten der PKK und ihres Anführers Abdullah Öcalan bei einer Veranstaltung im Jahr 2013 vorgeworfen. Damals befanden sich die PKK und die türkische Regierung noch in Friedensverhandlungen. Der Friedensprozess und eine Waffenruhe brachen im vergangenen Jahr zusammen. Im Mai 2016 beschloss das Parlament auf Betreiben von Staatspräsident Erdogan, die Immunität von mehr als einem Drittel der Abgeordneten aufzuheben, darunter Demirtas und Yüksekdag. Der Schritt richtete sich vor allem gegen die HDP, der Erdogan vorwirft, der verlängerte Arm der PKK im Parlament zu sein.

cgn/stu (dpa, afp)