1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Atemnot in Bukarest

Sorin Georgescu 4. September 2008

Die Einwohner von Bukarest haben es nicht leicht: Baustellen machen den Weg durch die Stadt zum Hindernislauf. Die Stadt will weg von Plattenbauten hinzu zu Glanz und Glamour. Allerdings geht das auf Kosten der Umwelt.

https://p.dw.com/p/FA3f
Blick über einen Teil der rumänischen Hauptstadt Bukarest (Cristian Stefanescu)
So grün ist es nicht überall in BukarestBild: DW

Baustellen gibt es in der Zwei-Millionen-Metropole Bukarest dutzende. Eine von ihnen liegt an der Kreuzung Strada Berzei – Stirbei Voda, unweit der Innenstadt. Baustellenstaub verpestet die Luft, der Fußgängerweg ist zugeparkt, fluchend müssen die Passanten auf die vielbefahrene Straße ausweichen.


Umbruch zum Aufbruch

Protestbewegung vor der Ukrainischen Botschaft in Bukarest (24.08.2004/Cristian Stefanescu)
Die Bukarester protestieren für UmweltschutzBild: DW

Weg von grauen Plattenbauten des Ceauşescu Kommunismus, hin zu den atemberaubenden Wolkenkratzer-Kulissen des Kapitalismus, so lautet das weit verbreitete Credo. Doch der Bauboom ist nach Meinung von Mariana Duma von der „Bürgergruppe Bukarest“ eine Katastrophe für Umwelt und Bewohner. Schließlich müssten nach europäischem Standard in den Städten 26 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner existieren, um von Normalität sprechen zu können.
Bukarest hat der Umweltaktivistin zufolge derzeit nicht einmal 8,5 Quadratmeter Grün, auch wenn die Behörden von elf Quadratmetern sprechen. Die physische und psychische Gesundheit der Bukarester sei dadurch ernsthaft bedroht, denn in Statistiken über Atemwegeerkrankungen lägen die Bukarester Kinder weit vorne, von den Erwachsenen ganz zu schweigen.


Besonders eklatant war die Zuteilung eines ganzen Parks an einen Investor. Dieser holzte fast die Hälfte der Bäume ab und wollte dort einen Hotelkomplex errichten. Der Fall wurde zum Skandal. Erst nach anhaltenden Protesten der Bevölkerung und lautem Medienwirbel gab Bürgermeister Adrian Videanu den Park zähneknirschend wieder an die Bürger zurück.


Doch nicht nur Bauten in Parks, sondern auch die zahlreichen Bürotürme sorgen für Unmut. Für Mariana Duma hat dies mit einer durchdachten Stadtplanung nichts zu tun: „Unsere Stadtväter, also der Bürgermeister und die Kommunalräte, haben Baugenehmigungen an Orten erteilt, wo riesige Fremdkörper aus Glas und Stahl nichts zu suchen haben, nämlich an historischen Plätzen“. Damit meint die Aktivistin Pläne, den Revolutionsplatz und den Enescu-Platz um das Konzerthaus „Rumänisches Athenäum“ zuzubauen. Zum Glück werde diese Bauvorhaben dank massiver Bürgerproteste nicht mehr umgesetzt.


Baustelle statt Grünfläche

Baustelle (Cristian Stefanescu)
In Bukarest wird fleißig gebaut - zu Lasten der UmweltBild: DW/C. Stefanescu

Für Adrian Bold, Chefarchitekt der Stadt Bukarest, sind Hochhäuser mit bis zu 30 Stockwerken im Stadtzentrum dagegen kein prinzipielles Problem. Die Wirtschaft hat seiner Meinung nach Vorrang. Der Architekt glaubt, dass sich die Stadt entwickeln müsse; schließlich sei Rumänien ein Land, in dem die Bauindustrie den prozentuell höchsten Beitrag zum Wirtschaftswachstum leiste. Wirtschaftliche Entwicklung bedeute nicht nur für private Taschen Geld, sondern auch für den öffentlichen Haushalt. Mit diesem Geld könnten Baudenkmäler restauriert und das historische Zentrum am Leben erhalten werden. Ohne wirtschaftliche Nutzung und das ohne Geld nicht möglich wäre.


Die zunehmende Verdichtung der Stadt ist für die meisten Bürger allerdings problematisch. Zahlreiche Bürogebäude sind in den letzten Jahren entstanden, aber an Parkplätze für das mit dem Auto fahrende Bürovolk hat niemand gedacht. Über eine Million Autos sind jeden Tag in der Stadt unterwegs. Jeder zweite Bukarester hat ein Auto. Hinzu kommt, dass das Umweltbewusstsein der Bürger noch in den Kinderschuhen steckt und ein Gesamtkonzept für den kollabierenden Verkehr fehlt.


Doch langsam kommt die Zivilgesellschaft in Bewegung. Vor einigen Wochen haben Umweltaktivisten mehrerer Organisationen den so genannten „Pakt für Bukarest“ geschlossen. Zum Konzept gehören ein generelles Bauverbot in Parks, Förderung der Fußgängerzonen und mehr Zuwendungen für den öffentlichen Verkehr. Ob allerdings der neue Bürgermeister den Mut haben wird, auch unpopuläre Maßnahmen wie die Verteuerung der Parkplatzgebühren in der Innenstadt zu treffen, bleibt offen.