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Olympic Moments

Lutz Kulling

Die griechischen Olympioniken der Antike blieben beim Wettkampf unter sich. Der Wiederbegründer Olympias hatte anderes im Sinn – doch Völkerverständigung war nur ein Motiv de Coubertins.

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Der deutsche Turner Carl Schuhmann feierte 1896 in Athen vier erste Plätze und einen dritten Rang im Turnen, Ringen und Gewichtheben.AthenQuelle: picture alliance/ASA
Männerriege mit antikem VorbildBild: picture alliance/ASA

"Lang lebe die Nation, lang lebe das griechische Volk!“ Ganz ohne königliches Pathos kam Georg der I. nicht aus, als er am 6. April 1896 die „ersten internationalen Olympischen Spiele“ eröffnete. Motor der Wiedergeburt in der Neuzeit war der französische Historiker und Pädagoge Pierre de Coubertin. 1894 bei einem Kongress in der Pariser Sorbonne hatte sein stetes Werben zum Erfolg und später zur Gründung des Internationalen Olympischen Komitees geführt.

Der Austragungsort Athen galt als Verbeugung vor dem antiken Vorbild, das im Jahre 393 durch den römischen Kaiser Theodosius I. verboten worden war. Angeblich, weil bei den Wettkämpfen in Olympia heidnische Götter verehrt worden waren.

Vater der modernen olympischen Spiele: Pierre de Coubertin (Porträt)
Pierre de CoubertinBild: http://fuv.hivolda.no/prosjekt/hildelodoen/COUBERTIN.JPG

Coubertin sah in der Wiederauflage unter neuen Vorzeichen auch die Chance, im Europa der Nationalstaaten alte Feindschaften aufzubrechen. Keine Liebe zwischen den Völkern, sondern Achtung sollte es nach Lesart des Edelmannes sein: „Aber um sich zu achten, muss man sich erst einmal kennen lernen. Das ist das echte Fundament des wahren Friedens.“


Kosmopolit und französischer Patriot

Also nicht nur „schneller, höher, stärker“, wie ein selbstgewähltes Motto Olympias ursprünglich lautete. Dr. Thomas Bach, einstiger Goldfechter und heute IOC-Vizepräsident, bewertet die Motive de Coubertins: „Was er in erster Linie wollte, war Erziehung, war Pädagogik durch Sport und völkerverbindende Merkmale durch Sport.“

Allerdings ging es dem Adeligen wohl nicht nur um die Erziehung junger Männer zu leistungsfähigen Mitgliedern der Gesellschaft. Experten wie der Kölner Sporthistoriker Manfred Lämmer wissen, dass ihm auch Wehrertüchtigung am Herzen lag. „Coubertin war natürlich nicht nur Kosmopolit, nicht nur ein Internationalist, so wie wir ihn heute sehen. Er war auch ein französischer Patriot.“ So belegen zahlreiche Passagen aus seinen Aufzeichnungen, wie sehr de Coubertin unter der letzten Niederlage Frankreichs gelitten hat, 1870/71 im Krieg gegen Preußen.

Das „Sportfest der Völker“ kam denn auch 1896 in Athen noch recht bescheiden daher: Die Griechen stellten gut zwei Drittel der ausschließlich männlichen Teilnehmer, wobei die meisten Quellen von etwa 250 aktiven Athleten aus 13 Ländern ausgehen. Nationalteams waren damals noch nicht am Start.


Deutsche trotz Boykott erfolgreich

Und bei 43 Entscheidungen in neun Sportarten waren praktische Erwägungen und nicht Klasse der Maßstab – für Großbritannien etwa sollten auch zwei Botschaftsangestellte Ehre einlegen. „Es gab ja für diese Spiele kein Vorbild, weder ein organisatorisches noch ein protokollarisches“, illustriert Historiker Lämmer. „Man hat, etwas fußend auf der Tradition der nationalen Olympischen Spiele in Griechenland, sozusagen ein internationales Kontingent draufgesetzt.“

Die Aufnahme vom April 1896 zeigt den deutschen Turner Carl Schuhmann der für die Olympischen Spiele nominiert wurde. Foto: +++(c) Picture-Alliance / ASA+++
Carl SchuhmannBild: picture alliance/ASA

Genau dieser multinationale Charakter mit so genannten „englischen Sportarten“ war der Deutschen Turnerschaft ein Gräuel, der Boykott des damals größten Sportverbandes der Welt die Folge. Dennoch belegten die Deutschen Platz drei im Medaillenspiegel und stellten den erfolgreichsten Teilnehmer: Vier erste Plätze und einen dritten Rang feierte Carl Schuhmann im Turnen, Ringen und Gewichtheben.


Kein Platz für Frauen

Kleines Kuriosum am Rande: Schuhmann nahm nicht etwa Goldmedaillen in Empfang, denn der Sieger erhielt damals zum Olivenzweig nur eine Silbermedaille. Der Zweitplatzierte musste mit Bronze vorlieb nehmen, der Dritte ging völlig leer aus – mehr ließen die finanziellen Möglichkeiten der Organisatoren nicht zu.

Größter „Verlierer“ von Athen waren aber die Frauen, die erst später Olympia erobern sollten. Denn für weibliche Athleten war im Weltbild des Gründervaters und langjährigen IOC-Präsidenten Pierre de Coubertin kein Platz: Er orientierte sich an der griechischen Antike, dem deutschen Turnen und an der englischen Public School. „Auch dies war natürlich eine rein männliche Erziehung“, merkt Manfred Lämmer an. „Ein Grund, warum de Coubertin 1925 als IOC-Präsident zurücktrat, war auch die Öffnung der Spiele für Frauen.“